Wie kaufe ich eine Elektrogitarre
Eine Hilfe für Väter (oder Mütter), die ihrem Sprössling im rockigen Alter
den Wunsch nach einer E-Gitarre erfüllen möchten
Beziehung aufbauen
Bei einer Elektrogitarre handelt es sich um ein Musikinstrument und nicht nur
um ein maschinell geformtes, mit massenhaft Elektronik versehenes Stück Holz.
Denn der, der darauf spielen will, sollte dazu – wie jeder Musiker zu seinem
Instrument – eine Beziehung aufbauen. Wer die Gitarristen-Szene kennt, der weiß,
wie sehr sie „ihr“ Instrument schätzen und wegen des besonderen Klanges oder der
besonders geeigneten Form fast schon lieben. Selten trennt sich der Gitarrist
von seinen Lieblingsinstrumenten – meist hängen davon ganze Sammlungen in deren
Wohnungen.
Welchen Verstärker
Auch nicht „irgendein“ Verstärker ist gefragt, sondern ganz bestimmte Typen
mit eigenwilligem Sound – der eine Gitarrist bevorzugt den warmen Ton eines
Röhrenverstärkers, andere wieder wollen den klaren Vintage Sound. Keine Chance
für 08/15 Typen – die Vorlieben der Musiker sind auch bei der Wahl von Gitarre
und Verstärker sehr ausgeprägt.
Können Sie sich vorstellen, dass Carlos Santana auf einer lieblos
hergestellten Massenproduktionsware seine beliebten Solos einspielt? Wie würde
das wohl klingen – fade, lasch (obwohl wahrscheinlich gerade C.S. auch so einer
Gitarre mehr entlocken könnte als die Meisten, die bessere Gitarren in Händen
haben) und ohne ausgeprägten Charakter.
Mängel verderben die Freude
Doch gerade diese Sounds sind es, die die Jugend wieder zur Gitarre greifen
lassen – auch sie wollen die Gitarre so virtuos spielen können um bewundert zu
werden. Der Ansporn und Ehrgeiz verfliegt aber bald, wenn das Instrument
technische Mängel aufweist, die bei einem hochwertigeren Produkt eher nicht
vorkommen. „Da kann man ja nicht so gut spielen – das Instrument lässt das nicht
zu“ ist dann die willkommene Ausrede für Übungsfaulenzer.
Weg von der absoluten Billigware
Also weg von der absoluten Billigware, hin zu hochwertigeren Geräten.
(Außerdem haben diese – sollte es mit der Begeisterung doch nicht lange klappen
– einen etwas höheren Wiederverkaufswert als Billigware, die dann an lieblos
angeräumte Secondhand-Läden um 20 bis 50 Euro abgegeben werden müssen, damit man
wenigstens einen mageren Erlös heimträgt).
Wie erkennt man Qualität?
Zuerst einmal durch eingehende Begutachtung: Nimmt man das Instrument in die
Hand, so darf es keine scharfkantigen Teile und Grate geben – das zeigt schon
einmal eine schlechte Verarbeitung. Auf dem Instrument vorhandenes notwendiges
Metall sollte – dort, wo man mit den Händen hinkommt – entgratet, verrundet
sein. Die Stimm-Mechanik an der Kopfplatte der Gitarre soll leichtgängig sein
und wenn möglich Markenware (Schaller-Mechaniken etc.). No-Name-Mechaniken
können dazu neigen, sich unter dem Saitenzug zu verreiben und damit wird die
Gitarre nur unter großer Mühe und Kraftaufwand stimmbar bis schließlich gar
nichts mehr geht und Sie neue Mechaniken einsetzen müssen – bitte, warum nicht
gleich auf ordentliche achten?
Gerader Hals
Der Hals selbst sollte nahezu eben und gerade sein (man sieht das,
wenn man die Gitarre anhebt und in einer Ebene den Hals
entlangsieht). Eine leichte, aber wirklich nur leichte Durchkrümmung ist notwendig, damit
die Saiten frei schwingen können. Ist das nicht der Fall, so
ist der Hals für ein sauberes, reines Spiel kaum brauchbar. Die Saitenlage (Abstand
der Saiten vom Hals beim 12. Bund und darüber) sollte möglichst gering sein.
Gerade so, dass die Saiten beim Niederdrücken (Greifen) der Bünde noch frei
schwingen und nicht an den nächsten Bünden schnarren.
