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Euro 2016: Fußball-Trikots aus Kambodscha - Kein Leiberl

Fußballtrikots werden häufig in Niedriglohnländern unter beschämenden Arbeitsbedingungen gefertigt (siehe Bildergalerie). Zumindest von Adidas weiß man: Die offiziellen Trikots dreier Länder kommen aus Kambodscha.

Euro 2016 – die Fußballeuropameisterschaft – wird mehrere Wochen das öffentliche Interesse in Beschlag nehmen. Milliardenbeträge werden für diesen Event der Superlative bewegt, doch wer profitiert davon? In krassem Gegensatz zum Reichtum einiger weniger steht die Existenz der Arbeiter und Arbeiterinnen, die die schicken Dressen der Fußballer produzieren.

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Miserable Arbeitsbedingungen

Eigentlich paradox: Die Markenkonzerne bemühen sich seit Jahren mit großem Aufwand, ihre Verantwortung gegenüber Mensch und Umwelt unter Beweis zu stellen. Dennoch werden wir immer wieder mit Berichten konfrontiert, wie miserabel die Arbeitsbedingungen und Belastungen der Umwelt in vielen Ländern sind. Das zeigt einmal mehr ein Bericht des dänischen Forschungszentrums Danwatch, das im Jänner 2016 die (Sport-)Bekleidungsindustrie in Kambodscha vor Ort untersucht hat.

Kambodschas Bekleidungssektor boomt

Kambodscha gehört heute zu den Ländern mit den höchsten Wachstumsraten in der Bekleidungsindustrie - neben Bangladesch, Vietnam oder Indien. Hintergrund ist der Wandel in China, jenes Land, das in den letzten Jahren einen Marktanteil von weit über 50 Prozent innegehabt hat. Dort sind die Löhne deutlich angestiegen und das Arbeitskräftereservoir geht zurück. Außerdem möchte das Regime die Wirtschaft umstellen – weniger Produktion für den Export mehr für das eigene Land. Die Bedeutung Chinas wird also zurückgehen. Die westlichen Konzerne möchten die einseitige Abhängigkeit von China und die Produktionskosten (noch weiter) reduzieren. In der kambodschanischen Bekleidungsindustrie beträgt nach einer Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) aus dem Jahr 2014 der monatliche Mindestlohn umgerechnet 123 Euro, in China dagegen 700 Euro.

Vorwiegend junge Frauen

Die 600.000 Arbeitskräfte in Kambodschas Bekleidungssektor leiden unter denkbar schlechten Bedingungen. Schätzungsweise 86 Prozent sind Frauen, die meisten zwischen 18 und 26 Jahre alt. Diskriminierung und Schikanen sind an der Tagesordnung. Schwangeren wird der Arbeitsvertrag nicht verlängert, so dass viele Frauen versuchen, ihre Schwangerschaft so lange wie möglich zu verbergen. Nicht selten werden dann die Produktionsziele erhöht, was dazu führt, dass keine Ruhepausen mehr möglich sind, um Toiletten aufzusuchen oder Wasser zu trinken.

Erzwungene Überstunden

Erzwungene Überstunden übersteigen häufig das gesetzliche Limit von 12 Stunden pro Woche. Eine Arbeitszeit von 7 Uhr früh bis 6 Uhr abends, von Montag bis Samstag, ist nicht unüblich. Versprochene Prämien werden nicht ausgezahlt, indem die Quoten einfach erhöht werden, sobald ein gesetztes Produktionsziel erreicht wurde. Wer sich dagegen auflehnt, muss fürchten, entlassen zu werden.

