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Fotografieren: Sportfotografie - Die entscheidende Tausendstelsekunde

, aktualisiert am

Die Sportfotografie hält den Fluss der Zeit an und präsentiert Momentaufnahmen, die dem menschlichen Auge gewöhnlich verborgen bleiben.

Eine Farm in Palo Alto, USA. Entlang einer Teststrecke sind im Abstand von wenigen Zentimetern 24 Kameras aufgebaut. Das­ ­Experiment beginnt: Ein Reiter galoppiert an den Kameras vorbei, die so verdrahtet sind, dass jede einzelne just in dem Moment ­ausgelöst wird, wenn das Pferd sie passiert. So entsteht eine Folge von 24 Einzelbildern. Und diese Bildreihe offenbart, was mit dem bloßen menschlichen Auge nicht zu erfassen ist: Ja, es gibt einen Moment, da hat das ­galoppierende Pferd alle vier Hufe gleich­zeitig in der Luft, da fliegt es gleichsam durch die Luft.

Was das Auge nicht sieht

Das war im Jahre 1877. Ein in der Geschichte der Fotografie bedeutendes Ereignis. Es war der englische Fotograf Eadweard Muybridge, dem das Verdienst zukommt, Licht in ein dunkles Kapitel der Biologie gebracht zu ­haben. Er nutzte dabei ein besonderes Vermögen der Kamera: Sie kann einen Sekundenbruchteil festhalten. Eine Leistung, zu der das menschliche Auge nicht fähig ist und von der heute insbesondere die Sportfotografie lebt. In Großaufnahme zeigt sie, wie Schweißperlen vom Kopf des Boxers spritzen, der ­gerade einen Schlag abbekommen hat. Wie der Turmspringer ein hoch konzentriertes ­Gesicht macht, wenige Augenblicke bevor er, „Schraube“ inklusive, kopfüber in die Tiefe springt. Wie der Fußballer in die Höhe steigt und mit einem wuchtigen Kopfstoß den Ball im Tor versenkt.

Den Fluss der Zeit anhalten

Alles Augenblicke, die dem Zuschauer gewöhnlich verborgen bleiben. Weil sie zu weit entfernt sind und weil sie im Fluss der Er­eignisse untergehen. Der Sportfotograf hält ­diese entscheidenden Hundertstel-, öfter Tausendstelsekunden fest, kristallisiert aus dem Kontinuum ein einzelnes Bild heraus, hält den Fluss der Zeit an. Der Betrachter des Fotos ist plötzlich ganz nah am Geschehen, wird Zeuge dieser kurzen Momente, der Kraftakte und Rekorde, in denen sich Sieg oder Niederlage, Jubel oder Trauer verdichten – diese beiden Extreme, von denen der Sport lebt.


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Fotos der Dramatik der Situation und von Unvorhesehbarem

Technische Fortschritte

Die Geschichte der Fotografie ist gerade ­einmal knapp 200 Jahre alt. Noch jünger ist die Sportfotografie. Sie kam erst auf (Anfang bis Mitte des vorigen Jahrhunderts), als die technische Entwicklung entscheidende ­Fortschritte machte, als insbesondere die Objektive lichtstärker wurden und damit auch die Verschlusszeiten kürzer.

Die Kameratechnik ist wichtig, aber nicht ­alles. Wie in allen Bereichen der Fotografie gilt auch in der Sportfotografie, dass nicht die Kamera das Bild macht, sondern die ­Person, die sie bedient. Die beste Kamera nützt nichts, wenn sie ohne eine Idee ein­gesetzt wird.

Die technischen Voraussetzungen

Das entfernte Geschehen nahe heranbringen und groß einfangen – diese Prämisse der Sportfotografie verlangt nach einem Objektiv mit langer Brennweite, nach einem Teleobjektiv. Hier hat der Fotograf eine physika­lische Gesetzmäßigkeit zu beachten: Je größer die Brennweite, desto größer auch die Verwacklungsgefahr. Die Faustregel lautet: die Mindestverschlusszeit, die noch verwacklungsfreie Fotos aus der Hand garantiert, entspricht in etwa der Brennweite des Objektivs.

Bei einem Normalobjektiv von 50 mm wäre das also rund 1/60 Sekunde, bei einem Tele von 105 mm rund 1/125 Sekunde. Profis arbeiten mit Brennweiten von 400 mm, wenn nicht mehr; diese Objektive sind in der Regel sehr wuchtig und schwer – ohne Stativ geht da nichts mehr. Kommt hinzu, dass es die Sportfotografie vordringlich mit sich (sehr schnell) bewegenden Objekten zu tun hat – auch die verlangen eine kurze Verschlusszeit; dann jedenfalls, wenn eine klare und deutliche Wiedergabe erzielt ­werden soll.

Die Dramatik der Situation einfangen

Ein verwischter Sportler auf dem Foto, das kann ein technischer Fehler sein. Kann aber auch gewollt sein. Zwei Fußballer im Kampf um den Ball: Bewegungsunschärfe kann in diesem Fall helfen, die Dramatik der Situa­tion zu betonen. Je deutlicher dieser Effekt eingesetzt wird, desto größer auch die ­Chance, dass er nicht als technische Un­zulänglichkeit fehlgedeutet, sondern als ­bewusst eingesetztes Gestaltungsmittel erkannt wird.

