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Handystrahlen - Schönfärber gegen Schwarzmaler

Fast jeder besitzt bereits ein Handy. Doch noch immer streiten Fachleute darüber, wie hoch die Gefahren der Mobilfunktechnologie einzuschätzen sind.

„Unsere Kinder dürfen keine Versuchs­kaninchen werden“, appelliert der Umweltreferent der Wiener Ärztekammer an die Öffentlichkeit. Das hemmungslose Telefonieren müsse daher gebremst werden. Hersteller und Netzbetreiber hingegen, die im Forum Mobilkommunikation (FMK) zusammengefasst sind, würden kritische Wissenschaftler am liebsten brotlos sehen. So appellierte das FMK kürzlich an „zukünftige Auftraggeber“, sich eine Auftragsvergabe an den Salzburger Umweltmediziner Gerd Oberfeld genau zu überlegen, „wenn sie ihre Gelder nicht verpulvert sehen wollen“.

Fallensteller und Spione

Es hat den Anschein, dass die Erbitterung, mit der der Kampf ums Handy geführt wird, mit dem Grad der Marktdurchdringung steigt. Die Zahl der auf dem Markt befindlichen Handys in Relation zur Gesamtbevölkerung hat ja bekanntlich längst die 100-Prozentmarke überschritten.

Da muss besagter Gerd Oberfeld eine epidemiologische Studie über die Krebsgefahr, die durch Mobilfunk-Basisstationen ausgeht, zurückziehen, weil sich herausstellt, dass sich im untersuchten Ort Hausmannstätten gar keine solche Anlage befunden hat. Die Information über die vermeintliche Sendestation bekam Oberfeld ausgerechnet von einem ehemaligen Mitarbeiter der Post- und Telegraphenverwaltung, jenes Unternehmens, das damals für die Errichtung des Mobilfunknetzes verantwortlich war. Das klingt wie eine Szene aus einem drittklassigen Thriller: böse Macht stellt aufrechtem Wissenschaftler eine Falle, um ihn mundtot zu machen …

Erhöhtes Krebsrisiko

Da muss eine brisante Studie der Wiener Medizinuniversität zurückgezogen werden, weil der Laborassistentin vorgeworfen wird, sie habe die Codes geknackt, mit denen die Daten der Studie verschlüsselt waren – woraus die gegnerische Seite den Schluss zieht, die Studie sei gefälscht. Sie sollte klären, ob Handystrahlen Auswirkungen auf menschliche Zellen haben. Ergebnis: Bereits bei geringer Strahlendosis (weit unter dem derzeit geltenden Grenzwert) kam es zu Strangbrüchen des Erbguts, was auf ein erhöhtes Krebsrisiko hindeutet. Und wieder fühlt man sich wie in einem billigen Film: Der Laborleiter hatte im Laborbuch seiner Assistentin gestöbert und darin Aufzeichnungen über die entschlüsselten Zahlencodes entdeckt, die aber – nach Angaben der Assistentin – nicht von ihr stammen …

Orientierung schwierig

Die Interphone-Studie

Was ist los in dieser Branche? Wieso fällt es so schwer, seriöse Studien über mögliche Gefahrenpotenziale durchzuführen, warum konzentrieren sich Eiferer auf beiden Seiten darauf, aufeinander loszuhacken, anstatt sachliche Argumente ins Treffen zu führen? Und das in einer Zeit, in der die Bevölkerung für sich längst die Entscheidung getroffen zu haben scheint. Das Mobiltelefon ist zum ständigen Begleiter geworden, und es wird immer intensiver genutzt.

Doch es gibt auch sachliche Diskussionen unter Wissenschaftlern, selbst auf einer Veranstaltung, die von der Mobilfunklobby – dem FMK und dessen deutschem Pendant Forschungsgemeinschaft Funk – organisiert wird. Ein „Konsument“-Redakteur hatte kürzlich die Gelegenheit, sich den Meinungsaustausch der Experten über das Ergebnis der Interphone-Studie anzuhören. Dabei handelt es sich immerhin um die größte bisher durchgeführte epidemiologische Untersuchung zu Tumoren im Kopfbereich. In 13 Ländern, darunter Deutschland, Frankreich und die skandinavischen Staaten, gingen Wissenschaftler der Frage auf den Grund: Wird durch Handynutzung das Krebsrisiko erhöht? Es wurden die Daten von über 6.000 erkrankten Personen analysiert und mit einer etwa gleich großen Zahl gesunder Personen verglichen.

