Zum Inhalt

Mittel bei Mundschleimhaut-Entzündung - Zu viel versprochen

, aktualisiert am

Unsere Mundschleimhaut ist sehr verletzlich. Mangelhafte Mundhygiene, aber auch scharfkantige Lebensmittel können Entzündungen ver­ursachen. In Apotheken werden dazu zahlreiche Mittel angeboten, geeignet sind allerdings nur wenige.

Mittel gegen Mundschleimhautentzündung: wenig geeignete Präparate; (Bild: VKI)

Folgende Mittel bei Mundschleimhaut-Entzündung finden Sie in unserem Test:

  • Betadona Mund-Antiseptikum
  • Chlorhexamed 1 % Gel
  • Chlorhexamed Fluid 0,1 % Lösung
  • Chlorhexamed FORTE alkoholfrei 2 % Lösung
  • Dequonal Lösung zum Gurgeln
  • Dequonal Lösung zum Sprühen
  • Dorithricin Halstabletten
  • Easyangin Lutschtabletten 5 mg/1mg
  • Easyangin Lutschtabletten 5 mg/1mg lemon
  • Easyangin Spray
  • Glandosane Aerosol
  • Halset Lutschtabletten
  • Hexoral Lösung zum Gurgeln
  • Kamillosan Mundspray
  • Lemocin Lutschtabletten
  • Mundisal Gel
  • Pyralvex Lösung
  • Recessan Salbe
  • Tantum Verde Lösung
  • Tantum Verde 3 mg Pastillen Minzgeschmack
  • Tantum Verde 3 mg Pastillen Eukalyptusgeschmack
  • Tantum Verde 3 mg Lutschtabletten Orange-Honiggeschmack
  • Tantum Verde 3 mg Lutschtabletten Zitronengeschmack
  • Veralgin Spray

Die Testtabelle informiert über: Beurteilung, Inhaltstoffe, Preis, Verpackungsgröße

Lesen Sie nachfolgend den Testbericht.


Die menschliche Mundhöhle mit ihrem feuchtwarmen Klima ist ein idealer Lebensraum für Bakterien und Hefepilze. Was sich im ersten Moment beunruhigend anhört, ist für uns jedoch von Vorteil. Die verschiedenen Keime bilden nämlich einen wichtigen Schutzfilm gegen zahlreiche Krankheits­erreger.

Die Schleimhaut, mit der die Mundhöhle ausgekleidet ist, erneuert sich zudem permanent. Aufgrund der guten Durch­blutung ist die Mundschleimhaut auch überaus aufnahmefähig für bestimmte Substanzen wie etwa Wirkstoffe aus Arzneimitteln. Manche Medikamente sind deshalb extra so zubereitet, dass sie im Mund zergehen, damit die Wirkstoffe möglichst rasch ins Blut gelangen.

Mundschleimhautentzündung nach Verletzung

Doch die Mundschleimhaut ist sehr verletzlich. Scharfkantige Lebensmittel oder Bissverletzungen können Entzündungen ver­ursachen. Mangelhafte Mundhygiene führt häufig zu Zahnfleischentzündungen. Vitaminmangel, Durchblutungsstörungen, Diabetes und Hormonschwankungen (z.B. während der Schwangerschaft) können die Mundschleimhaut ebenfalls beeinträchtigen.

Eine Mundschleimhautentzündung kann lokal auftreten oder den gesamten Mundraum betreffen. Bei einer starken Entzündung können die Schmerzen so intensiv sein, dass die Aufnahme von Nahrung nahe­zu unmöglich ist.

Babys und Kleinkinder erkranken häufiger

Vorbeugung

Um Entzündungen der Mundschleimhaut vorzubeugen, sollte man mindestens zweimal täglich gründlich die Zähne putzen und die Zahnzwischenräume mit Zahnseide bzw. Interdentalbürsten einmal am Tag ­reinigen. Plaque und Zahnstein sollten im Rahmen einer professionellen Zahnreinigung (PZR) in der Zahnarztpraxis entfernt werden. Träger von Zahnprothesen sollten deren Sitz regelmäßig vom Zahnarzt kon­trollieren lassen. Der Zahnarzt kann auch feststellen, ob sich die Mundschleimhaut unter der Prothese verändert hat. Bei einer Zahnspange ist wichtig, dass keine Ecken und Kanten hervorstehen, die zu Verletzungen im Mundraum führen können. Und wenn falsch stehende Zähne die Mundschleimhaut immer wieder verletzen, sollte das vom Zahnarzt korrigiert werden.

