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Alzheimer - Wenn die Wörter fehlen

Wer an Alzheimer erkrankt, verliert nach und nach seine kognitiven Fähigkeiten und auch sein Sprachvermögen.

Das Wort liegt einem auf der Zunge. Man weiß auch, dass es mit „R“ beginnt. Aber verdammt, es will einem partout nicht einfallen. Dieses Wort ist nicht vergessen – man erinnert sich ja daran –, es fehlt nur der Zugriff zu dem Ort, wo es abgespeichert ist. Je mehr wir uns nun anstrengen, diesen Zugriff wieder zu aktivieren, desto mehr steigt nur unsere Frustration. Dann, am nächsten Morgen, wenn wir den inneren Kampf vom Vortag längst vergessen haben, kann uns das gesuchte Wort plötzlich wieder einfallen. Jetzt ist die Verbindung wieder hergestellt.

Schwierigkeiten mit der Sprache

Wortfindungsschwierigkeiten dieser Art dürften jedem vertraut sein. Sie sind ganz normal und haben keinen Krankheitswert. Einerseits. Andererseits ist Sprachstörung ein typisches Kennzeichen der Alzheimererkrankung. „Schon im Frühstadium verarmt der Sprachinhalt. Die Sätze werden kürzer und die Grammatik fehlerhaft. Während die motorische Sprachfähigkeit, das heißt die spontane Sprachäußerungen ganzer Sätze mit korrekter Betonung und Grammatik, und die Fähigkeit des Nachsprechens bis in fortgeschrittene Demenzstadien erhalten bleiben, sind vor allem Sprachsinnverständnis und Wortwahl gestört“, sagt Alzheimer-Experte und Koautor des neuen KONSUMENT-Buches „“ Univ.Prof. Dr. Peter Dal-Bianco.

Verwechslungen und Umschreibungen

Verwechslungen und Umschreibungen

Der Betroffene stockt plötzlich in seiner Rede, weil ihm ein Wort fehlt. In diesem Fall behilft er sich gerne mit Umschreibungen. Die Milch wird dann zum „weißen Getränk, das im Kühlschrank steht“. Typisch ist auch die Verwechslung von inhaltlich ähnlichen Begriffen. Der Mensch mit Demenz spricht vom „Fahrstuhl“, meint aber den „Rollstuhl“. Gleiches geschieht mit ähnlich klingenden Begriffen – die „Urenkel“ mutieren zu „Urlaubskindern“.

Die Sprachwissenschaftlerin und Kommunikationstrainerin Dr. Svenja Sachweh schreibt dazu in einem Beitrag für die Zeitschrift „demenz Das Magazin“ (20/2014): „Stellen Sie sich eine Besteckschublade in Ihrer Küche vor. Darin liegen Gabel und Messer neben den Esslöffeln und die Teelöffel und Kuchengabeln vielleicht unterhalb der großen Löffel. Greift man hastig und gedanklich abwesend in die Richtung, in der sich normalerweise die Gabeln befinden, so zieht man eventuell wider Erwarten doch ein Messer oder einen Schaschlikspieß heraus. Das, was man in der Hand hält, ist zwar ein zum Essen benötigtes Etwas, aber eben nicht das, was man eigentlich braucht. So ähnlich geht es auch Menschen mit Demenz: Sie greifen bei der Wortwahl immer wieder daneben, sie verwechseln sozusagen die sprichwörtlichen Äpfel und Birnen, landen dabei aber ihre Treffer wenigstens zu Beginn der Krankheit im konzeptionellen Umfeld des eigentlich gesuchten Begriffs.“

Sprachspiele und kreative Neuschöpfungen

Mitunter kommt es dabei zu Sprachspielen und kreativen Neuschöpfungen, an denen Künstler ihre helle Freude haben. Sie erkennen eine Nähe zur surrealistischen Kunst. Für die Betroffenen selbst hält sich die Freude indes in Grenzen. Sie möchten sich mitteilen, merken aber, dass ihnen dazu das Vokabular fehlt. Und manche werden schnell unruhig, mitunter aggressiv, wenn sie sehen, dass sie vom Gegenüber nicht verstanden werden.

Das Problem, sein Anliegen nicht verständlich mitteilen zu können, verstärkt sich mit Fortschreiten der Krankheit. Der Betroffene fängt einen Satz an und hört mittendrin auf, weiterzusprechen. Oder er wechselt übergangslos zu einem ganz anderen Thema. Und was für die Umwelt oft am belastendsten ist: Er wiederholt sich häufig. Was er vor fünf Minuten erzählt hat, erzählt er nun noch einmal.

