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Medikamente: Migränemittel - Gewitter im Kopf

  • Bei Übelkeit: erst Magen-, dann Schmerzmittel
  • Triptane haben sich bewährt
  • Vorbeugen mit Blutdruckmitteln

Migräne ist eine Krankheit

Migräne hat nichts mit dem Rumoren und Klopfen zu tun, das die meisten Menschen ab und zu einmal im Kopf spüren. Sie ist eine eigenständige Krankheit, die die Betroffenen oft lange Zeit quält, manche sogar lebenslang.

Merkmale für Migräne

Wann es sich bei Kopfschmerzen um Migräne handelt, ist definiert: Die Kopfschmerzen treten anfallsartig auf, meist ein- bis sechsmal im Monat. Eine Attacke dauert zwischen vier Stunden und drei Tagen, und es liegen mindestens zwei der folgenden Merkmale vor: Die Schmerzen betreffen nur eine Seite des Kopfes, sie fühlen sich klopfend oder pulsierend an, sie beginnen mäßig stark und steigern sich, und sie verstärken sich bei Bewegung. Darüber hinaus bestehen noch Übelkeit oder Erbrechen, Licht- und Geräuschempfindlichkeit.

Etwa zehn Prozent der Migränekranken erleben vor der eigentlichen Kopfschmerzattacke eine so genannte Aura: Sie sehen flimmernde, sternförmige Figuren, manchmal entwickelt sich auch ein schwarzer Fleck im Gesichtsfeld. In dieser Phase kann die Sprache gestört sein. Auch Schwindel, in den Beinen Ameisenkribbeln und Lähmungen können vorübergehend auftreten.

Einfach überfordert

Ursache dieses Geschehens ist der Stress, den Veränderungen hervorrufen. Wenn etwas Gewohntes durch Neues abgelöst wird, müssen sich Körper und Psyche den geänderten Bedingungen anpassen. Sogar das sonntägliche Ausschlafen gegenüber dem alltäglichen Frühaufstehen ist ein Beispiel für eine solche die Körpersysteme belastende Veränderung. Besonders empfindliche Menschen reagieren auf derartige Anpassungsanforderungen häufig mit Migräne. Bei einer Migräneattacke ist das Gehirn sehr aktiv – so erklären sich die veränderten Sinneseindrücke und Empfindungen. Gleichzeitig wird eine große Menge an Substanzen freigesetzt, die zu einer Entzündungsreaktion um die Arterien der Hirnhäute führen. Auf dieser beruht dann der typische Migränekopfschmerz.

Bei ersten Anzeichen sofort behandeln

Bei den ersten Anzeichen eines beginnenden leichten Migräneanfalls bekämpfen Sie zunächst die Übelkeit, beispielsweise mit Metoclopramid (Gastrosil®, Metogastron®, Paspertin®) oder Domperidon (Motilium®). Warten Sie eine Viertelstunde, und nehmen Sie dann ein Schmerzmittel mit Ibuprofen, Parazetamol oder Azetylsalizylsäure. Genaueres zu diesen Klassikern der Schmerzbehandlung finden Sie in Schmerzmittel 9/2004 . Eine Substanz, die ebenfalls bei der Behandlung von Migräne zum Einsatz kommt, ist Diclofenac, das zur Gruppe der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) gehört. Es gibt sie als Tabletten, Zäpfchen oder Ampullen zur Injektion. Bessern sich Ihre Beschwerden nicht, können Sie nach vier bis sechs Stunden noch einmal zu einem Schmerzmittel greifen.

Bewährt: Triptane

Bei einem schweren Migräneanfall und wenn die andere Therapie nicht ausreicht, werden Triptane eingesetzt. Diese speziellen Migränemedikamente verengen die großen Blutgefäße im Gehirn, veranlassen bestimmte Nervenfasern, weniger entzündungsfördernde Substanzen freizusetzen und hemmen die Übertragung der Schmerzempfindung im Gehirn. Sie machen zusätzliche Magen- und Schmerzmittel überflüssig.

