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Fotografieren: rote Augen oder Available-Light - Der richtige Augenblick

Der "Rote-Augen-Effekt" gilt als typischer Anfängerfehler. Manche Aufnahmen wirken ohne Blitz besser.

Manchmal ist es ein markantes Piercing im Gesicht oder ein übergroßes Ohr, das betont werden soll. Doch das ist eher die Ausnahme. Eine eherne Regel in der Porträtfotografie lautet: immer auf die Augen scharf stellen. Denn in ihnen spiegelt sich die Seele eines Menschen, so heißt es jedenfalls.

Augen-Blicke

Ohne die Bedeutung der Hände oder anderer Körperteile wie etwa der Kniescheibe schmälern zu wollen: Den Augen kommt ein Alleinstellungsmerkmal zu, zumindest was das Innere und den Charakter eines Menschen betrifft. Nicht umsonst wohnt auch jenem Augenblick (!) etwas Magisches inne, da Verliebte einander das erste Mal tief in die Augen schauen.

Augen können weit geöffnet oder zu einem Schlitz verengt sein. Sie vermögen Selbstbewusstsein oder Schüchternheit, Extrovertiertheit oder Introvertiertheit zu signalisieren. Die Pupillen in ihrer Mitte sind in der einen Situation hell und in der anderen dunkel.

Weit geöffnet oder verengt

In dieser Vielfalt liegt der Reiz und die Zauberkraft der Augen. Nur eines können die Augen nicht sein: rot leuchtende Punkte. Dieses Phänomen kennt die Natur nicht (außer bei einer genetisch bedingten Pigmentstörung, Albinismus genannt) - wohl aber die Fotografie. Sie spricht vom sogenannten "Rote-Augen-Effekt".

Direktes Blitzen

Er führt dazu, dass selbst friedlichste Menschen auf solchen Bildern wie Vampire aussehen. Nicht das ganze Auge, wie es die Bezeichnung nahe legen würde, leuchtet bei ihnen rot, sondern nur ein Teil, die Pupille.

Rote Augen sind in der Regel nicht beabsichtigt, nur selten will sich da einer einen bösen Spaß erlauben. Diese Art der Manipulation gilt gemeinhin als technischer Fehler, bedingt durch direktes Blitzen.

Indirektes Blitzen, verschwenkbarer Blitz, Vorblitz

Licht von der Netzhaut

Direktes Blitzen heißt: Der Lichtstrahl des Blitzes trifft auf geradem Weg auf das Auge und dringt in sein Inneres vor, durch die lichtdurchlässige Pupille und den dahinter befindlichen Glaskörper, bis hin zu der stark durchbluteten und lichtundurchlässigen Netzhaut. Das Rot der Netzhaut wird nun reflektiert, ein Lichtstrahl geht den umgekehrten Weg wieder zurück und trifft, wenn sich Blitz und Objektiv in einer optischen Achse befinden, auf den Sensor bzw. Film der Kamera.

Blitz und Objektiv zu nah beisammen

Einfacher formuliert: Blitz und Objektiv liegen in dem Fall zu nahe beieinander. Das ist vor allem bei Kompaktkameras der Fall; denn sie haben fast standardmäßig einen Blitz fix eingebaut.

Wie lässt sich der Rote-Augen-Effekt verhindern? Eine Möglichkeit besteht im indirekten Blitzen. Der Fotograf lässt den Blitzstrahl einen Umweg machen, etwa über die Zimmerdecke, von wo das Licht in weicher und gestreuter Form, ähnlich dem natürlichen Himmellicht, auf die Person niedergeht.

Verschwenkbarer Blitz ...

Hat diese Person eine Schirmkappe auf, kann es passieren, dass ihr Gesicht auf dem fertigen Bild im Schatten versinkt. Rote Augen wird sie dagegen mit Sicherheit nicht haben. Zu bewerkstelligen ist dies freilich nur mit einem Blitz, der sich in verschiedene Richtungen schwenken lässt, was bei fix eingebauten Geräten in der Regel nicht der Fall ist.

Bessere Kameras besitzen einen Blitzschuh, wo ein externes Blitzgerät (mit schwenkbarem Blitzkopf) aufgesetzt werden kann. Ein sogenannter Stabblitz, montiert an der Seite der Kamera, stellt auch eine Lösung dar – Blitz und Objektiv liegen hier weit auseinander.

