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Botarin - Zu schön, um wahr zu sein

, aktualisiert am

Die Firma Botarin macht mit ihren Kosmetikprodukten gute Geschäfte. Bei der Werbung bleibt die Wahrheit da schon einmal auf der Strecke.

Rundum schön soll sie machen, die Anti- Aging-Pflegeserie der Marke Botarin, derzeitiger Verkaufsschlager in österreichischen Apotheken. Bei Anwendung der Präparate werden glatte Haut, volles Haar und eine Traumfigur versprochen. Auf ihrer Homepage warb die Firma bis vor Kurzem damit, dass Falten sich "wegcremen" ließen und Haarausfall gestoppt werden könne.

Voll des Lobes 

Diese Behauptungen werden weder durch unsere laufenden Tests im Kosmetikbereich belegt, noch sind uns wissenschaftliche Studien dazu bekannt. Dennoch sind in seitenfüllenden Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften Ärzte und Apotheker voll des Lobes über die so beworbenen Produkte.

 

 

Apothekerkammer schreitet ein

Apothekerkammer schreitet ein 

So dick ist die Werbung aufgetragen, dass sogar Ärzte- und Apothekerkammer tätig wurden. Die Österreichische Apothekerkammer sah sich genötigt, ihre für Botarin werbenden Mitglieder dazu aufzurufen, Werbeaussagen auf ihre Sachlichkeit hin zu überprüfen und ihr Engagement für derartige Werbung zu überdenken. Kammeramtsdirektor Herbert Schipper schreibt: "Die Werbung muss wahr und sachlich sein, der besonderen Stellung des Apothekers als Angehörigem eines Gesundheitsberufes gerecht werden und im Einklang mit Ehre und Ansehen der Apothekerschaft stehen."

Ärzte bewerben Botarin

Und die Österreichische Ärztekammer (ÖAK) hat ein kritisches Auge auf die für Botarin werbenden Ärzte geworfen. Unserer Ansicht nach zu Recht. So behauptet etwa eine Ärztin: "Dank der innovativen Wirkstoffkombination Argireline und Easylance ist Botarin in der Lage, alle Arten von Falten zu glätten, nämlich Mimik- und alterungsbedingte Falten." Eine andere Medizinerin preist Botarin gar als mögliche Alternative zur Botoxspritze an.

Stellungnahme ausständig 

In einem Schreiben der Kammer wurden die Ärzte um Stellungnahme zu ihren veröffentlichten Statements ersucht und es wurde angefragt, ob sie über eine in der Printwerbung zitierte Studie (konkret geht es um eine Umfrage unter österreichischen Dermatologen) im Detail informiert waren. Eine Antwort stand bis Redaktionsschluss noch aus.

 

Nicht existente Apotheker

Nicht existente Apotheker

Doch nicht nur der Inhalt der Botarin- Werbung ist zweifelhaft. Die Herstellerfirma Botarin Vertriebsgesellschaft Ltd. mit Sitz auf Malta scheint es auch sonst mit der Wahrheit nicht so genau zu nehmen. Im Zuge der Aussendung fand die Apothekerkammer nämlich heraus, dass drei auf der Homepage angeführte Apothekerinnen gar nicht in Österreich tätig sind. Eine weitere genannte Apothekerin behauptet, dass die Firma ohne ihr Einverständnis in ihrem Namen warb. Inzwischen wurden die Statements aller vier Personen von der Botarin-Website entfernt.

Aus der Luft gegriffen

Die in der Folge getätigte Behauptung des Herstellers, bei den genannten Apothekerinnen handle es sich um in der Schweiz tätige Pharmazeuten, ist offenbar aus der Luft gegriffen. Einer Recherche unserer Schweizer Kollegen vom Magazin "K-Tipp" ergab, dass die genannten Apothekerinnen auch in der Schweiz nicht registriert sind.

Falscher Arzt?

Ebenfalls ungeklärt ist die Identität eines Dermatologen, der im Inserat einer großen österreichischen Boulevardzeitung zu Wort kommt. Die Ärztekammer hat die Firma Botarin schriftlich aufgefordert, mitzuteilen, wo der in der Werbung abgebildete Arzt tätig ist, "da er nicht in der österreichischen Ärzteliste eingetragen, somit nicht zur Ausübung des ärztlichen Berufs in Österreich berechtigt ist". Bis Redaktionsschluss stand eine Stellungnahme seitens Botarin noch aus.

Rechtliche Schritte 

Sowohl Ärzte- als auch Apothekerkammer haben aufgrund der Ungereimtheiten rund um die Botarin-Werbung rechtliche Schritte in Betracht gezogen. Außerdem legt die Apothekerkammer den tatsächlich existierenden österreichischen Pharmazeuten aus der Botarin-Werbung nahe, ihr Engagement für die Präparate zu überdenken.