Kinder

Babys und Kleinkinder erkranken häufiger an einer Mundschleimhautentzündung als Erwachsene. Symptome bei Kindern sind Fieber, flüssigkeitsgefüllte, schmerzende Bläschen im Mund und geschwollene Lymphknoten. Häufigste Ursachen für eine Entzündung der gesamten Mundhöhle (Stomatitis) bei Kindern sind kariöse Milchzähne und mangelnde Mundhygiene. Die Schmerzen sind oftmals so stark, dass die Kinder nichts mehr essen und trinken wollen. Besonders Letzteres ist gefährlich, weil das Risiko des Austrocknens besteht.  

Geeignete Präparate

In österreichischen Apotheken sind zahlreiche Medikamente erhältlich, die zur Behandlung einer Mundschleimhautentzündung zugelassen sind. Als geeignet stufen wir Präparate mit den Wirkstoffen Povidon-Jod- Komplex (Betadona Mund-Antiseptikum), Chlorhexidin digluconat (Chlorhexamed) und Polidocanol (Recessan Salbe) ein.

Betadona Mund-Antiseptikum

Jod bzw. Povidon-Jod tötet Bakterien, Pilze und auch deren Sporen sowie Viren sehr wirksam ab und ist deshalb zur Desinfektion von Wunden und Haut geeignet. Das Jod wird in der Wunde freigesetzt und tötet die Mikroorganismen ab. Mit jodhaltigen Mitteln können kleine und große Wunden sowie die umgebende Haut gut desinfiziert werden.

Chlorhexamed

Der enthaltene desinfizierende Wirkstoff Chlorhexidin ist zur vorübergehenden unterstützenden Behandlung von Mundschleimhaut- und Zahnfleischentzündungen geeignet. Er tötet Bakterien und teilweise auch Pilze ab, die auf der Oberfläche der Mund- und Rachenschleimhaut siedeln. Zur Behandlung und Vorbeugung von Infektionen der Mundhöhle ist Chlorhexidin wirksam und sinnvoll. Von den üblicherweise eingesetzten Antiseptika kann Chlorhexidin Plaquebakterien, die eine häufige Ursache für Entzündungen im Mundraum sind, am besten bekämpfen. Mittel mit diesem Wirkstoff sind Standardmedikamente zur Behandlung von bakteriellen Infektionen der Mundhöhle. Zu beachten ist, dass es bei längerer Anwendungsdauer zu Verfärbungen der Zunge und vor allem der Zähne kommen kann. Diese Verfärbungen lassen sich allerdings beim Zähneputzen weitgehend entfernen bzw. verschwinden sie nach dem Absetzen des Medikaments wieder.

Recessan Salbe

Der Wirkstoff Polidocanol ist als schmerzlinderndes Mittel bei Mundschleimhaut- und Zahnfleischentzündungen geeignet. Die Schmerzlinderung wird dadurch erreicht, dass die Reizleitung in den Nerven blockiert wird. Auf diese Weise wirkt Polidocanol leicht betäubend.

Mit Einschränkung geeignet

Die Wirkstoffe Cetylpyridinium-chlorid (Halset Lutschtabletten) und Hexetidin (Hexoral Lösung zum Gurgeln) bewerten wir als mit Einschränkung geeignet.

Halset Lutschtabletten

Der Wirkstoff Cetylpyridinium wirkt desinfizierend und tötet Bakterien und Pilze ab. Das Mittel wirkt aber weniger stark gegen Plaque als Chlorhexidin.

Hexoral Lösung zum Gurgeln

Das Mittel wirkt weniger stark gegen Plaque als Chlorhexidin und es führt häufig zu Geschmacksstörungen und Reizungen der Mundschleimhaut.

Wenig geeignete Präparate

Dequonal Lösung

Benzalkonium und Dequalinium sind Antiseptika. Sie können Bakterien und teilweise auch Pilze abtöten. Die therapeutische Wirksamkeit bei durch Plaque ausgelösten Mundschleimhautentzündungen ist weniger gut belegt als bei Chlorhexidin. Zudem ist nicht ausreichend nachgewiesen, dass die Kombination aus den beiden Wirkstoffen wirksamer ist als ein Antiseptikum allein. Auch kann sich das Risiko für unerwünschte Wirkungen erhöhen.

