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Bodify: Frau trainiert mit EMS-Anzug in einem Studio und macht eine Kniebeuge
EMS-Training gilt als Alternative zum regulären Fitnesstraining, speziell für Leute mit wenig Zeit. Doch was steckt wirklich dahinter? Bild: Shutterstock/Chester-Alive

Bodify: Was bringt der EMS-Bauchtrainer wirklich?

Ein deutsches Unternehmen wirbt damit, dass man durch tragbare EMS-Technologie die Traumfigur erlangen, Fett verbrennen und Muskeln aufbauen könne. Was hinter Bodify steckt und was es bringt. 

Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sollen sich Erwachsene von 18 bis 64 Jahre 150 bis 300 Minuten pro Woche moderat bewegen – oder alternativ 75 bis 150 Minuten Ausdauertraining in hoher Intensität ausüben – und dazu zweimal pro Woche muskelkräftigende Übungen ausführen, um „substanzielle gesundheitliche Vorteile“ daraus ziehen zu können. Ein Pensum, das viele Menschen in der Realität nicht umsetzen können. Und hier kommt das EMS-Training ins Spiel, denn es verspricht bereits bei nur einer 20-minütigen Einheit pro Woche Erfolge. 

Was ist EMS-Training? 

Die Abkürzung EMS steht für elektrische Muskelstimulation – ein Verfahren, bei dem elektrische Reize die Muskelzellen stimulieren. Die Frequenz der Stromimpulse gibt dabei vor, wie lange eine Kontraktion dauert und wie intensiv sie ist. Nieder- oder Mittelfrequenzen lösen eine Muskelzuckung aus, mehrere Impulse hintereinander führen zu einer Muskelkontraktion, wie man sie vom klassischen Krafttraining kennt. 

Bei EMS tragen die Trainierenden einen Ganzkörperanzug, der mit Elektroden gespickt ist. Über angefeuchtete Pads auf der Haut gelangt der Strom direkt zu den Nervenenden, die Stromimpulse zwischen 80 und 120 Hertz bewirken das Zusammenziehen des Muskels. Währenddessen führen die Personen unterschiedliche Übungen aus, die Stromimpulse unterstützen die Muskelkontraktion ganz ohne zusätzliche Hanteln und Gewichte, sie wirken als Verstärker. 

Die Trainer:innen geben dabei Anweisungen und regulieren via Kontrollpanel die Stromintensität für die individuellen Körperregionen. Da sich die Elektroden durch den Anzug über den ganzen Körper verteilen, werden alle großen Muskelgruppen gleichzeitig trainiert. Und es werden durch die stärkeren Kontraktionen auch tiefere Muskelfasern erreicht. 20 Minuten sollen daher laut Anbieter für ein effektives Training ausreichen. 

Was kostet EMS-Training? 

Die bekannten Ketten bieten Probetrainings ab 19 Euro an, die Einzeltrainings kosten je nach Vertragsart zwischen 9 und 44 Euro, dazu kommen oft noch die Miete für das EMS-Outfit und Startgebühren. Da bei jeder Session ein:e Trainer:in dabei sein sollte, ist das Work-out preislich mit einem Personal Training vergleichbar und weniger mit einem selbstständigen Training im Fitnessstudio.

Ein Mann und eine Frau trainieren mit einer Trainerin mit EMS-Ganzkörperanzügen in einem Studio
Bild: Shutterstock/InnerVisionPRO

Was bringt EMS-Training?

Diese Art des Trainings wird bereits seit Jahrzehnten im Spitzensport, in der Rehabilitation und in der Physiotherapie angewendet. Etwa nach Knieoperationen, wenn der Muskel durch das Nicht-Bewegen immer mehr abbaut. Dann kann der Strom den Muskel kräftigen oder erhalten, ohne dabei das Gelenk zu belasten. „Aber angenehm ist das zumeist nicht“, sagt Sportmediziner Robert Fritz. Es sei ein Zittern, eine Spannung, die auch schmerzhaft sein kann, wenn man die Stromstärke hochdrehe. Es gibt auch bereits einige wissenschaftliche Studien, die die Effektivität von EMS-Training belegen, jedoch mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen – die Spanne der Effekte ist groß.