Hohe Erwartungen 

Man erwartete sich von dieser Untersuchung, die ab dem Jahr 2000 durchgeführt wurde, vor allem deshalb sehr viel, weil sie erst die zweite nach der Hardell-Studie (Schweden) ist, die wenigstens teilweise zehn Jahre Handynutzung überblickt (vorhergehende Studien beschränkten sich auf durchschnittlich drei Jahre). Die Ergebnisse hätten eigentlich schon 2004 veröffentlicht werden sollen, wurde aber bis heute nicht offiziell präsentiert – wohl nicht zuletzt deswegen, weil sich die teilnehmenden Expertengruppen auf keine stringente Aussage einigen konnten. Eine deutsche Mitarbeiterin, Dr. Brigitte Schlehofer vom Krebsforschungszentrum Heidelberg, interpretierte auf der erwähnten Veranstaltung die Ergebnisse dahingehend, dass für Erwachsene bei weniger als zehn Jahren Handynutzung kein Risiko für Tumorerkrankungen besteht. Für eine Langzeitnutzung (über zehn Jahre hinaus) könne noch kein abschließendes Urteil abgegeben werden, da die Datenlage nicht ausreiche.

 „Besser eine Münze werfen“

Harsche Kritik an der Interphone-Studie kam hingegen von Prof. Michael Kundi vom Institut für Umwelthygiene der Medizinischen Universität Wien. Sie enthalte einige Fehlerquellen, so z.B., dass die Nutzung von Schnurlostelefonen nicht berücksichtigt worden sei oder dass die Zahl der Langzeitnutzer zu gering gewesen sei. Für Kundi verliert die Studie dadurch jede Aussagekraft: „Würde man bei einer Studie über Lungenkrebs dieselben Kriterien anwenden, käme heraus, dass es für Raucher kein signifikant erhöhtes Risiko gibt.“

Dr. Hagen Scherb, Biometriker aus dem Helmholtz Zentrum München, ortet bei der Interphone-Studie statistische und methodische Mängel. „Wenn die Power einer Studie (die Wahrscheinlichkeit, dass die Ergebnisse der Realität entsprechen) unter 50 Prozent sinkt, dann ist es besser, eine Münze zu werfen, als eine Studie zu machen.“

Erstaunlich ist, dass diese deutliche Kritik nicht an die Öffentlichkeit gelangte. Die APA beschränkte sich auf die Wiedergabe der Ausführungen von Frau Dr. Schlehofer und schloss daraus messerscharf: „Wirkliche Sorgen muss sich offenbar niemand machen.“ Das Forum Mobilkommunikation fand es gleich gar nicht der Mühe wert, über seine eigene Veranstaltung zu berichten.

Was soll man nun glauben?

Den meisten Handynutzern mag diese Auseinandersetzung herzlich egal sein, aber jene, die sich ernsthaft Sorgen machen und eine Antwort auf die Frage erwarten, wie sie sich am besten verhalten sollen, bleiben verwirrt zurück. Woran sollen sie sich orientieren?

Sie sollten jedenfalls jenen keinen Glauben schenken, die behaupten, alle Fragen seien gelöst. Es gibt bis heute keine Studien, die gesundheitliche Schäden durch die Mobilfunktechnologie eindeutig nachweisen. Ebenso wenig kann behauptet werden, dass die Unbedenklichkeit des Mobilfunks eindeutig nachgewiesen wäre. Und man kann davon ausgehen, dass dies noch lange so bleiben wird. Denn es kann Jahrzehnte dauern, bis ein Hirn- oder Hörnervtumor ausbricht. Und angesichts der geringen Zahl an Kopftumoren müssten Hunderttausende Menschen über einen langen Zeitraum beobachtet werden, um feststellen zu können, ob sich die Tumorrate durch Handynutzung signifikant erhöht. Und selbst wenn einmal solche Studien vorliegen, werden diese mit Mängeln oder Ungewissheiten behaftet sein, sodass Gegner ihre Glaubwürdigkeit unschwer in Zweifel ziehen könnten.