Dorithricin Halstabletten

Bei einer Entzündung im Mund oder Hals soll das Antibiotikum Tyrothricin gemeinsam mit dem Antiseptikum Benzalkonium und dem örtlich wirkenden Betäubungsmittel Benzocain helfen. Die Kombination dieser drei Substanzen ist nicht sinnvoll. Schmerzen lassen aufgrund des Betäubungsmittels nach, Benzocain kann jedoch häufig Allergien auslösen. Zudem ist die keimtötende Wirkung des Antiseptikums Benzalkonium auf Plaque gering. Tyrothricin wirkt als Antibiotikum nur oberflächlich und erreicht die in den Schleimhautfurchen und Zahnfleischtaschen siedelnden Bakterien nicht.

Easyangin

In diesem Mittel ist ein antiseptischer Wirkstoff (Chlorhexidin) mit einem örtlich betäubenden Wirkstoff (Lidocain) kombiniert, um bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum zu helfen. Die therapeutische Wirksamkeit beider Wirkstoffe gilt als belegt, aber ihre Kombination ist dennoch nicht sinnvoll, da die therapeutische Wirksamkeit nicht verbessert wird.

Glandosane Aerosol

Das Mittel dient als künstlicher Speichel, wenn nicht von selbst ausreichend Speichel produziert wird (Mundtrockenheit). Es besteht aus einer Mischung verschiedener Mineralstoffe (Elektrolyte), deren Zusammensetzung jener des natürlichen Speichels ähneln soll. Sorbit ist ein Zuckeraustauschstoff, Carmellose dient als Filmbildner, um die Flüssigkeit geschmeidig zu machen. Die therapeutische Wirksamkeit dieser Kombination ist nicht ausreichend nachgewiesen. Außerdem können die Wirkstoffe bei langfristiger Anwendung die Zähne angreifen.

Kamillosan Mundspray

Die in diesem Präparat enthaltenen ätherischen Öle aus Anis, Kamille und Pfefferminze sollen eine Entzündung im Mund- und Rachenraum bekämpfen, Bakterien abtöten und Schmerzen lindern. Dass dies gelingt, ist allerdings nicht ausreichend nachgewiesen.

Lemocin Lutschtabletten

Das Antibiotikum Tyrothricin soll zusammen mit dem Antiseptikum Cetrimonium und dem örtlichen Betäubungsmittel Lidocain bei Halsentzündungen oder Entzündungen im Mund- und Rachenraum helfen. Die Kombination dieser drei Substanzen ist nicht sinnvoll. Schmerzen lassen aufgrund des örtlichen Betäubungsmittels nach. Die keimtötende Wirkung des Antiseptikums Cetrimonium auf Plaque ist gering. Tyrothricin wirkt als Antibiotikum nur oberflächlich und erreicht die in den Schleimhautfurchen und Zahnfleischtaschen siedelnden Bakterien nicht.

Mundisal Gel

Salicylsäure wirkt entzündungshemmend und schmerzlindernd. In der Mundhöhle sollen Salicylate aber nicht angewendet werden, weil sie die oberste Schicht der Mundschleimhaut ablösen.

Pyralvex Lösung

Salicylsäure – siehe Mundisal Gel. Rhabarberwurzelextrakt soll gewebestraffend (adstringierend) wirken und das Wachstum von Bakterien hemmen. Die therapeutische Wirksamkeit bei Entzündungen der Mundhöhle ist jedoch nicht ausreichend belegt.

Tantum verde

Es ist nicht ausreichend nachgewiesen, dass der Wirkstoff Benzydaminhydrochlorid Schmerzen im Mundund Rachenraum besser lindert als ein Scheinmedikament. Bisher vorliegenden Untersuchungen liefern unterschiedliche Ergebnisse, inwieweit das Mittel wirkt. Es ist nicht ausreichend nachgewiesen, dass Benzydamin bei gelegentlich auftretenden Mundschleimhautentzündungen hilfreich ist. Lediglich wenn im Rahmen einer Krebsbehandlung eine Strahlentherapie durchgeführt werden muss, scheint das Mittel eine Mundschleimhautentzündung verhindern oder deren Beschwerden zumindest mildern zu können. In einem solchen Fall kann das Mittel versuchsweise eingesetzt werden.

Veralgin

Die therapeutische Wirksamkeit von Salbei bei Mundschleimhautentzündungen ist nicht ausreichend nachgewiesen, das Mittel ist somit wenig geeignet.