Babysprache

Babysprache

Manche Menschen mit Demenz wechseln in die Babysprache, andere nicht – jeder Fall ist individuell. Für die Menschen im Umfeld heißt das, sich jeweils entsprechend auf ihr Gegenüber einzustellen. Im ersten Fall kann es richtig sein, auch die Babysprache zu gebrauchen, im zweiten würde das einer Beleidigung nahekommen. „Mit einem Professor von der Uni spreche ich auch anders als mit dem Steiger aus dem Ruhrpott. Das ist aber keine Anbiederung und ist nicht künstlich, ich stelle mich da auf den jeweiligen Menschen ein. Und das muss ich genauso bei jemandem machen, der eine Demenz hat“, sagt Dr. Sachweh.

Nicht nur, dass sich der Mensch mit Demenz schwertut, seine Anliegen in Worte zu fassen, er hat auch zunehmend Schwierigkeiten, an Gesprächen mit mehreren Menschen teilzunehmen. Es strengt ihn an, die einzelnen Stimmen auseinanderzuhalten und der Unterhaltung zu folgen. Zusätzlich stören ihn die Hintergrundgeräusche. In dieser Hinsicht zeigt der Mensch mit Demenz die gleichen Schwierigkeiten wie ein schwerhöriger Mensch.

Gespräche zunehmend anstrengender

Den Äußerungen des Gesprächspartners zu folgen, verlangt vom Menschen mit Demenz große Konzentration. Daher senkt er oft seinen Blick und schaut dem Anderen nicht in die Augen. Das darf nicht als Unhöflichkeit gedeutet werden, schon gar nicht als Desinteresse. Auf diese Weise versucht er nur, die auf ihn einströmenden Informationen zu filtern.

„Der schwerst demente Patient ist oft sprachlos, mutistisch, wobei trotzdem immer wieder überraschend Sprachäußerungen gemacht werden, zum Beispiel: ,ich bin blöd‘ oder ,ich will nach Hause‘“, sagt Dal-Bianco. Mutistisch bedeutet stumm – eine Kommunikationsstörung, bei der keine Defekte der Sprechorgane vorliegen.

Gesten und Mimik

Gesten und Mimik

Wenn die verbale Kommunikation an ihre Grenzen stößt, bleibt immer noch die nonverbale. Über Gesten und Mimik, die freilich mitunter einen größeren Interpretationsspielraum bedingen. Und da liegt ein weiteres Problem. Ein Mensch mit Demenz möchte mit seiner Unruhe vielleicht zum Ausdruck bringen, dass er große Schmerzen hat. Doch die Angehörigen deuten dieses Verhalten womöglich als Zeichen seiner Agitiertheit und tun dann mit dem Griff zur Beruhigungstablette nicht das Richtige. Hier gilt es, achtsam zu sein.

Emotionale Ebene bleibt intakt

Was Betroffene selbst im fortgeschrittenen Krankheitsstadium recht problemlos abrufen können, sind Liedtexte, Sprichwörter und Gedichte – das, was sie in frühen Jahren einmal (auswendig) gelernt und sozusagen verinnerlicht haben. Und was außerdem bis zuletzt intakt bleibt, ist die emotionale Ebene. Wenn der Austausch über Worte nachlässt, kann er nach wie vor über Berührungen erfolgen.

Tipps für Gespräche mit Demenzkranken

  • Verwenden Sie kurze, einfache Sätze.
  • Machen Sie immer wieder Pausen zwischen einzelnen Äußerungen.
  • Verzichten Sie zugunsten von eindeutigen Substantiven (Mann, Frau) auf Pronomen (er, sie).
  • Vermeiden Sie nach Möglichkeit metaphorische, bildliche Ausdrücke, die eventuell falsch interpretiert werden könnten.
  • Haben Sie keine Scheu, im Dialekt zu sprechen, wenn er dem Betroffenen näherliegt als die Hochsprache.
  • Ja/Nein-Fragen („Möchtest du einen Kaffee?“) sind gerade in späteren Krankheitsphasen offenen Fragen („Was möchtest du trinken?“) vorzuziehen.
  • Wählen Sie möglichst Gesprächsthemen, auf die der Betroffene mit Freude, Stolz und Interesse reagiert – wozu selbstverständlich biografisches Wissen notwendig ist.

Buchtipp: "Alzheimer"

Jede Zeit hat ihre Krankheit. Heute ist das sicherlich Alzheimer - das schleichende Vergessen. Vor keiner Erkrankung haben die Menschen mehr Angst. Wir klären über diese und andere Formen von Demenz auf. Wir liefern Hintergründe und Tipps, lassen Experten und Betroffene zu Wort kommen und erinnern daran, dass auch ein Mensch mit Alzheimer durchaus glücklich sein kann.

www.konsument.at/alzheimer

Aus dem Inhalt

  • Verlauf einer Alzheimererkrankung 
  • Therapiemöglichkeiten 
  • Betreuung und Pflege 
  • Rechte der Betroffenen 
  • Hilfe und finanzielle Unterstützung

Zweite, überarbeitete Auflage 2017;  240 Seiten, 19,60 € + Versand

 KONSUMENT-Buch: Alzheimer 

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