Alles über 3 mm Abstand der Saiten vom Hals ist für Elektrogitarren schon zu
viel, weil durch die hohe Spannung der Saiten diese beim Niederdrücken erstens
zu viel Fingerkraft benötigen und außerdem die Flüssigkeit des Spielens und
damit die Geläufigkeit hindern. Weiters wird durch Niederdrücken von zu hoch
eingestellten Saiten die Stimmung verfälscht, die Bünde klingen „höher“ als sie
eigentlich sein sollten – Fazit: Die Gitarre ist nicht in allen Lagen sauber
spielbar. Das gilt auch für die im Hals eingelassenen Metallstäbe („Bünde“) –
diese dürfen nicht zu hoch über das Griffbrett stehen, sonst gelingt es dem
Spieler nicht, mit geringem Kraftaufwand die Saite bis zum Griffbrett
durchzudrücken und zu halten. Damit wird das Spielen extrem mühsam.
Sauber verarbeitete Bünde
Auch dürfen diese Bünde seitlich nicht als Grate am Hals überstehen, der
Spieler schürft sich beim Spielen die Hand auf. Die erste und die letzte Saite
muss noch genügend Randabstand vom Halsrand haben, um beim Spielen nicht über
diesen hinausgedrückt zu werden. Das gibt beim Spielen unschöne „Kieckser“, die
auf Griff-Unsicherheit deuten – manchmal ist aber auch wirklich der Gitarrenhals
schuld. Der Halsrücken selbst sollte für den, der spielt, angenehm abgerundet
sein und eine Dicke aufweisen, die ihm gut in der Hand liegt. Hier gibt es
individuelle Vorlieben. Nur wenn alles passt, wird man sich mit dem Instrument
wohlfühlen. Sie sehen also: Der Gitarrenhals ist ein Präzisionsteil, welches
nicht irgendwie lieblos gefertigt werden darf.
Manchmal gehört bei einer Gitarre der Hals bloß richtig justiert, doch wer’s
nicht selber kann, der muss diese Einstellarbeiten von einem Fachmann machen
lassen und das kostet unter Umständen mehr als die vermeintliche Ersparnis durch
den Kauf eines billigen Modells.
Die Formen des Korpus
Ähnliches gilt für den Korpus der Gitarre. Zu ausgefallene Formen (Flying-V
oder ähnliche) sind wahrscheinlich sehr gewöhnungsbedürftig und nicht in jeder
(sitzenden oder stehenden) Position gleich angenehm zu spielen. Die klassischen
Formen der Stratocaster und ihrer doch sehr ähnlichen Nachbauten von vielen –
inzwischen auch namhaften – Firmen (Ibanez, Peavey, Samick etc.) haben sich
ebenso bewährt wie die legendären Gibson Les Paul Formen, die ebenfalls zuhauf
kopiert werden. Der Gitarrenkorpus sollte mit dem Hals sehr fest verbunden sein
– bei Stratocaster-Typen durch 4 Schrauben, bei Les Paul Modellen ist der Hals
mit dem Korpus üblicherweise verleimt.
Bei letzterer Bauweise hat man wenig Möglichkeiten einer Korrektur, falls der
Hals schief eingeleimt wurde. Bei den Stratocaster-Modellen lässt sich der Hals
besser justieren. So ist die Saitenlage bei Strats noch durch Veränderung der
Halsneigung korrigierbar (wenn der Hals an sich gerade ist), bei Les Paul geht
das nur durch Höhenänderung der Brücke (Brücke oder Steg, ist dem Saitenhalter
vorgelagert). Böse Überraschungen gibt es, wenn der Steg bei Gitarren
firmenseitig falsch montiert wurde – damit stimmt dann die schwingende
Saitenlänge nicht mit der Unterteilung der Bünde überein. Die Gitarre ist nicht
zu stimmen und wäre nur durch eine Neumontage der Brücke in Ordnung zu bringen.
(Das ist bei einem Instrument im Test tatsächlich passiert – nicht in Österreich
erhältlich).