Testtabelle: Mittel bei Mundschleimhautentzündungen

VKI-Tipps

  • Prophylaxe. Eine Mundschleimhautentzündung lässt sich in den meisten Fällen durch eine gute Mundhygiene verhindern. Neben dem Zähneputzen sollte vor allem darauf geachtet werden, Essensreste aus den Zahnzwischenräumen zu beseitigen. Ebenfalls wichtig ist, einmal pro Jahr zur Mundhygiene zu gehen.
  • Behandlung. Bestimmte rezeptfreie Mittel aus der Apotheke sind zur kurzfristigen Behandlung einer Mundschleimhautentzündung geeignet. Dauert die Entzündung länger als zwei Wochen an, sollten Sie allerdings immer einen Zahnarzt aufsuchen.
  • Ernährung. Eine Mundschleimhautentzündung ist oft sehr schmerzhaft. Das macht sich vor allem beim Essen bemerkbar. Weiche Nahrung (z.B. pürierte Speisen) reizen die entzündeten Bereiche weniger. Lebensmittel, die Schmerzen ­verstärken können, sollte man meiden – etwa scharfe Gewürze, Zitrusfrüchte, Fruchtsäfte oder Alkohol.

Testkriterien bei Medikamenten

So bewerten wir Medikamente.

Grundlagen der Bewertung

Basis unserer Arzneimittelbewertungen ist die veröffentlichte internationale und nationale Literatur. Anhand von allgemein anerkannten und aktuellen Werken der klinisch-pharmakologischen und medizinisch-therapeutischen Standardliteratur wurde die Eignung der jeweiligen Arzneimittel für die Indikationen beurteilt, die der Hersteller für sein Mittel beansprucht. Die Bewertung wurde auch mit Blick auf die übrigen in dem jeweiligen Anwendungsbereich angebotenen Arzneimittel vorgenommen und daraufhin, ob die Behandlung mit einem Arzneimittel überhaupt sinnvoll ist.

Zusätzlich zur Standardliteratur wurden veröffentlichte und geeignete klinische Studien ausgewertet, um die Aktualität der Bewertung sicherzustellen. Diese „Primärliteratur“ konnte aber nur dann genutzt werden, wenn die Studien in anerkannten medizinischen Zeitschriften veröffentlicht wurden, in denen vor der Veröffentlichung ein Expertengremium (Review Board) die Qualität der Publikation geprüft hat.

Wirksamkeitsnachweis

Der Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit eines Präparats gilt in klinischen Studien dann als erbracht, wenn mehrere Institutionen unabhängig voneinander unter wissenschaftlich anerkannten und reproduzierbaren Bedingungen in kontrollierten Studien zu gleichartigen Ergebnissen gelangt sind. Klinische Studien, die zur Bewertung herangezogen werden, müssen

  • prospektiv,
  • randomisiert,
  • kontrolliert,
  • mit vorab definierten und
  • der Fragestellung angemessenen Endpunkten sowie
  • mit einer adäquaten statistischen Auswertung versehen sein.

Dabei bedeutet prospektiv, dass die Studien als Verlaufsstudien „in die Zukunft“ hinein durchgeführt werden, und randomisiert, dass die Patienten den Behandlungsgruppen nach dem Zufallsprinzip zugeteilt werden müssen.

Kontrollierte Studien sind Untersuchungen, in denen eine Patientengruppe das neu zu prüfende Arzneimittel (Verum) erhält und weitere Patientengruppen ein bereits lange in seinem Nutzen bestätigtes, gleichartig wirkendes Mittel (Standard) oder ein wirkstofffreies Scheinmedikament (Plazebo). Aus den Unterschieden der therapeutischen Effekte – sowohl bezüglich der erwünschten als auch der unerwünschten Wirkungen – können dann die therapeutische Wirksamkeit, aber auch der Stellenwert des geprüften Mittels in der Therapie der Krankheit insgesamt bestimmt werden.

Doppelblindstudien

Prüfungen ohne Kontrollgruppe können bis auf wenige Ausnahmen – zum Beispiel wenn sich eine Plazebobehandlung aus ethischen Gründen verbietet – nicht als Nachweis einer therapeutischen Wirksamkeit anerkannt werden. Eine besonders sichere Basis zur Bewertung bieten Doppelblindstudien, in denen zunächst weder die behandelnden Ärzte noch die Patienten wissen, ob ein wirkstoffhaltiges oder wirkstofffreies Mittel angewendet wird.

Die Fragestellung, die untersucht wird, muss therapeutisch relevant sein und vorab definiert werden. Möglicherweise werden im Studienverlauf positive Effekte erkennbar, die zu prüfen gar nicht beabsichtigt war. Diese können nachträglich nicht als durch die Studie nachgewiesen geltend gemacht werden.