Österreich spielt mit Puma

Kurzzeitverträge als Druckmittel

Dass sich so wenige Arbeiterinnen und Arbeiter gegen Schikanen zu Wehr setzen, liegt an den befristeten Arbeitsverträgen, die in Kambodscha gang und gäbe sind. Sie werden alle zwei, drei Jahre verlängert. Und das über Jahre hinweg, obwohl ein Gesetz untersagt, Beschäftigte für mehr als zwei Jahre in Kurzzeitverträgen zu engagieren. Auf diese Weise werden Arbeitskräfte gefügig gemacht, sie wagen es oft nicht, in Krankenstand zu gehen. Die brutalen Arbeitsbedingungen – hoher Arbeitsdruck, hohe Temperaturen, Unterernährung bedingt durch die niedrigen Löhne, Missbrauch durch Aufseher – führen nicht selten zu Krankheit und Tod. Im Jahr 2015 wurden über 1800 Personen während der Arbeit bewusstlos – Ursache: Erschöpfung.

Adidas, Puma & Co.

Zahlreiche Konzerne lassen ihre Sportbekleidung in Kambodscha fertigen oder haben dies jahrelang praktiziert, darunter die Markenproduzenten Adidas, Puma und Nike sowie die Handelsriesen Intersport, Decathlon und Footlocker. Zumindest von Adidas ist bekannt, dass die offiziellen Trikots für die Euro 2016 der Teilnehmerländer Deutschland, Belgien und Spanien in Kambodscha hergestellt wurden.

[Asset Included (Id:318897259738;Type:Bild)] Die Trikots der belgischen Nationalmannschaft
[Asset Included (Id:318897259493;Type:Bild)] Die Spanier
[Asset Included (Id:318897259441;Type:Bild)] Die Deutschen

Österreich spielt mit Puma

Österreich hat Glück gehabt: Der offizielle Ausrüster des heimischen Fußballteams ist Konkurrent Puma, dessen Lieferantenliste umfasst Werke in Vietnam, China, Türkei, Indien, Indonesien, Georgien und Deutschland; zumindest in letzterem Land darf man von vergleichsweise humanen Arbeitsbedingungen ausgehen …
 

Bildergalerie: So leben die Textilarbeiterinnen

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Than Mak macht regelmäßig Überstunden, um ihre Kinder ernähren zu können (Foto: ICRT)
Bild 1: Than Mak macht regelmäßig Überstunden, um ihre Kinder ernähren zu können; zweimal ist sie schon am Arbeitsplatz zusammengebrochen. Sie lebt mit ihren Kindern in einem Elendsquartier unter desolaten hygienischen Bedingungen (alle Fotos: ICRT) |
Kambodschanische Textilarbeiterinnen auf dem Weg zur Arbeit (Foto: ICRT)
Bild 2: Kambodschanische Textilarbeiterinnen auf dem Weg zur Arbeit – zusammengepfercht auf Kleinlastwagen. |
Die unmittelbare Umgebung der Textilfabrik ist mit Müll übersät (Foto: ICRT)
Bild 3: Die unmittelbare Umgebung der Textilfabrik ist mit Müll übersät |
Sauber aber ärmlich: Mehrere Arbeiterinnen teilen sich einen Raum (Foto: ICRT)
Bild 4: Sauber aber ärmlich: Mehrere Arbeiterinnen teilen sich einen Raum, in dem sie kochen, wohnen und schlafen. |
Die wenigen Habseligkeiten der Arbeiterinnen hängen an der Wand (Foto: ICRT)
Bild 5: Die wenigen Habseligkeiten der Arbeiterinnen hängen an der Wand |
Than Mak macht regelmäßig Überstunden, um ihre Kinder ernähren zu können (Foto: ICRT)
Kambodschanische Textilarbeiterinnen auf dem Weg zur Arbeit (Foto: ICRT)
Die unmittelbare Umgebung der Textilfabrik ist mit Müll übersät (Foto: ICRT)
Sauber aber ärmlich: Mehrere Arbeiterinnen teilen sich einen Raum (Foto: ICRT)
Die wenigen Habseligkeiten der Arbeiterinnen hängen an der Wand (Foto: ICRT)

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