Brücke genau inspizieren
Die Brücke (mit oder ohne Vibratohebel) sollte ebenfalls genau inspiziert
werden. Die Saitenauflagen müssen längs- und höhenverstellbar sein (um die
Saitendicke und Saitenart jeweils bundrein einzustellen; umwickelte Saiten
schwingen anders als nicht umwickelte) – ein Inbusschlüssel für die entsprechend
kleinen Wurmschrauben sollte bei der Gitarre dabei sein. Die Höhenverstellung
dient dazu, die Saitenlage auf allen Saiten individuell einzustellen, meist ist
die Saitenauflage etwas konkav verrundet, um der Verrundung des Griffbrettes zur
besseren Spielbarkeit zu entsprechen. (Ein Vergleich dazu: Denken Sie an die
Geige – der Spieler könnte kaum mit dem Bogen spielen, würden die Saiten in
einer Ebene angebracht sein. Dem Elektrogitarre-Spieler mit Plektron fällt die
Arbeit bei etwas verrundeter Saitenauflage ebenfalls leichter).
Die Pickups (Tonabnehmer-Schalter)
Um eine Abschätzung zu erhalten, was die Pickups an Tönen und Klangfarben
hervorbringen, müssen Sie die Gitarre hören – das können Sie üblicherweise nur
im Musikhandel. Auf jeden Fall aber sollten Sie den „Klopftest“ machen. Bei
angeschlossenem Pickup sollte Klopfen auf den Pickup mit einem nichtmetallischen
Gegenstand (Stäbchen, Plektron, Finger) keinen höllischen Krach machen – sonst
ist der Pickup nämlich „mikrofonisch“ und neigt bei lautem Betrieb über
Verstärker zu unschönen Rückkopplungen. Meist klingen solche Picks auch
verwaschen und unrein bei Akkorden. Der Klang des Pickups sollte immer rein und
sauber sein. Er kann durchaus kräftig oder hart klingen, den „dreckigen“ Sound
liefert auf Wunsch dann der Verstärker. Oder anders gesagt: Stimmt die
Tonerzeugung, ist man immer noch frei, damit zu machen was man selber will – bei
lausigen Tönen aus dem Pickup kommt immer nur Matsch als Sound heraus.
In der Höhe justierbar
Die Pickups sollen auch in der Höhe justierbar sein. Da dicke Saiten mehr Ton
erzeugen (höhere Induktion in der Spule), wird üblicherweise der Pickup gegen
die höheren Saiten etwas heraufgeschraubt, um allen Tönen zu gleicher
Durchsetzungsfähigkeit im Sound zu verhelfen. Bei den Polen der Tonabnehmer
sollte jeder Pol unter einer Saite liegen (nicht versetzt – sonst stimmt die
Induktion nicht mehr so ganz). Singlecoil-Tonabnehmer sind eher störanfällig und
neigen zum Brummen oder Sirren, je näher man dem angeschlossenen Verstärker ist.
Humbucker unterdrücken diese Anfälligkeit – aber nur, wenn sie von guter
Qualität sind. Singlecoil-TA klingen üblicherweise etwas „aggressiver“ und rauer
als ihre Humbucker-Kollegen, die einen kräftigen aber doch milderen Ton
erzeugen. Allerdings sind die Möglichkeiten der Soundformung heute schon so weit
gediehen, dass hier die Wahl der Art der Pickups kein wirkliches Kaufkriterium
ist. Nur die Qualität muss halt passen.
Eine erste Ton- und Klangmischung erfolgt in der Gitarre. Die Anwahl des
„heißen“ Tonabnehmers erfolgt mittels Wahlschalter, Zwischenstellungen wählen
meist eine Kombination aus zwei Tonabnehmern und führen zu milderen, oft
„jazzigen“ Klangfarben.
Ansprechende Regler
Was die Regler anbelangt, sollte darauf geachtet werden, dass diese nicht
erst auf den „letzten Dreh“ so richtig reagieren, sondern schön kontinuierlich –
sonst sitzen nämlich statt logarithmischen Potentiometern nur lineare Potis in
den dafür vorgesehenen Löchern, und das schmälert die Anzahl der Klangnuancen –
eine Feineinstellung an der Gitarre ist nicht so leicht vorzunehmen. Das ist
zwar nur ein kleines Manko, aber wenn es den Besitzer später doch stört, ist ein
Umbau relativ aufwendig und kostet. Überhaupt können Gitarrenschaltungen von
Fachleuten in vielen Fällen noch verbessert und verändert werden. Dazu braucht
es jedoch Erfahrung und Elektronik-Kenntnisse.