Schließlich müssen auch noch die untersuchten Endpunkte der Studie der Fragestellung angemessen sein (zum Beispiel die Reduzierung der Sterblichkeit an definierten Folgeerkrankungen durch die Senkung des zu hohen Blutdrucks).

Statistik allein genügt nicht

Ein Wirksamkeitsnachweis kann auf der Basis der statistischen Auswertung als Aussage mit einer geringen, nach internationaler Übereinkunft festgelegten Irrtumswahrscheinlichkeit (weniger als 5 Prozent) formuliert werden. Statistisch gesicherte Ergebnisse von Effekten, deren medizinisch-therapeutischer Nutzen umstritten ist, können zum Nachweis einer therapeutischen Wirksamkeit nicht als ausreichend anerkannt werden. Die klinische Relevanz ist höher zu bewerten als die alleinige statistische Signifikanz.

Plazeboeffekt

Um die therapeutische Wirksamkeit eines Arzneimittels zu prüfen, werden so genannte randomisierte kontrollierte klinische Studien durchgeführt. In diesen werden die Testpersonen nach dem Zufallsprinzip auf zwei Gruppen verteilt: Die einen werden mit dem zu prüfenden Arzneistoff behandelt, die anderen bekommen ein Mittel, das sich von dem Medikament äußerlich nicht unterscheidet, aber keinen Wirkstoff enthält – ein Scheinmedikament (Plazebo).

Weder die Patienten noch die Ärzte wissen, wer das richtige und wer das Scheinmedikament erhält. Alles andere jedoch, was zur Behandlung dazugehört, ist bei beiden Gruppen gleich: die Art der Betreuung durch die Ärzte, die Zeit, die die Behandelnden aufwenden und so weiter. Erst wenn die Effekte der Therapie ermittelt und dokumentiert sind, wird aufgedeckt, wer den Arzneistoff und wer das Scheinmedikament bekommen hat.

Mit dieser Vorgehensweise soll geklärt werden, welcher Anteil der beschriebenen Effekte tatsächlich dem Arzneimittel zuzuschreiben ist und was auf dem Prozess des Behandelns an sich beruht. Schließlich kann bereits das Gefühl, behandelt zu werden, Beschwerden lindern, und die Hoffnung, dass nun alles besser wird, kann die Heilung vorantreiben. All dies gehört zu dem so genannten Plazeboeffekt; dieser ist also mehr als die Wirkung des Scheinmedikaments.

Das Ausmaß des Plazeboeffekts schwankt je nach Art der Krankheit und Anordnung der Studie erheblich. Er kann zwischen 20 und 70 Prozent liegen. Das bedeutet, dass manchmal 20 Prozent der Kranken nach einer Scheinbehandlung eine Besserung vermelden, manchmal sogar 70 Prozent. In ähnlicher Häufigkeit treten auch unerwünschte Wirkungen nach Plazebos auf

Kombinationspräparate

Arzneimittel mit mehreren Wirkstoffen (Kombinationspräparate) bieten im Vergleich zu solchen mit nur einem Wirkstoff (Monopräparate) nur selten Vorteile. Die Arzneimitteltherapie erfordert aber in der Regel die individuelle Dosierung einzelner Wirkstoffe. Für die Bewertung solcher fixen Kombinationen muss daher zunächst beurteilt werden, ob die Mischung der einzelnen Komponenten zweckmäßig ist. Wenn dieses Urteil nicht positiv ausfällt, erübrigt sich ein Wirksamkeitsnachweis, da die jeweilige Kombination grundsätzlich nicht als sinnvolles Arzneimittel anerkannt werden kann, gleich, in welchem Anwendungsbereich.

Für die Bewertung fixer Kombinationen haben sich international als Standard die so genannten Crout’schen Kriterien bewährt. (J. R. Crout war in den 70er Jahren Direktor der amerikanischen Zulassungsbehörde Food and Drug Administration.) Diese Kriterien tragen den Erfordernissen der praktischen Anwendung von Arzneimitteln Rechnung: Sie werden der Forderung nach Unbedenklichkeit und Sicherheit von Arzneimitteln ebenso gerecht wie dem Problem des Missbrauchs und der möglichen Vorteile im Hinblick auf die richtige Anwendung (Compliance).