Als Sportarzt mit Ordination in Wien hat Fritz in den vergangenen Jahren viele Patient:innen kennengelernt, die mit EMS trainieren. Bereits 2016, als der Trend Fahrt aufgenommen hat, berichtete er von stark erhöhten Creatin-Kinase-Werten seiner EMS-trainierenden Patient:innen, was auf eine Muskelüberlastung hinweise. Anhand der Creatin-Kinase-Konzentration lässt sich nämlich beurteilen, wie stark die Skelettmuskulatur durch ein Training belastet bzw. sogar geschädigt wurde. Erhöhte Werte können in Einzelfällen zu Nierenschädigungen führen, weshalb die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN) dazu rät, ein EMS-Training nur unter Anleitung ausgebildeter Sportmediziner:innen und Physiotherapeut:innen anzuwenden. 

So sieht das auch Sportmediziner Robert Fritz: „Es spricht nichts gegen das Training, wenn man es mit Hirn betreibt.“ EMS komme aus dem Hochleistungssport und habe auch seine Berechtigung, es koste jedoch auch viel Geld. Fritz plädiert eher für ein effizientes Krafttraining – zu Hause oder im Fitnessstudio – da man dadurch wohl noch bessere Erfolge zu geringeren Kosten erzielen könne. Das Positive am EMS-Training: Viele seiner Patient:innen sehen den Termin als verbindlich an und haben so genug Motivation für Bewegung – und Motivation sei beim Sport das Wichtigste. 

Wie oft EMS-Training? 

Der Experte rät, prinzipiell mindestens zweimal wöchentlich kräftigende Übungen zu machen, das kann einmal ein EMS-Training und einmal ein „normales“ Work-out sein, zusätzlich solle noch die Ausdauer trainiert werden, etwa durch Gehen oder Joggen. 

Porträt von Sportmediziner Robert Fritz
Dr. med. univ. Robert Fritz Bild: Sportordination

Welche Risiken birgt EMS-Training?

Gefahren sieht Sportmediziner Fritz beim EMS-Training kaum. Er rät bestimmten Patientengruppen zur Vorsicht, etwa solchen mit Gelenksproblemen oder Muskelerkrankungen. Auch Personen mit Herzschrittmachern sollten vorsichtig sein, da die Elektroden das Gerät schädigen könnten. 

EMS zu Hause

Wie funktioniert Bodify?

Die deutsche Firma Fassmer GmbH vertreibt unter Bodify eine „Alternative zu EMS-Studios und Anzügen“ für zu Hause. Die Gründer haben tragbare Modelle für Bauch, Hüfte, Rücken, Arme und Beine entwickelt und vertreiben diese stationär und über Webshops. Bei der Bewerbung setzen sie vor allem auf Influencer:innen mit Sixpack und durchtrainierten Körpern, die die Produkte weiterempfehlen. Auf der Website werden Studien zum EMS-Training zitiert, Nutzer:innen berichten von der „Lösung für ihre Problemzonen“. 

Sportarzt Robert Fritz sieht diese Geräte für zu Hause differenzierter. Aus medizinischer Sicht sei die „Traumfigur“ völlig wertlos, es gehe nicht darum, ein paar Kilo mehr oder weniger zu haben, solange kein massives Übergewicht vorherrscht. Viel wichtiger sei es, funktionierende Muskeln zu haben, die den Bewegungsapparat ordentlich unterstützen – speziell den Rücken. „Wir sitzen zu viel und aktivieren die Rückenmuskulatur zu wenig. Wenn ich vernünftig trainiere, kann ich Rückenprobleme und Bandscheibenvorfälle vermeiden“, sagt er. Ob Bodify die Lösung sei? Aus seiner Sicht nicht.

