Ein Mensch mit Demenz ist im Krankenhaus: für beide Seiten eine große Herausforderung.
Multimorbidität
Ein Mensch mit Demenz kommt ins Krankenhaus. Nicht wegen seiner kognitiven Beeinträchtigung, denn gegen die ist auch das modernste Krankenhaus bis heute machtlos. Er kommt, weil er sich den Oberschenkelhalsknochen gebrochen hat; oder, weil er sich einer Krebstherapie unterziehen muss; oder, weil ihn schreckliche Rückenschmerzen plagen. Zu dem einen Leiden kommt das andere.
Ab etwa 60 wächst die Wahrscheinlichkeit, an Demenz zu erkranken. Gleichzeitig nimmt die Anfälligkeit für (weitere) Krankheiten zu. Fachleute sprechen von Multimorbidität, wenn zur gleichen Zeit mehrere Erkrankungen vorliegen.
Eine Art Schock
Ein Krankenhausaufenthalt bedeutet für jeden Menschen eine Zäsur, einen mehr oder weniger gravierenden Einschnitt in seinem Leben. Für den Menschen mit Demenz bedeutet er nicht selten eine Art Schock. Er wird aus seiner vertrauten Umgebung herausgerissen und findet sich in einer fremden Welt wieder. Alles ist neu für ihn, das Bett, das Zimmer, die Mitpatienten. Er kann sich nicht orientieren, er findet sich nicht zurecht. Wer, bitte schön, sind die vielen Menschen in den weißen Kitteln?
Das Spital stellt, um es milde zu formulieren, eine Herausforderung für den krankheitsbedingt verwirrten Patienten dar. Umgekehrt ist auch er eine Herausforderung für das Krankenhauspersonal. Er soll im Bett liegen bleiben, steht aber dauernd auf. Soll schlafen, wandert aber herum. Soll essen, schläft aber. Soll ruhig sein, doch er schreit.
Patientenrechte
Ein schwieriger Patient. Oder, so die offiziöse Sprachregelung: ein Patient mit „stark herausforderndem Verhalten“. Wie mit ihm umgehen? Am Bett festbinden? Mit Tabletten ruhigstellen? Beides Maßnahmen, die bis zum sogenannten Lainz-Skandal im Jahr 2003 hierzulande wohl in mehreren Häusern gang und gäbe waren, es heute aber – hoffentlich – nicht mehr sind. Mittlerweile müssen diese freiheitsbeschränkenden Maßnahmen bewilligt werden. Das werden sie nur in (gut begründeten) Ausnahmefällen – und auch dann nur unter speziellen Auflagen (näheres dazu finden Sie unterPatientenrecht: niedergespritzt und im Gitterbett - Wo die Freiheit endet).
Gewalt ist keine Lösung. Der Mensch mit Demenz braucht nichts so dringend wie Halt. Halt in Form von Zuwendung, Empathie, Stütze. Bekommt er die nicht, reagiert er instinkthaft, mit Aggression oder Flucht.