Wenn zum Beispiel ältere Menschen im Verlauf eines Tages mehrere Wirkstoffe einnehmen müssen, kann es hilfreich sein, sie als Kombination zu verabreichen, um damit die Einnahme der notwendigen Arzneimittel zu vereinfachen. Die Crout’schen Kriterien beabsichtigen also keineswegs, jegliche Anwendung von fixen Kombinationspräparaten zu verhindern. Nach diesen Kriterien gilt die Kombination von Inhaltsstoffen in Arzneimitteln als sinnvoll, wenn nachgewiesen ist, dass

  • jeder einzelne Inhaltsstoff in Bezug auf das beanspruchte Anwendungsgebiet therapeutisch wirksam ist und
  • die Dosierung jedes einzelnen Inhaltsstoffs im Hinblick auf die Höchstdosierung, die Anwendungshäufigkeit und -dauer so bemessen ist, dass eine nennenswerte Patientenanzahl einer solchen fixen Kombination bedarf und sie wirksam und unbedenklich (im Sinne des Verhältnisses von Nutzen zu Risiko) ist, und
  • die zugefügten Inhaltsstoffe die Wirksamkeit und/oder Unbedenklichkeit des Hauptinhaltsstoffs erhöhen oder die Möglichkeit des Missbrauchs des Hauptinhaltsstoffs verringern oder
  • die fixe Kombination von Inhaltsstoffen einen größeren therapeutischen Effekt hervorruft oder größere Unbedenklichkeit bietet als jeder einzelne Inhaltsstoff für sich.

Crout´sche Kriterien

Diese Aspekte sind im deutschen Arzneimittelgesetz berücksichtigt. Die Crout’schen Kriterien wurden auch bei unseren Bewertungen angewendet, um Kombinationspräparate auf ihre zweckmäßige Zusammensetzung zu prüfen. Erst wenn das Ergebnis dieser Prüfung positiv war, kam die möglicherweise nachgewiesene Wirksamkeit des Mittels für die therapeutische Behandlung zum Tragen. Dass zum Beispiel eine Kombination aus zwei Schmerzwirkstoffen schmerzdämpfend wirkt, kann nicht erstaunen. Die Frage aber, ob es sinnvoll ist, diese Schmerzwirkstoffe zu kombinieren, muss über die Anwendung der Crout’schen Kriterien geprüft werden. Die Antwort spiegelt sich in den Bewertungen der einzelnen fixen Arzneimittelkombinationen wider.

Aus unserer Sicht gelten diese Kriterien für Präparate mit chemisch-synthetischen Wirkstoffen und Präparate mit pflanzlichen Extrakten gleichermaßen. Vor allem, wenn für einzelne Komponenten Negativurteile vorliegen, muss durch vergleichende klinische Studien nachgewiesen werden, dass die Kombination mit der negativ bewerteten Komponente ein therapeutisch besseres Ergebnis erzielt als eine Kombination ohne diese Komponente. Nur dann kann der therapeutische Wert der Kombination möglicherweise anerkannt werden.

Darüber hinaus gibt es bei Kombinationspräparaten noch eine Sichtweise, die auf pharmakologischen Sachverstand gründet. Der Aufbau einer Studie, die die therapeutische Wirksamkeit eines Mittels mit mehr als drei Wirkstoffen belegen soll, ist derart kompliziert, dass sie kaum je durchgeführt werden wird. Darum haben sich die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland darauf geeinigt, Kombinationspräparate mit mehr als drei Wirkstoffen als nicht verordnungsfähig anzusehen.

Unterschiede zu anderen Beurteilungen

Es ist denkbar, dass mit anderen Methoden und durch die Beschränkung auf die Zulassungsanforderungen des Arzneimittelgesetzes oder mit anderen Prüfkriterien sich auch andere Beurteilung ergeben als die hier nachlesbaren. Dies kann sich auch auf die Arbeit des deutschen Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte beziehen, das unter Betrachtung der Daten zu Einzelarzneimitteln Zulassungsentscheidungen trifft. Das Institut berücksichtigt vor allem den Nachweis der Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und pharmazeutischen Qualität sowie die Zweckmäßigkeit der Kombination bei einem einzelnen Arzneimittel (absoluter Nutzen). Es darf weder geprüft werden, ob dieses neue Mittel in Relation zum verfügbaren Markt aus therapeutischen Gründen überhaupt erforderlich ist, noch welchen Rang es unter den Alternativen einnimmt.

STIFTUNG WARENTEST und Verein für Konsumenteninformation berücksichtigen mit ihren Bewertungen aber auch die therapeutische Stellung der Arzneimittel bestimmter Indikationsbereiche zueinander (relativer Nutzen) und gehen damit über die Zulassungskriterien des Bundesinstituts hinaus, sind also strenger.