... oder Vorblitz einsetzen

In Kameras integrierte Blitze verfügen heute in den meisten Fällen über einen speziellen Modus: das sogenannte Vorblitzen (oft durch ein Augensymbol gekennzeichnet). Auch damit lassen sich rote Augen vermeiden. Bevor das Gerät zu seinem eigentlichen Blitzvorgang ansetzt, schickt es einen oder mehrere Vorblitze voraus.

Durch die starke Helligkeit ziehen sich die Pupillen der zu fotografierenden Person augenblicklich zusammen. Nun ist die Öffnung so klein, dass der Lichtstrahl nicht mehr bis zur Netzhaut vordringen kann. Und nun kann der eigentliche Blitzvorgang starten. Nachteil dieser Lösung: Die Person hat auf dem Foto kleine Pupillen – aber große Pupillen wirken besser, wie Sie auf dem Bild unten sehen können.

Große Pupillen (Bild: Wenzel Müller)

(Bild: Wenzel Müller)

Available-Light-Aufnahmen

Available-Light-Aufnahmen

Die vielleicht beste Möglichkeit, um kleine und rote Augen zu verhindern, ist, erst gar nicht zu blitzen. Versuchen Sie, mit dem gegebenen Licht das Auslangen zu finden. Unter Umständen müssen Sie dazu eine höhere ISO-Empfindlichkeit an Ihrer Kamera einstellen. Das ist heute kein Problem mehr, da die Sensoren bei der Empfindlichkeit ständig zulegen. Oder Sie nützen ein Stativ oder eine stabile Unterlage gegen das Verwackeln.

Diese Art der Aufnahme - Fachleute sprechen von Available-Light - hat den Vorteil, dass sie die natürliche Lichtstimmung bewahren. Der Blitz bringt zwar Licht in die Szenerie, oft genug zerstört er aber deren speziellen Zauber: Wie von einem Autoscheinwerfer ausgeleuchtet, so charmant oder eben uncharmant, wirkt dann häufig das Ergebnis: ein typischer Anfängerfehler. Oder große Kunst: Der deutsche Fotokünstler Jürgen Teller liebt die einfache, auch harte Bildsprache in seinen Reportagen; er ist bekannt dafür, den Leuten gerne direkt ins Gesicht zu blitzen.

Fehler oder Kunst?

Künstler streben nicht selten den Regelbruch an. Mit Kategorien wie "richtig", "falsch" oder "Fehler" gilt es also überaus vorsichtig zu sein. Im Grunde haben sie in der Fotografie nichts verloren. Beispiel: Eine Porträtaufnahme erlaubt sogar drei Augenpaare – jedenfalls feiert die Kunstgeschichte Man Rays so geartete Aufnahme der "Marquise Casati" (1922) als Fotoikone, als surrealistisches Meisterwerk. Dabei kamen die drei Augenpaare durch einen "Fehler" zustande: durch eine Verwacklung während einer Langzeitbelichtung.

Software zur Nachbearbeitung

Nehmen wir an, Ihnen sind rote Augen passiert und sie vermögen darin keinen Reiz zu erkennen. Sie möchten die Aufnahme nur retten. Kein Problem! Am Computer lässt sich das Malheur in der Nachbearbeitung ohne weiteres ausbessern. Selbst einfache Bildbearbeitungsprogramme verfügen über entsprechende Instrumente. Mit ein paar Mausklicks lassen sich nicht nur rote in schwarze Pupillen umwandeln, sondern auch braune in blaue. Bleibt nur die Frage, ob Sie das wollen, ob dies Ihrer Bildintention entspricht ...

Willkommene Glanzlichter

Rote Pupillen sind von Lichtreflexen in den Augen zu unterscheiden. Diese Lichtreflexe können vom durch das Fenster einfallenden Sonnenlicht herrühren. Sie gelten nicht als Fehler, im Gegenteil, sie sind hochwillkommen. Als Glanzlichter, als belebendes Element. Und sie sind auch eine ganz natürliche Sache.

Beispiel für Glanzlichter:

Glanzlichter (Bild: Wenzel Müller)

(Bild: Wenzel Müller)

Buchtipp: Fotografieren

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Aus dem Inhalt

  • Zeichnen mit Licht
  • Schärfe und Unschärfe
  • Flächen, Linien, Perspektive
  • Porträt- und Landschaftsfotografie
  • Architekur- und Sachfotografie

184 Seiten, 19,60 € + Versand

Fotografieren statt knipsen

 

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