Das „Unvorhersehbare“ planen

Ein guter Sportfotograf steht nicht nur mit seiner Kamera auf vertrautem Fuß, er kennt sich auch bestens in dem Metier aus, in dem er tätig ist – weiß also schon vor Anpfiff des Fußballmatches, welche der beiden Mannschaften die stärkere ist und in welcher Platzhälfte sich folglich das Geschehen hauptsächlich abspielen wird. Entsprechend wird er Aufstellung am Spielfeldrand nehmen. Denn was nutzen ihm die packendsten Strafraumszenen, wenn er hinter dem anderen Tor steht? Natürlich ist nicht alles planbar, der Sport lebt gerade von seinen unvorhersehbaren Momenten. Trotzdem sollte der Fotograf sich schon im Vorfeld einige Ge­danken darüber gemacht haben, was er ­aufnehmen will. Und wen. Und wie. Erfolg braucht ein Konzept. Ohne tragende Idee läuft er Gefahr, sich im unermesslich großen Motivangebot einer Sportveranstaltung zu verlieren.

Bei Fernsehübertragungen großer Sportereignisse sieht man immer wieder ein wahres Blitzlichtgewitter auf den Zuschauerrängen. Doch aus weiter Entfernung lässt sich selbst das größte Idol höchstens in Stecknadel­größe einfangen: Für die Erinnerung mag diese Aufnahme schön sein, als Sportfotograf werden Sie mit ihr keine Lorbeeren ernten.

Der Kampf um den Ball; Bild: Wenzel Müller  Der Kampf um den
Ball; Der Sportfoto-
graf möchte etwas
von der Dramatik im
Bild festhalten.
Der Sport lebet von Emotionen; Bild: Wenzel Müller  Sieg oder Niederlage,
Triumph oder Trauer:
Der Sport lebt von
Emotionen
Immer noch aktiver Vereinsobmann: Ladislaus Gallos; Bild: Wenzel Müller  Schon über 70, aber
immer noch aktiver
Vereinstormann:
Ladislaus Gallos aus
Steinberg, Burgenland
Der Torwart fliegt ins falsche Eck; Bild: Wenzel Müller  Der Torwart fliegt ins
falsche Eck - und der
Fotograf drückt im richigen
Moment ab.

Geschehnisse am Rande einfangen

Die besonderen Momente

Eine Domäne der Sportfotografie sind tra­ditionell die Höhepunke eines Wettkampfs, die einzigartigen und herausragenden Augenblicke, der spektakuläre Fallrückzieher etwa. Aber es können auch stille Momente sein. Franz Beckenbauer einsam in der Mitte des Stadions von Rom: Diese Aufnahme von 1990 hat sich in unser kollektives Bild-­Gedächtnis eingebrannt. Der Trainer ist soeben mit seiner Mannschaft Fußballwelt­meister geworden – in aller Stille genießt er den ­Augenblick.

Das Laute, Sensationelle, Spektakuläre hat, ähnlich wie grelle Farben, einen entscheidenden Nachteil: Die Wirkung ist zwar intensiv, aber üblicherweise auch nur kurz. Und schon bald macht sich Ermüdung breit.

Geschehnisse am Rande

Sportfotografie braucht sich daher keineswegs nur auf mit dem Super-Tele einge­fangene Aufnahmen zu beschränken. Das österreichische Fußballmagazin „ballesterer“ verzichtet sogar fast ganz darauf, es findet Aufnahmen spannender, die das Geschehen am Rande einfangen: von Zuschauern, Am­biente, Atmosphäre.

Auch ein Fußballplatz ganz ohne Geschehen kann ein dankbares Motiv sein; sei es, weil er idyllisch im Wald liegt, oder – anderes Extrem – sich als wahrer Acker präsentiert. Weil er von anmutiger Schönheit oder von bizarrem Reiz ist. Doch hier verwischt sich die Grenze zur Landschafts- und Architekturfotografie ...

Buchtipp: Fotografieren

Die Möglichkeit jederzeit, schnell und einfach Fotos erstellen zu können ruft auch einen Überdruss hervor. Die Flut der vielen beliebigen und nichtssagenden Fotos nährt die Sehnsucht nach dem Besonderen,  nach authentischen Bildern. Weg von der Massenware und hin zum individuellen und unverwechselbaren Ausdruck.

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Wir wollen Möglichkeiten aufzeigen und Anregungen bieten, die Sie unterstützen zu Ihrem eigenen, ganz persönlichen Ausdruck in der Fotografie zu finden.

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Aus dem Inhalt

  • Zeichnen mit Licht
  • Schärfe und Unschärfe
  • Flächen, Linien, Perspektive
  • Porträt- und Landschaftsfotografie
  • Architekur- und Sachfotografie

184 Seiten, 19,60 € + Versand

Fotografieren statt knipsen

 

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Langsame Digicams

Leider ist es auch mit modernen, hochwertigen Digitalkameras nicht immer möglich, gute Sportfotografien zu erzielen. Die Auslöseverzögerung beträgt in manchen Fällen bis zu 1,2 Sekunden! Wenn man mit einer derartigen Kamera beim spektakulären Fallrückzieher auf den Auslöser drückt, ist der Ball längst im Tor, bis sich die Kamera dazu bequemt, endlich auszulösen.

Peter Kuzmany
Leopoldsdorf

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