Für bestimmte Arzneimittelgruppen, so zum Beispiel für viele pflanzliche Mittel, liegen nur vereinzeltes Erfahrungswissen und andere kaum prüfbare Therapieberichte vor, die zudem in Zeitschriften unterschiedlicher Qualität veröffentlicht sind. Die von uns verwendete Methodik lässt dann kaum eine positive Bewertung dieser Mittel zu.

Bewertung gemäß Anwendungsgebiet

Es besteht der Grundsatz, dass jedes Produkt für das Anwendungsgebiet bewertet wird, für das es laut Herstellerangaben eingesetzt werden soll. Im Idealfall sollte es also so sein, dass die Bezeichnung der Krankheit oder Störung, die der Hersteller in der Packungsbeilage angibt, und die, unter der der Wirkstoff in dieser Datenbank abgehandelt wird, identisch sind. Leider sind – vor allem im Bereich der Mittel für die Selbstbehandlung – die Bezeichnungen der Hersteller keineswegs so präzise und eindeutig, wie es für eine klare Zuordnung notwendig wäre. So fassen die Hersteller ihre Indikationsansprüche zum Beispiel sehr weit. Wir haben versucht, diese Vielfalt in einer Ihnen – unserer Meinung nach – bekannten und einheitlichen Überschrift zusammenzufassen.

Darüber hinaus kommt es nicht selten vor, dass sich ein Hersteller – vielleicht aufgrund neuer Forschungsergebnisse – entscheidet, die Anwendungsgebiete seines Produkts neu zu formulieren. Dann können Präparate mit demselben Namen im Handel sein, die sich oft nur durch einen kleinen Zusatz unterscheiden, aber andere Anwendungsgebiete für sich beanspruchen und dementsprechend anders bewertet werden müssen.

Wenn in der Fachinformation einer Salbe mit Heparin steht: „Zur unterstützenden Behandlung bei akuten Schwellungszuständen nach stumpfen Traumen (zum Beispiel Zerrung, Prellung, Quetschung, Bluterguss, Verstauchung), oberflächlicher Venenentzündung, sofern diese nicht durch Kompression behandelt werden kann“, wird dieses Mittel sowohl im Abschnitt Bewegungsapparat bei „Verstauchung, Schwellung, Entzündungen“ als auch im Abschnitt Herz und Kreislauf bei „Venenerkrankungen“ besprochen und dafür bewertet. Nennt ein heparinhaltiges Produkt aber außerdem noch Frostschäden (zum Beispiel „Frostbeulen“) als Anwendungsgebiet, bleibt das unberücksichtigt, weil wir hierfür kein eigenes Anwendungsgebiet definiert haben.

Hilfsstoffe üblicherweise nicht bewertet

Hinweis: Bei der Bewertung wurden nur jene Inhaltsstoffe des Arzneimittels berücksichtigt, von denen eine therapeutische Wirksamkeit erwartet wird. Hilfsstoffe, wie sie zum Beispiel notwendig sind, um Tabletten herzustellen, gingen in die Bewertung nicht mit ein. Von dieser Regel gibt es eine Ausnahme: Augen- und Nasentropfen sind häufig mit Konservierungsmitteln versetzt. Produkte mit einem solchen Hilfsmittel wurden um eine Stufe abgewertet, wenn Konservierungsmittel an der Schleimhaut der Augen und Nase solche unerwünschten Wirkungen auslösen können, es aber Produkte gibt, die ohne einen solchen Zusatz auskommen.

Bewertungsstufen

Der Bewertung der hier aufgeführten Medikamente liegen vier Stufen zu Grunde.