Es gibt verschiedene Triptane

Triptane können sowohl zu Beginn der Attacke als auch währenddessen verwendet werden. Haben die Schmerzen nachgelassen, setzen aber einige Zeit später erneut ein, kann nach zwei oder vier Stunden – abhängig vom verwendeten Präparat – eine zweite Dosis angewendet werden. Bessern sich die Schmerzen nicht, hat es keinen Sinn, das gleiche Mittel noch einmal einzunehmen, denn dann wirkt es bei Ihnen offensichtlich nicht. Es kann aber einen Versuch wert sein, in Absprache mit Ihrem Arzt zu einem anderen Triptan zu wechseln – schließlich gibt es verschiedene.

Nicht als Dauermedikament geeignet

Triptane dürfen Sie höchstens an zehn Tagen im Monat einnehmen, denn bei allzu häufiger Anwendung können Dauerkopfschmerzen auftreten. Die übliche Anwendungsform sind Tabletten. Zäpfchen und Nasenspray sind für diejenigen gedacht, die wegen der Übelkeit nichts schlucken mögen; die Injektionslösung zum selbst Spritzen wirkt besonders rasch.

Auslaufmodell „Ergots“

Seit die Triptane auf dem Markt sind, verlieren Wirkstoffe wie Ergotamin und Dihydroergotamin, die von den Inhaltstoffen des Mutterkorns abgeleitet sind, immer mehr an Bedeutung. Früher waren sie bei der Migränebehandlung unersetzlich, heute ist das Bessere der Feind des Guten: Die Triptane wirken besser, sind besser verträglich und haben weniger unerwünschte Wirkungen als Substanzen, die den Wortbestandteil „Ergot“ tragen. Sie werden heute nur noch bei sehr lange anhaltenden Migräneattacken empfohlen und bei Menschen, die unter häufig wiederkehrenden Anfällen leiden.

Schlaganfallgefahr bei Wechsel zu anderem Präparat

Wer zunächst mit Triptanen versucht, seiner Migräne beizukommen, und dann doch zu einem ergotaminhaltigen Präparat greift, muss zwischen beiden Medikamenten einen 24-stündigen Abstand einhalten. Der Grund ist, dass sich die beiden Mittel in ihrer Wirkung auf die Blutgefäße im Gehirn so verstärken können, dass ein Schlaganfall droht.

Vorbeugung

Migränevorbeugung – der Begriff weckt leider überzogene Hoffnungen. Aber mit täglich eingenommenen Medikamenten lassen sich bei immerhin etwa 60 Prozent der Migränegeplagten die Anzahl und die Intensität der Anfälle verringern. Völlig anfallsfrei werden sie in der Regel dadurch aber nicht. Eine solche Migräneprophylaxe kann erwogen werden, wenn es mehr als sieben Migränetage im Monat gibt. Als Medikamente dienen dazu in erster Linie Metoprolol und Propranolol. Diese so genannten Betablocker sind in der Behandlung von Herz- und Kreislauferkrankungen etabliert, mittlerweile steht aber auch ihr Nutzen in der Migränetherapie außer Frage. Ihre Wirkung bei Migräne erklärt man sich so, dass Betablocker im zentralen Nervensystem die Konzentration des Botenstoffs Serotonin beeinflussen und damit das System stabilisieren, das für die Schmerzempfindung zuständig ist.

Wirksamkeit erst nach mehreren Wochen feststellbar

Ob die Mittel das Erhoffte bewirken, lässt sich erst nach sechs bis acht Wochen Einnahme feststellen. Sprechen Sie darauf an, sollten Sie das Mittel sechs bis neun Monate lang anwenden. Anschließend die Dosierung im Laufe von vier Wochen verringern. Wird das Präparat schließlich ganz abgesetzt, zeigt sich, ob die Migräne vergangen ist. Treten doch wieder Migräneanfälle auf, können Sie die Therapie erneut beginnen und – wenn nötig – kontinuierlich fortführen.

Präparat vermisst?