Mann hat EMS-Bauchtrainer auf den Bauch geschnallt
EMS-Bauchtrainer für zu Hause Bild: Shutterstock/nito

Gerade den viel umworbenen Bodify-Bauchtrainer sieht er kritisch. „Ohne Sixpack geht nichts mehr auf Social Media, dabei haben wir alle eine relativ gute, gerade Bauchmuskulatur.“ Bei Bodify könne man nicht genau sagen, ob nur der Rectus abdominis, also der gerade Bauchmuskel, oder auch die schrägen Muskeln trainiert werden. Beide seien wesentlich für die Rumpfstabilität. Und um diese zu stärken, brauche man kein Bodify-Equipment. „Wenn ich große Muskelgruppen trainiere, etwa beim Kreuzheben oder bei Kniebeugen, benötige ich keine extra Bauchübungen mehr, der Muskel wird mittrainiert“, sagt Robert Fritz. Auch bei Rückenbeschwerden sei Bodify fraglich. „Hier muss ich mit Übungen gezielt die tiefergehende stabilisierende Rückenmuskulatur stärken, nicht die oberflächliche“, sagt er. 

Damit die elektrischen Impulse durch den Bodify-Gürtel so tief hineinkommen, müsse die Intensität oft so stark sein, dass es alles andere als angenehm für die Anwender:innen ist. „Dreimal die Woche 20 Minuten mit verkrampften Muskeln auf der Couch liegen – so stelle ich mir Sport nicht vor“, sagt der Mediziner. Das würde auch keine Freude bereiten. „Sollte ich damit wirklich einen schönen Bauch für den Sommer bekommen, höre ich spätestens nach dem Sommer wieder damit auf – das ist nicht der Sinn von Sport.“ Dieser müsse Spaß machen. „Lieber gehe ich ins Fitnessstudio und investiere das Geld für einen Trainer, der mir gezielte Übungen für zu Hause zeigt, die ich mit wenig Aufwand umsetzen kann. Das ist wesentlich effizienter und schmerzfrei“, sagt er. 

Erfahrungen mit Bodify

„Im Garten sitzen und ein Buch lesen oder kochen und nebenbei Bauchtraining, unschlagbar“, oder „Ich habe jeden Abend ganz entspannt auf meiner Couch gelegen und mit dem Bauchtrainier trainiert“, posten User:innen auf Instagram. Aus medizinischer Sicht sieht der Experte diese Aussagen bedenklich. „Wir wissen alle, dass das nicht stimmt – dass sich Influencer mit Traumkörpern den Gurt draufschnallen und davon schlank werden“, sagt Robert Fritz. Für solche Figuren müsse man hart trainieren und sich an strikte Ernährungspläne halten. Er plädiert dafür, mit offenen Augen auf der Straße zu gehen und sich die Realität abseits von Social Media anzusehen. Man brauche kein schlechtes Gewissen haben, wenn man keinen normschönen Körper hat. „Wir sind alle nicht perfekt und das ist völlig okay so“, hält er fest. 

Auch dass man mit dem Bodify-EMS-Training abnehmen würde, hält er für eine Lüge. Man nehme ab durch Krafttraining und eine Erhöhung des Grundumsatzes, Ausdauertraining, um den Muskelstoffwechsel zu verbessern, sowie eine ausgewogene Ernährung. Wichtig sei, zum Training vernünftig zu essen. „Wenn ich große Muskelgruppen trainiere, etwa bei der klassischen Kniebeuge, steigert meine Gesamtmuskelerhöhung den Grundumsatz. Wenn ich mir einen EMS-Gürtel auf den Bizeps schnalle, verändert sich dieser nicht“, sagt Fritz. 

Er möchte EMS-Training für zu Hause nicht verteufeln, ist sich aber sicher, dass dieser Trend sehr schnell wieder abebben wird. Bodify sei ungefährlich, wenn keine akuten oder chronischen Erkrankungen vorliegen. Fritz hält das Investment in diese kostspieligen Sets allerdings für rausgeschmissenes Geld, das sinnvoller in die Gesundheit investiert werden könnte. 

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