  1. Geeignet für die Behandlung des jeweiligen Krankheitsbilds sind Mittel, deren therapeutische Wirksamkeit bei der betreffenden Indikation ausreichend nachgewiesen ist, die ein positives Nutzen-Risiko- Verhältnis und einen hohen Erprobungsgrad aufweisen. Der therapeutische Nutzen dieser Mittel ist hoch, sie gehören bei dieser Indikation zu den Standard-Therapeutika, soweit solche definiert werden können. Geeignet sind auch Mittel mit mehr als einem Wirkstoff, wenn sich die Wirkstoffe sinnvoll ergänzen.
  2. Auch geeignet sind Mittel, deren therapeutische Wirksamkeit ebenfalls nachgewiesen ist, die aber noch nicht so lange erprobt sind wie die als „geeignet“ bewerteten. In diese Kategorie fallen vor allem neue und weniger gut untersuchte Wirkstoffe. Mit der gleichen Bewertung wurden Arzneimittel versehen, die zum Beispiel Konservierungsstoffe enthalten, wenn allgemein die Überzeugung vorherrscht, dass Arzneimittel ohne Konservierungsstoffe die geeignete Alternative darstellen. Dies kann in ähnlicher Weise auch für andere Zusatzstoffe gelten. In diese Bewertungskategorie fallen auch Arzneimittel, die zwar noch immer als Standardpräparate gelten, in der Zwischenzeit aber von neuen, besser verträglichen Mitteln in ihrem Rang als Mittel der Wahl „abgelöst“ wurden.
  3. Mit Einschränkung geeignet sind Mittel, die zwar therapeutisch wirksam sind, aber im Vergleich zu Standard-Therapeutika ein höheres oder nicht gut einschätzbares Risiko bergen. Sie zählen daher nicht zu den Standardarzneimitteln bei den besprochenen Krankheitsbildern und werden nur unter bestimmten Bedingungen verwendet (zum Beispiel bei ganz bestimmten oder schwerwiegenden Krankheitskonstellationen). Mit dieser Bewertung werden auch jene Mittel belegt, für die nach den vorliegenden Studien die therapeutische Wirksamkeit noch nicht ausreichend nachgewiesen ist und bei denen weitere Studien erforderlich sind.
  4. Wenig geeignet sind Mittel, deren therapeutische Wirksamkeit nicht ausreichend belegt ist, die nicht ausreichend dosiert sind und/oder deren therapeutische Wirksamkeit im Verhältnis zu den Risiken zu gering ist, sodass die wahrscheinlichen Risiken mehr Gewicht haben als der mögliche Nutzen. Wenig geeignet sind darüber hinaus Mittel mit mehr als einem Wirkstoff, wenn sich die Wirkstoffe nicht sinnvoll ergänzen oder keinen oder keinen zusätzlichen therapeutischen Nutzen aufweisen.

Quelle: Handbuch Medikamente

Bewertungsschema

Hinweise zur Bewertung

Grundlage dieses Tests ist unser Handbuch "Medikamente: Vom Arzt verordnet" sowie das "Handbuch Rezeptfreie Medikamente" der Stiftung Warentest, für die ein Expertengremium die Eignung der Präparate auf Basis von Literaturrecherchen beurteilte.

Geeignet sind Mittel (Standardtherapeutika), deren therapeutische Wirksamkeit ausreichend nachgewiesen ist. Ihre Nutzen-Risiko-Abwägung fällt positiv aus. "Geeignet" sind auch Kombinationsmittel, deren Wirkstoffe sich sinnvoll ergänzen.

Auch geeignet sind Mittel, deren therapeutische Wirksamkeit ebenfalls nachgewiesen ist, die aber Konservierungsmittel enthalten oder noch nicht lange erprobt sind.

Mit Einschränkungen geeignet sind Mittel, die therapeutisch wirksam sind, aber im Vergleich zu Standardtherapeutika ein höheres oder nicht gut einschätzbares Risiko bergen.

Wenig geeignet sind Mittel, deren therapeutische Wirksmakeit nicht ausreichend belegt ist, die nicht ausreichend dosiert sind, deren therapeutische Wirksamkeit im Verhältnis zu den Risiken zu gering ist sowie Mittel mit mehr als einem Wirkstoff, deren Wirkstoffe sich nicht sinnvoll ergänzen oder keinen zusätzlichen therapeutischen Nutzen aufweisen.

 

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

Mundspülungen im Test premium

Mundspülungen im Test

Wir haben 14 Mundspüllösungen getestet, darunter auch drei Produkte, die für Kinder ausgelobt sind. Nicht alle Mundspüllösungen überzeugten.

Test: Universal-Zahnpasten premium

Test: Universal-Zahnpasten

13 von 18 Universal-Zahnpasten aus unserem aktuellen Test schneiden gut oder sogar sehr gut ab. Viele helfen auch gegen entzündetes und blutendes Zahnfleisch.

Sensitiv-Zahnpasten im Test premium

Sensitiv-Zahnpasten im Test

Sensitiv-Zahnpasten sollen schmerzempfindliche Zähne schonend pflegen. Weniger als ein Drittel der Produkte im Test schafft eine gute Bewertung.

Test: Kinderzahnpasta mit und ohne Fluorid premium

Test: Kinderzahnpasta mit und ohne Fluorid

Gute Zahnpasten für Kinder sind rar. Das zeigte unser Test 2022. Nun haben wir drei Produkte nachgetestet. Alle schneiden gut bzw. sehr gut ab und sind frei von Titandioxid.

Gefördert aus Mitteln des Sozialministeriums 

Sozialministerium

Zum Seitenanfang