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Kinderschuhe - Was kleine Füße brauchen

  • Zwei von drei Kleinkindern tragen zu kurze Schuhe
  • Kinderschuhe sind meist falsch gekennzeichnet
  • Schlechtes Schuhwerk kann für das ganze Leben krank machen

Viel zu kurz

Kinder tragen viel zu kurze Schuhe, das hat das Forschungsprojekt „Kinderfüße – Kinderschuhe“ ergeben, an dem vier Institute der Wiener Medizinischen Fakultät [Institut für Umwelthygiene (Prof. Groll-Knapp), Anatomie (Prof. Firbas), Orthopädie (Prof. Sluga), Histologie (Prof. Hauser)] mitgearbeitet haben.

Es wurde an Kindergärten in vier Bundesländern durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Studie sind so alarmierend, dass eine entsprechende Information Ende 2003 in das Begleitheft des Mutter-Kind-Passes aufgenommen wurde: 69 Prozent der Kinderfüße stecken in zu kurzen Straßenschuhen, neun von zehn Kindern tragen zu kleine Hausschuhe. Vier von zehn Paar Hausschuhen sind sogar kürzer als die Kinderfüße! Bei 42 Prozent der untersuchten Kindergartenkinder zeigt sich bereits eine deutliche Veränderung der Zehenstellung.

Kinderfüße melden wenig Schmerz

Wie ist es möglich, dass Kinder ohne Klagen Schuhe tragen, die nicht passen? Kinderfüße sind wie Gummi, und weil sich das Nervensystem und damit die spezielle Empfindlichkeit erst ausprägen muss, können Kinder nicht genau spüren, ob ein Schuh drückt oder zu kurz ist. Gelegentlich vertauschen sie sogar den linken und den rechten Schuh und hüpfen darin vergnügt herum.

Gesunde Entwicklung fördern

Die Füße von Säuglingen sind weich und biegsam, sie haben knorpelige Strukturen, die erst nach und nach verknöchern. Es dauert ungefähr 16 Jahre, bis die Entwicklung der Knochen, Bänder und Muskeln abgeschlossen ist und der Fuß seine endgültige Festigkeit hat. Der Fuß des Babys hat auch selten ein von außen sichtbares Fußgewölbe, es bildet sich erst langsam aus – das kann zwischen dem sechsten und zehnten Lebensjahr abgeschlossen sein.

Für die gesunde Entwicklung brauchen die kleinen Füße möglichst abwechslungsreiche Bewegung. Deshalb sollte das Kind während der Sommermonate möglichst oft in der freien Natur barfuß gehen. Dabei muss sich der Fuß permanent an die Unebenheiten von Wiese und Strand, Erde und Waldboden anpassen. Dadurch werden Sehnen und Muskeln trainiert, Feinmotorik, Kraft und Geschicklichkeit gefördert.

Spielerisch trainieren

Auf dem harten Boden im Zimmer bringt das Barfußgehen keinen Vorteil, aber das Kind kann spielerisch trainieren: auf einem Seil balancieren, über Bücherstapel hopsen, mit den Zehen Tücher aufheben, Stäbe rollen, Murmeln aufsammeln, auf den Zehenspitzen oder den Fersen gehen. „Das Kleinkind sollte aber nicht überfordert werden, seine Konzentration hält kaum länger als zehn Minuten an“, meint Univ.-Prof. Dr. Franz Grill vom Orthopädischen Krankenhaus Speising, Präsident der Europäischen orthopädisch-pädiatrischen Gesellschaft EPOS.

„Fußprobleme sind bei kleinen Kindern sehr selten. Bis zum dritten Lebensjahr sollten Eltern trotzdem Füße und Gang des Kindes regelmäßig beobachten und vom Kinderarzt kontrollieren lassen, um Fehlentwicklungen schon frühzeitig zu erkennen. Sind die Kinder einmal acht oder neun Jahre, kommen die Eltern leider nicht mehr zur ärztlichen Kontrolle,“ bedauert Professor Grill.

Die richtige Größe finden

Eltern und Großeltern können es oft nicht erwarten, bis das Kleine die ersten Schritte macht. Deshalb werden Schuhe häufig zu früh angeschafft: Erst wenn das Kind außer Haus die ersten Schritte macht, sind Kinderschuhe nötig; sie sollten vor Kälte, Nässe und Verletzung schützen. Wenn das Kind selbstständig zu gehen beginnt – mit etwa 12 Monaten – beträgt die mittlere Fußlänge etwa 11 Zentimeter, das entspricht etwa der Schuhgröße 19. Jährlich wachsen die Kinderfüße um zwei bis drei Schuhgrößen, so hat das Kind fünf Jahre später bereits Größe 32.

