In den Alltag einbauen
Wer sein Gehirn anstrengt, erzeugt neue neuronale Verbindungen. Das ist unbestritten. Nur schafft man das genauso, indem man eine Fremdsprache lernt. Oder ein Buch liest. Oder musiziert – alles Tätigkeiten, die zudem den Vorteil haben, dass sie sich in den Alltag integrieren lassen und weniger den Charakter eines Pflichtprogramms haben.
Ein Manko der expliziten Gedächtnisübungen liegt darin, dass sie einen streng linearen Ansatz verfolgen. Sie setzen beim Gehirn an. Und nur dort. Als würde das Hirn isoliert bestehen. Hier wirkt ein mechanistisches Welt- und Menschenbild aus dem 17. Jahrhundert fort, das längt überwunden sein sollte, denn das Hirn existiert ja nicht für sich allein, sondern es bildet mit dem Körper (und der Seele) eine Einheit. Heißt also: Das Gehirn lässt sich genauso trainieren, wenn wir an einer vermeintlich ganz anderen Stelle ansetzen – beispielsweise, indem wir soziale Kontakte pflegen.
Soziale Kontakte halten jung
Wer viel mit anderen Menschen zusammen ist, der ist wohl weniger gefährdet, Alzheimer zu bekommen, als jemand, der ein zurückgezogenes Leben führt. Das legen einige Studien nahe. Älteren Menschen kann demzufolge der Rat gegeben werden: Spielen Sie mit Ihren Enkeln, machen Sie mit anderen Leuten Ausflüge, pflegen Sie das Familienleben. Menschen, die sich sozial engagieren, leben sogar länger – das ist eine aufregende empirische Erkenntnis.
Vorsicht: "digitaler Demenz"
Nun geht der Trend allerdings gerade in die entgegengesetzte Richtung: Das Singledasein ist angesagt. Junge Menschen spielen lieber mit der Playstation, als mit anderen Menschen zu kommunizieren. Sie hocken vor dem Computer, statt unter die Leute zu gehen. Sie schreiben SMS, statt sich mit ihren Mitmenschen zu unterhalten, von Angesicht zu Angesicht. In den Augen von Prof. DDr. Manfred Spitzer, Leiter der Psychiatrischen Universitätsklinik in Ulm, eine gefährliche Entwicklung. Er warnt vor der „digitalen Demenz“.
Alzheimer ist eine Art Infarkt. Eine Folge ständiger Überforderung. Der Alzheimer-Kranke kann und will mit dem vorherrschenden Tempo nicht mehr Schritt halten – er klinkt sich gleichsam aus, zieht sich in seine eigene Welt zurück. So eine Erklärung. Aus dieser Sicht ist der beste Schutz gegen Demenz, dem Kopf zwischendurch immer wieder Ruhe zu gönnen, etwa öfter einen Mittagsschlaf zu halten. Das Handy auch einmal auszuschalten. Eine Auszeit von der steten Informationsflut zu nehmen. Wieder runterzukommen. Sich zu regenerieren.
Vitamine und Hormone
Taugen Lebensmittel quasi als Gesundheitsmittel? Dal-Bianco rät im Sinne der Alzheimer-Vorbeugung zum Verzehr von viel Obst und Gemüse; nicht jedoch zu einer vermehrten Einnahme von Vitamin E: „Die bisher vorliegenden Ergebnisse variieren zwar beträchtlich, aber bislang liegen keine überzeugenden Ergebnisse vor, die Vitamin E für die Alzheimer-Prävention qualifizieren. Darüber hinaus konnte in den letzten Jahren ein erhöhtes Risiko für Herzerkrankungen bei hoch dosierter Einnahme von Vitamin E aufgezeigt werden.“
Hormone können Demenzrisiko erhöhen
Einen Schwenk um 180 Grad gibt es nicht zuletzt in Sachen Hormonersatztherapie. In den 1990er-Jahren wurde sie Frauen noch empfohlen, heute nicht mehr. „Neuere Ergebnisse zeigen, dass die Östrogen-Ersatztherapie das Risiko für Demenzerkrankungen möglicherweise erhöht und zudem bei langzeitiger Anwendung auch andere negative Folgen haben kann (z.B. ein erhöhtes Brustkrebsrisiko)“, sagt Dal-Bianco.
Was heute gilt, kann schon morgen im Lichte neuer Erkenntnisse verworfen werden. Eine Unsicherheit, die nicht nur bei Alzheimer, sondern auf vielen Gebieten der Medizin besteht. Denn die Wissenschaft ist im ständigen Fluss.
Ein Patentrezept gibt es nicht
Vielleicht sind Sie, verehrte Leserin, verehrter Leser, nun etwas enttäuscht. Vielleicht haben Sie sich so etwas wie ein Zehn-Punkte-Programm erwartet, das sicheren Schutz vor Alzheimer garantiert. Kein Zweifel: Uns allen wäre damit geholfen. Allein, das gibt es nicht!
Prof. Dal-Bianco etwa ist der Ansicht, dass wir mit Präventionsstrategien Alzheimer nicht verhindern, jedoch deren klinische Symptomatik zeitlich hinausschieben können: „Statt zum Beispiel mit 75 tritt dann die klinische Alzheimer-Symptomatik erst mit 80 auf. Falls ich also mit 79 sterbe, werde ich Alzheimer nicht erleben, obwohl meine ,alzheimerischen‘ Hirnveränderungen existieren.“
Schon vor Jahren meinte Prof. DDr. Konrad Beyreuther, deutscher Molekularbiologe und Gründungsdirektor des Netzwerkes Alternsforschung: „Jeder bekommt Alzheimer – man muss nur alt genug werden!“ Möglicherweise hat er mehr recht, als uns lieb sein kann.