Immer mehr Menschen möchten durch eine Änderung ihres Kaufverhaltens einen Beitrag zur Bekämpfung der Klimakrise leisten: Hin zu Produkten und Dienstleistungen, die weniger schädlich für Umwelt und Klima sind. Leicht gemacht wird ihnen das nicht.
Greenwashing-Umfrage: Strengere Regeln, höhere Strafen
Vier von zehn Befragten sehen sich laut einer aktuellen Studie nicht in der Lage, Greenwashing zu erkennen. Die Forderungen an die Politik sind klar.
Aufmerksame Leser:innen von KONSUMENT kennen das Problem bereits genau: Greenwashing. Eine EU-Studie aus dem Jahr 2020 hat ergeben, dass mehr als die Hälfte der Umweltaussagen auf dem Markt vage, irreführend oder nicht fundiert ist. In anderen Worten: Die Unternehmen betreiben Greenwashing. Auch immer mehr Gerichtsurteile und Interventionen von Aufsichtsbehörden belegen diese unsauberen Praktiken. Wir vom VKI wurden ebenfalls tätig. Gösser und die AUA konnten aufgrund unserer Initiative gerichtlich rechtskräftig verurteilt werden – und wir möchten noch mehr Greenwashing-Rechtsprechung in Gang setzen!
Internationale Studie
Um die Wahrnehmung der Verbraucher:innen in Bezug auf Umweltaussagen und Greenwashing besser zu verstehen, haben wir uns an der Erstellung einer groß angelegten internationalen Studie beteiligt. Im Mai 2023 wurde dazu in 16 Ländern eine repräsentative Umfrage durchgeführt – nicht nur in Europa, sondern auch in den USA, Kanada, Australien und Neuseeland. Pro Land wurden rund 1.000 Personen befragt. Bei der Auswahl haben die Studienautor:innen insbesondere auf eine ausgewogene Geschlechter-, Alters-, Bildungs- und Einkommensstruktur geachtet.
Die Ergebnisse sind hochinteressant. Und brisant. Und sie kommen zur rechten Zeit. Denn sowohl auf europäischer als auch auf internationaler Ebene beschäftigen sich die politischen Entscheidungsträger derzeit verstärkt mit regulatorischen Maßnahmen, die das Problem des Greenwashing in den Griff bekommen sollen.
Slideshow: Grafiken zur Umfrage
Gefühl von Manipulation
Die Studie belegt, dass die Mehrzahl der Konsument:innen Nachhaltigkeitsinformationen bei ihren Kaufentscheidungen berücksichtigt (rund 88 Prozent). Knapp 30 Prozent schauen sogar sehr häufig oder häufig darauf. Von diesen 88 Prozent achten wiederum 77 Prozent beim Kauf von Produkten oder Dienstleistungen zumindest teilweise auf Labels oder Umweltinformationen, 12 Prozent sogar sehr stark.
Dementsprechend stark ist auch die Abwehrreaktion, wenn Konsument:innen erfahren, dass sie Greenwashing auf den Leim gegangen sind: Die Hälfte der Befragten würde sich manipuliert fühlen, mehr als ein Drittel würde bei dem betreffenden Hersteller oder Dienstleister nicht mehr einkaufen.
Aber haben die Verbraucher:innen überhaupt das nötige Gespür dafür, ob sie gerade mit einem grünen Schmäh zur Kaufentscheidung gedrängt werden? Können sie Greenwashing identifizieren? Nicht wirklich. Rund 39 Prozent sehen sich nicht in der Lage, zwischen falschen/ungeprüften und echten/geprüften Umweltaussagen auf Produkten oder Dienstleistungen oder in der Werbung zu unterscheiden. Ein weiteres Drittel schafft das nur manchmal.
Klare Standards gefordert
Zwar spielt der VKI als Konsumentenschutzorganisation mit seinem Greenwashing-Check eine wichtige Rolle – konsultiert doch mehr als die Hälfte der befragten Österreicher:innen Konsumentenschutzorganisationen für diesbezügliche Informationen.
Letztendlich bleibt es aber unzumutbar, dass derart wichtige Aspekte, wie die Glaubwürdigkeit von Umweltaussagen oder die Umweltfreundlichkeit von Produkten und Dienstleistungen, im Einzelfall von Konsument:innen bewertet werden müssen. Warum? Es überfordert oft – sind doch die wenigsten Menschen Nachhaltigkeitsexpert:innen. Folgerichtig fordern über 80 Prozent der Befragten strengere gesetzliche Regeln mit klaren Standards, Vorabprüfungen und höheren (Geld-)Strafen bei Verstößen durch Unternehmen.
Regelmäßiges Greenwashing
Das Ganze ist sicherlich kein Nischenthema mehr. Schließlich hat mehr als die Hälfte der diesbezüglich sensibilisierten Konsument:innen angegeben, im vergangenen Jahr mindestens einmal auf Greenwashing gestoßen zu sein.
Grüne Trittbrettfahrer:innen, also Unternehmen und Dienstleister:innen, die sich nur mit grünen Feigenblättern schmücken, aber nichts Substantielles unternehmen, um ihr Kerngeschäft nachhaltiger zu gestalten, handeln gelinde gesagt verantwortungslos. Deshalb setzen wir vom VKI (u. a. auch über den Europäischen Verbraucherverband BEUC) uns für eine strengere und für Konsument:innen verbesserte Gesetzgebung ein.
EU-Richtlinie in Ausarbeitung
Die gute Nachricht ist, dass genau dies auf europäischer Ebene in Vorbereitung ist. Die sogenannte Green-Claims-Richtlinie legt Anforderungen an den Nachweis von Umweltaussagen fest und verlangt dabei auch eine Vorabprüfung durch externe Stellen. Genau das unterstützen auch acht von zehn Österreicher:innen in der Umfrage. Insgesamt sprechen sich die österreichischen Konsument:innen also sehr deutlich für strengere gesetzliche Anforderungen aus.
Auch die weit verbreiteten und oft kritisierten Umweltaussagen wie „klimaneutral“ oder „CO2-neutral“ müssen in Zukunft zusätzlichen Anforderungen genügen: Beispielsweise muss der Anteil von Reduktion und Kompensation angegeben werden und es dürfen nicht mehr alle Kompensationsprojekte herangezogen werden, um dann Klimaneutralität anzupreisen.
Fix ist noch nix
Allerdings muss auch gesagt werden, dass diese gesetzlichen Anforderungen derzeit noch intensiv auf Ebene des europäischen Parlaments und der Mitgliedsstaaten diskutiert werden – und es bleibt abzuwarten, wie streng die neuen gesetzlichen Anforderungen tatsächlich sein werden.
Sie werden aber sicherlich eine Verbesserung für die Konsument:innen im Hinblick auf mehr Glaubwürdigkeit und Transparenz von Umweltaussagen mit sich bringen. Auch Labels werden es in Zukunft „schwerer“ haben: Behauptungen müssen bald mit strengeren, gesetzlich verankerten Nachweisen belegt werden bzw. muss generell mehr Transparenz an den Tag gelegt werden.
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