Langzeitschäden nicht ausgeschlossen 

Nach allen bisherigen Erfahrungen drohen durch Mobilfunk keine unmittelbaren, irreversiblen Schäden. Langzeitschäden lassen sich hingegen nicht ausschließen. Es kann also sein, dass Personen, die über Jahre hinweg intensiv mit dem Handy telefoniert haben, einem erhöhten Risiko unterliegen, im Alter von 75 Jahren an Krebs zu erkranken. Wer unsere Tipps (siehe Kasten) beherzigt, vermag dieses Risiko auf ein Minimum zu beschränken.

Ein kleiner Teil der Bevölkerung kann darüber hinaus auch von unmittelbaren Beeinträchtigungen wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen oder Konzentrationsschwäche betroffen sein. Diese Personen, die besonders sensibel auf elektromagnetische Felder reagieren, sollten möglichst auf den Gebrauch eines Mobiltelefons, aber auch eines Schnurlostelefons daheim verzichten. Sie sollten sich aber vergewissern, ob es nicht andere Ursachen für ihre Beschwerden gibt.

SAR-Wert sagt wenig aus

Der SAR-Wert, der von den meisten Handyherstellern für ihre Produkte angegeben wird, sagt wenig über die tatsächliche Strahlenbelastung aus. Denn eigentlich wird nur die (harmlose) Erwärmung des menschlichen Körpers durch das Handy gemessen und nicht die maximale Feldstärke, die auf den Körper einwirkt. Außerdem müssen Handys in schlecht versorgten Gebieten ihre Leistung hinauffahren, um die Verbindung aufrechtzuerhalten, wobei Handys mit stärkerer Sendeleistung diese effizienter einsetzen können und daher eine bessere Verbindung bieten. Denn geringe SAR-Werte werden oft durch niedrigere Sendeleistung erreicht. Aussagekräftiger erscheint da schon der connect-Strahlungsfaktor, eine Kombination aus SAR-Wert und Sendeleistung, der von der Fachzeitschrift connect ermittelt wird. Eine Liste mit beiden Werten für zahlreiche auf dem Markt befindliche Handys finden Sie unter www.handywerte.de. Am besten aber ist, die Tipps zur Senkung der Strahlenbelas­tung zu beherzigen

So Minimieren Sie mögliche Gefahren

• Halten Sie Handygespräche kurz, ausführlicher können Sie übers (kabelgebundene) Festnetz telefonieren. Schnurlostelefone „strahlen“ ähnlich wie Handys.

 

• Beim Verbindungsaufbau ist die Sendeleistung am höchsten. Warten Sie daher beim Anrufen ein wenig, bevor Sie das Handy zum Kopf führen.

 

  • Verwenden Sie Freisprecheinrichtungen; kabellose Kopfhörer (Bluetooth) von Markenherstellern sind ebenso unbedenklich wie Kabel-Headsets.
  • SMS senden statt telefonieren. Viele wiederkehrende Gespräche könnten durch eine gespeicherte SMS ersetzt werden.
  • Schalten Sie das Handy aus, wenn es längere Zeit nicht genutzt wird, jedenfalls in der Nacht. Auch im Stand-by-Betrieb nimmt es ständig Kontakt zur Basisstation auf.
  • Im Auto nur telefonieren, wenn es eine Freisprecheinrichtung mit Außenantenne gibt.
  • In öffentlichen Verkehrsmitteln möglichst nicht telefonieren (auch aus Rücksicht auf die anderen Fahrgäste).
  • Tragen Sie Ihr eingeschaltetes Handy möglichst nicht direkt am Körper, sondern in einer Tasche oder einem Rucksack.
  • Bei schlechter Verbindung ist die Strahlenbelastung ungleich höher. Versuchen Sie daher bei schwachem Signal einen besseren Platz zu finden, gehen Sie zu einem Fenster oder ins Freie.
  • Kinder haben eine dünnere Schädelschale, sie sind daher den Strahlen wesentlich stärker ausgesetzt als Erwachsene. Halten Sie Ihr Kind an, weniger wichtige Gespräche einzuschränken und besser SMS zu senden, als zu telefonieren.

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