Die Faltenschlacht

Die Werbeaussagen der Kosmetikindustrie sind uns bereits seit Langem ein Dorn im Auge. Ob Cremen gegen Augenfalten, Cellulite oder Pigmentflecken – viele der teuer vermarkteten Produkte halten nicht, was die Werbung vollmundig verspricht, und sind ihr Geld deshalb nicht wert. Der Wettbewerb der Hersteller scheint sich darauf zu beschränken, die zündenderen Werbesprüche zu kreieren. Nicht die Qualität eines Produktes ist für den Absatz entscheidend, sondern die Vermarktung.

Einstweilige Verfügung: Normalerweise flicken sich die Hersteller gegenseitig nicht am Zeug. Wie könnten sie auch, wenn doch klar ist, dass Creme A genauso wenig bewirkt wie Creme B.
Doch rund um Botarin gilt der "Waffenstillstand" offenbar nicht mehr. Ende November vergangenen Jahres ließ Botarin über ihre Werbeagentur verlauten, dass das Handelsgericht Wien einer von Botarin beantragten einstweiligen Verfügung (noch nicht rechtskräftig) gegen L’Oréal Österreich wegen Irreführung der Konsumenten stattgegeben habe. Botarin stieß sich an der Behauptung der Konkurrenz, dass deren Biotherm-Produkte gegen Hautalterung wirksam seien ("10 Jahre an Jugendlichkeit in 4 Wochen"), ohne deutlich darauf hinzuweisen, dass die beworbene Wirkung nicht wissenschaftlich abgesichert sei.

Alternative zu Botox? L’Oréal konterte unmittelbar darauf mit einer einstweiligen Verfügung gegen Botarin, der das Landesgericht für Zivilsachen Graz stattgegeben hat (ebenfalls noch nicht rechtskräftig). Darin wird Botarin unter anderem untersagt zu behaupten, dass Botarin die erste Tiefenkosmetik sei, die alle Arten von Falten sanft und natürlich glätte, für eine nachhaltige Reduktion der Faltentiefe sorge (und zwar um bis zu 42 Prozent nach acht Wochen), eine sanfte Alternative zu Botox sei bzw. das Wirkprinzip von Botox aufgreife und Falten sich damit einfach wegcremen ließen.

Rechtliche Schritte eingeleitet: Inzwischen hat nicht nur die Konkurrenz rechtliche Schritte gegen die Botarin-Werbeaussagen eingeleitet, sondern auch der Verband der Markenartikelindustrie. Auch der Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb wurde aktiv und hat eine Unterlassungsaufforderung gegen Botarin veranlasst.

Gegen Kilos und Cellulite?

Neben äußerlich anzuwendenden Kosmetikprodukten findet sich mit dem Präparat Duo Slim Forte Caps im Botarin-Sortiment auch ein Präparat, das laut der Werbung schlank machen und Cellulite von innen bekämpfen soll. Abgesehen davon, dass in all unseren Tests von Anti-Cellulite-Produkten bislang kein einziges Präparat war, das auch nur annähernd etwas gegen Cellulite ausrichten konnte – für seriöse wissenschaftliche Beweise, die eine entsprechende Wirkung des Botarin-Produktes nahelegen, wären wir dankbar –, bewegt sich der Hersteller mit den Duo Slim Forte Caps auch in einer rechtlichen Grauzone.

Verstoß gegen Health Claims Verordnung

Gesetze und Verordnungen regeln genau, wie man für in Apotheken verkaufte Mittel, die eingenommen werden, werben darf. In § 53 des Arzneimittelgesetzes heißt es unter anderem: "Laienwerbung darf keine Elemente enthalten, die bildliche Darstellungen im Zusammenhang mit Angehörigen der Heilberufe aufweisen." Das gilt für Arzneimittel.

Botarin Duo Slim Forte Caps werden als Nahrungsergänzungsmittel gehandelt. Auch für die Bewerbung derartiger Erzeugnisse existiert eine gültige EU-Richtlinie: die Health Claims Verordnung. Diese besagt im Artikel 12, dass gesundheitsbezogene Angaben, die auf Empfehlungen von einzelnen Ärzten oder Vertretern medizinischer Berufe verweisen, nicht zulässig sind. Unserer Ansicht nach liegt hier ein Verstoß vor.