Das lässt sich erklären. Basis dieses Artikels ist ein Kapitel aus unserem Handbuch „Medikamente“. Für dieses haben Fachleute der Stiftung Warentest in Berlin die in Deutschland zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen am häufigsten verordneten Arzneimittel begutachtet. Bewertet wurde ihre Eignung für die Anwendungsgebiete, für die die Präparate zugelassen sind, hier also zur Vorbeugung und Behandlung von Migräne.

Unsere Tabelle listet die Präparate auf, die in Österreich erhältlich und den in Deutschland bewerteten bezüglich Inhaltstoffen und Anwendungsgebieten gleich sind. Nur dann konnten wir die Bewertung übernehmen. Wenn Sie „Ihr“ Mittel vermissen, kann das folgende Gründe haben:

  • Es handelt sich um ein ergotaminhaltiges Präparat wie beispielsweise Avamigran®, Ergokapton®, Synkapton®. In Deutschland ist Mitte 2003 die behördliche Zulassung für nahezu alle Arzneimittel mit Ergotaminen zur Migränebehandlung erloschen.
  • Ihr Präparat enthält den Wirkstoff Flunarizin (Amalium®, Sibelium®). Diese Mittel werden vorbeugend eingesetzt. Bei unseren deutschen Nachbarn erhielten sie erst vor kurzem die Zulassung für diesen Einsatzbereich.
  • Das Arzneimittel enthält ein Triptan, für das es noch keine Langzeiterfahrung gibt. Das betrifft Almogran®, Relpax® und Eumitan®.

Vier Stufen der Bewertung

Bei unseren Medikamententests gibt es vier Stufen der Bewertung, wobei sich die Aussage über die Eignung ausschließlich auf die angeführten Anwendungsgebiete bezieht.

Geeignet sind Mittel, deren therapeutische Wirksamkeit ausreichend nachgewiesen ist. Ihre Nutzen-Risiko-Abwägung fällt positiv aus, sie sind gut erprobt. Der therapeutische Nutzen dieser Mittel ist hoch, sie gehören zu den Standardtherapeutika. „Geeignet“ sind auch Kombinationsmittel, deren Wirkstoffe sich sinnvoll ergänzen.

Alle in unserer Tabelle angeführten Migränemittel haben diese Bewertung erhalten. Der Vollständigkeit halber finden Sie hier auch noch die anderen möglichen Einstufungen.

Auch geeignet sind Mittel, deren therapeutische Wirksamkeit ebenfalls nachgewiesen ist, die aber noch nicht so lange erprobt sind wie die als „geeignet“ bewerteten. In diese Kategorie fallen vor allem neue oder weniger gut untersuchte Wirkstoffe. 

Mit Einschränkung geeignet sind Mittel, die zwar therapeutisch wirksam sind, aber im Vergleich zu Standardtherapeutika ein höheres oder nicht gut einschätzbares Risiko bergen. Diese Bewertung gilt auch für Mittel, bei denen noch weitere Studien erforderlich sind, um ihre therapeutische Wirksamkeit ausreichend nachzuweisen.

Wenig geeignet sind Mittel, deren therapeutische Wirksamkeit nicht ausreichend belegt ist, die nicht ausreichend dosiert sind und deren therapeutische Wirksamkeit im Verhältnis zu den Risiken zu gering ist, sodass die wahrscheinlichen Risiken mehr Gewicht haben als der mögliche Nutzen. „Wenig geeignet“ sind darüber hinaus Mittel mit mehr als einem Wirkstoff, wenn sich die Wirkstoffe nicht sinnvoll ergänzen oder keinen oder keinen zusätzlichen therapeutischen Nutzen aufweisen.

Hilfreich: Stressabbau

Bei einer chronischen Krankheit wie Migräne greifen viele zu Alternativangeboten, um den Schmerz zu lindern. Erfolg versprechend ist alles, was hilft, mit Stress besser umzugehen: Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, Autogenes Training und regelmäßiges Ausdauertraining. Von den psychotherapeutischen Maßnahmen haben sich vor allem Hypnose und Verhaltenstraining bewährt. Akupunktur und Biofeedback können dazu beitragen, mit weniger Schmerzmitteln auszukommen.

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