Mindestens 12 mm länger

Kinderschuhe sollten in jedem Alter mindestens 12 Millimeter länger sein als der Fuß: Beim Abrollen brauchen die Zehen diesen Platz. Im Schuhgeschäft wird der Kinderfuß manchmal mit einem WMS-Fußmessgerät gemessen. WMS bedeutet „weit, mittel und schmal“ und vermittelt den Eindruck, ein normiertes Gütezeichen sowohl für Fußlänge und -breite als auch für Zehenraumhöhe und Proportionen des Kinderschuhs zu sein.

Sieben Größen kürzer als angegeben

Aber WMS Kinderschuhe werden bislang nicht nachvollziehbar überprüft. Möglicherweise halten sich Schuhhersteller deshalb selten daran: Laut Studie haben nur 3 Prozent(!) der Kinderschuhe die korrekte Innenlänge. 97 Prozent waren zu kurz, und zwar um eine bis zwei, manche sogar um drei bis vier Nummern! Wo Größe 27 draufsteht, ist üblicherweise nur Größe 26 oder 25 drinnen. Bei Hausschuhen war laut Studie der Spitzenwert sogar 7 Größen kürzer!

„Vielen Eltern ist bewusst, dass die richtige Passform wichtig ist, aber sie wenden die vorhandenen Methoden nicht richtig an“, berichtet Mag. Wieland Kinz, Sportwissenschafter und Mitarbeiter der Studie. Gewöhnlich lässt man das Kind in die neuen Schuhe schlüpfen und aufstehen. Nun probiert man aus, ob zwischen der längsten Zehe und der Schuhspitze noch eine Daumenbreite Platz hat. Leider ziehen Kinder, wenn sie Druck spüren, reflexartig die Zehen ein. Legt man jedoch die Finger der anderen Hand auf den Schuh, so spürt man, ob die Zehen angezogen sind.

Machen Sie eine Schablone

Die richtige Schuhlänge lässt sich mit einer Schablone bestimmen. Dazu stellt man das Kind breitbeinig und barfuß auf einen Karton und zeichnet die Umrisse jedes Fußes nach. Da bei 80 Prozent der Kinder die beiden Füße ungleich lang sind, braucht man für jeden eine extra Schablone. Nun fügt man dem längsten Punkt – das muss nicht immer die große Zehe sein – noch 12 Millimeter hinzu und zeichnet die Schablone entsprechend länger. Etwas schmäler ausschneiden – fertig! Als Maß gilt die Schablo-ne des längeren Fußes. Lässt sie sich leicht in die Schuhe einlegen, passen diese optimal.

Drei Zentimeter oben bringen 5 Milimeter unten

Hat der Kinderschuh eine herausnehmbare Einlagesohle, kann man diese entnehmen und mit Filzstift die Zehenlänge markieren: Der Spielraum für die Zehen entspricht der Restlänge der Einlage. Sie sollte jedenfalls 12 Millimeter betragen. Anhand der Markierung kann man jederzeit das Wachstum der Kinderfüße und den Zeitpunkt erkennen, wann neue Schuhe nötig sind. Die Studie zeigt: Pro 3 Zentimeter Körperwachstum werden die Kinderfüße um 5 Millimeter länger.

Zu kleine Schuhe können krank machen

Wenn Kinderfüße immer – über mehrere Entwicklungsphasen hinweg – in zu kleinen Schuhen stecken und der nötige Ausgleich, das Barfußgehen, fehlt, kann das fatale Folgen haben. Durch zu kurze und zu enge Schuhe verändert sich die Zehenstellung, in der Folge können schmerzhafte Gelenksentzündungen und -veränderungen, wie etwa ein Hallux valgus mit schief stehender Großzehe, entstehen. Auch die natürliche Zugrichtung der Muskulatur ändert sich, die Muskeln können sich entzünden und verkürzen, die Sehnen schmerzen. Durchblutungsstörungen werden begünstigt, Kälte- und Taubheitsgefühl sowie Krampfadern können sich ausbilden. Schließlich wirkt sich die Veränderung auf die gesamte Statik aus, sie kann Knie-, Hüftgelenks- und Rückenbeschwerden auslösen.

Der gute Kinderschuh

Es ist nicht so wichtig, ob Kinderschuhe süß aussehen. Ein guter Kinderschuh muss biegsam und zugleich stabil sein, robust und wasserabweisend. Wichtig ist, dass die Zehen nicht aus ihrer natürlichen Lage abgedrängt oder eingeengt werden. Während der Vorderfußbereich flexibel gestaltet sein sollte, braucht der Fersenbereich einen guten Sitz. Die Sohle muss biegsam und rutschsicher, der Schaft angenehm weich sein und festen Halt bieten. Die Materialien des Schaftes und der Sohle sollten so beschaffen sein, dass der Kinderfuß nicht schwitzt und Feuchtigkeit nach außen abgegeben wird.