Wunderpille gegen überflüssige Kilos

Sieht man sich die Werbeeinschaltungen einmal genauer an, fällt auf, dass sie in ihrer Aufmachung eher redaktionellen Texten gleichen als Inseraten. Derartiges Product-Placement, bei dem die Grenze zwischen Inserat und redaktionellem Inhalt verschwimmt, erfreut sich in den Medien zunehmender Beliebtheit. Schwankt die schönheitsbewusste Leserin immer noch in ihrer Kaufabsicht, bekommt sie als Draufgabe eine Grafik geliefert, die ihr demonstriert, wie die Wunderpillen Nahrungsfette im Magen binden sollen und damit die Kilos purzeln lassen.

Das Argument, Duo Slim Forte sei sogar in der Lage, gefährliche Transfette zu binden, soll dann wohl die letzten Zweifel gesundheitsbewusster Kunden ausräumen – wobei verschwiegen wird, dass das Präparat bei tatsächlicher Wirksamkeit mit dem nächsten Stuhlgang auch wichtige fettlösliche Vitamine entsorgen würde.

Feigenkaktus und Chitosan

Zu den Inhaltstoffen der Schlankheitspillen erfahren wir in der Anzeige: "Botarin Duo Slim Forte mit der doppelten Kraft von Feigenkaktus und Chitosan unterstützt Abnehmwillige Tag für Tag." In der Tat tauchen beide Substanzen immer wieder in Schlankheitsmitteln auf. Der Mittelmeerurlaubern bestens bekannte Feigenkaktus, botanischer Name Opuntia, stammt ursprünglich aus Amerika, wo ihn Indianer seit langer Zeit als Heilmittel gegen Blasenleiden einsetzen. Chitosan ist ein unverdaulicher Faserstoff, der aus den Schalen von Krabben, Hummern und Garnelen gewonnen wird. Er nimmt auf seinem Weg durch den Verdauungstrakt Wasser auf, wodurch er aufquillt und leicht sättigend wirkt.

Zusätzlich bindet Chitosan – jedenfalls außerhalb des Organismus – Fett. Den Stoff zur Gewichtsreduktion einzusetzen, beruht vor allem auf dem Gedanken, dass es sich positiv auswirken müsste, wenn zumindest ein Teil der Nahrungsfette unverdaut ausgeschieden würde und sich nicht in den Depots ablagert.

Wenig geeignet

In der Praxis freilich sieht die Sache anders aus, denn Voraussetzung für eine erfolgreiche Fettbindung an Chitosan ist, dass die einzelnen Komponenten im richtigen pH-Bereich zusammentreffen. Wissenschaftliche Studien, die diesen Effekt untersuchten, kamen zu einem ernüchternden Ergebnis: Bei Männern wurde nur so wenig Fett ungenutzt ausgeschieden, dass sie sieben Monate brauchen würden, um ein halbes Kilogramm Körperfett zu verlieren.

Bei Frauen steigerten die Mittel die Fettausscheidung über den Stuhl überhaupt nicht. Dementsprechend enttäuschend fielen auch Untersuchungen aus, in denen der Gewichtsverlust der Teilnehmer kontrolliert wurde: Dieser war allenfalls geringfügig. Es ließ sich nicht nachweisen, dass mit chitosanhaltigen Schlankheitsmitteln eine bedeutsame und dauerhafte Gewichtsabnahme zu erreichen ist; und auch was die Senkung erhöhter Blutfettwerte angeht, beurteilen wir Chitosan als wenig geeignet.

Zusammenfassung

Faule Werbung. In der Botarin-Werbung auftretende Ärzte und Apotheker sind nicht in Österreich tätig. Die Werbung ist überzogen und die Firma musste ihre Slogans aufgrund einer einstweiligen Verfügung teilweise zurückziehen.

Stolze Preise. Die Botarin-Produkte sind alles andere als günstig. Das billigste Mittel ist die Anti Aging Handcare mit 100 ml Inhalt für 16,90 Euro, das teuerste Präparat Intense Lifting Serum XL mit 30 ml Inhalt kostet 79,90 Euro. 60 Stück Botarin Duo Slim Forte Caps sind für 39,90 Euro erhältlich.

Angeschmiert. Schlankheitsmittel mit "Fettblockern" wie Chitosan erweisen sich in der Praxis als wenig tauglich zum Abnehmen. Bisherige Studien attestieren ihnen keine relevante Wirkung bei der Gewichtsreduktion. Untersuchungsergebnisse zu Botarin Duo Slim Forte fehlen. Die Wirksamkeit des Produkts ist deshalb mehr als fraglich.

Leserreaktionen

Ohne Erfolg

 

Ich kann nur bestätigen, dass Botarin trotz des hohen Preises keineswegs wirksamer ist als ein wesentlich günstigeres Produkt. Ich habe mich leider auch von der Werbung beeinflussen lassen und die Creme gekauft, ohne ersichtlichen Erfolg.

 

Marianne Rauch
Leoben
(aus Konsument 03/2010)

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