Kinderfüße brauchen kein Fußbett

Das beste Obermaterial ist hochwertiges Leder oder atmungsaktives Gewebe. Hartes Lackleder oder Gummistiefel sind weniger gut geeignet, sie sollten höchstens kurz getragen werden. Die Schuhsohle sollte weder aus Leder noch aus hartem, sondern aus weichem Kunststoff bestehen. Gesunde Kinderfüße brauchen kein Fußbett! Polster oder Stützen sind unnötig – Kinderfüße bewegen sich am besten ungelenkt: Je einfacher die Einlegesohle, desto besser.

Kinderschuhe sind teuer

Knapp 50 Prozent der Eltern geben den Kindern getragene Schuhe. „Das ist sinnvoll, solange die Schuhsohle im Absatzbereich nicht abgetragen ist und die Schuhe tatsächlich passen. Kinderschuhe sind teuer – sie kosten 30 bis 70 Euro und mehr“, meint Mag. Kinz. „Leider nehmen Handel und Industrie keine Rücksicht auf die Bedürfnisse der Eltern. Sie haben es bisher verabsäumt, einen Second-Hand-Pool zu organisieren, wo Eltern mit geringen Einkommen gute, kontrollierte Kinderschuhe beziehen könnten.“ So weichen Eltern mit kleiner Geldbörse in Billigläden aus – oder schieben den Schuhkauf hinaus.

Sportschuhe sind gut

Auf Jugendliche haben Modetrends mehr Einfluss als die Eltern, sie wählen ihr Schuhwerk selbst aus: Heranwachsende lieben Sportschuhe. Das ist für die Fußgesundheit auch gut – solange die Schuhe passen. In der Entwicklung steckt viel Forschung, aber die am Markt erhältlichen Sportschuhe sind an Erwachsenenfüßen ausgerichtet. Zwar haben Jugendliche oft erstaunlich große Füße, doch solange sie sich im Wachstum befinden, gelten andere Anforderungen hinsichtlich der Beweglichkeit und Festigkeit des Sportschuhs. „Eine gezielte Forschung speziell für den Kindersportschuh aber fehlt bislang“, kritisiert Mag. Kinz. Überdies nimmt der coole Stil, die Schuhbänder nicht zuzuschnüren und die Bänder seitlich einzustecken, dem Fuß den Halt – und die Zehen stoßen bei jedem Schritt an.

Mamas Stöckelschuhe nicht auf Dauer

Teenager wollen erwachsen wirken, deshalb probieren Mädchen gerne Mutters Stöckelschuhe und setzen bei den Eltern nicht selten den Wunsch nach eigenen Stöckelschuhen durch. „Es ist kein Malheur, wenn sie die nur hie und da kurzzeitig ausführen“, meint dazu Univ.-Prof. Elisabeth Groll-Knapp vom Institut für Umwelthygiene, das am Kinderschuh-Projekt mitbeteiligt war, „aber Stöckelschuhe sollten nicht auf Dauer im Alltag getragen werden. Sie verändern nicht nur den Fuß in seiner Form, sondern beeinflussen alle Gelenke, verändern die Stellung der Beine, des Beckens und der gesamten Wirbelsäule. Überdies wird die Durchblutung des Fußes beeinträchtigt.“ 98 Prozent der Kinder kommen mit gesunden Füßen zur Welt, aber nur vier von zehn Erwachsenen stehen auf gesundem Fuß.

Wann zum Arzt?

  • Wenn das Kind auffallend spät gehen lernt
  • Wenn es hinkt oder Schmerzen hat
  • Bei häufigem Stolpern über die eigenen Füße
  • Wenn das Kind stark einwärts geht
  • Wenn es überwiegend auf den Zehenspitzen läuft
  • Bei starker Schrägstellung der Ferse

Tipps für den Schuhkauf

  • Schuhe erst nachmittags einkaufen, die Füße werden im Lauf des Tages größer und breiter.
  • Nicht zu enge Socken mit faltenlosem Sitz mitnehmen.
  • Größenkontrolle mit Kartonschablonen durchführen.
  • Bis zum 6. Lebensjahr alle vier Monate kontrollieren, ob die Schuhe noch passen, danach möglichst zweimal jährlich.

Mehr zum Thema

Zum Nachlesen: Wieland Kinz: Kinderfüße – Kinderschuhe . Alles Wissenswerte rund um kleine Füße und Schuhe. Salzburg 2000, zu bestellen im Buchhandel: ISBN 3-00-005879-6, Infos auch im Internet: www.kinderfuesse.com .

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