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Georg Markus
Kainz |
Welches Ziel verfolgen Unternehmen mit der Einführung von Kundenkarten?
Der Greißler um die Ecke kannte seine Kunden noch persönlich und wusste um ihre Vorlieben und Ansprüche. Je größer und unpersönlicher die Handelsketten geworden sind, desto geringer wurde die Bindung des Kunden zum Händler. Mit den Kundenkarten soll die Entscheidung, wo eingekauft wird, beeinflusst werden. Durch ein Lock-in sollen Kunden bei austauschbaren Massenprodukten beeinflusst werden, einer Handelskette treu zu bleiben. Da ein Unternehmen einen Preiskampf bei allen Produkten auf Dauer nicht gewinnen kann, wird versucht, durch Rabatte nur an Kundenkartenbesitzer die Kunden an die jeweilige Kette zu binden. Ein günstigeres Produkt bei der Konkurrenz zu kaufen, würde bedeuten, den versprochenen Rabatt durch die Kundenkarte zu schmälern oder überhaupt zu verlieren.
Welchen Preis zahlen die Konsumenten, d.h. welche Nachteile haben Kundenkarten für Konsumenten?
Zunächst heißt es ja, dass wir mit unseren Daten bezahlen, weil jeder Kaufakt minutiös aufgezeichnet und auswertbar wird. Ein Kundenkarten-Nutzer muss sich bewusst sein, dass nicht nur jedes einzelne Produkt, das gekauft wird, ihm zugerechnet wird; auch der Zeitpunkt, wann er einkauft, um welche Uhrzeit und in welchen Filialen, gibt Einblick in seine persönlichen Lebensumstände. So hinterlässt ein Kunde, der immer um die gleiche Zeit in der gleichen Filiale einkaufen geht, ein anderes Bild als einer, der unregelmäßige Einkaufszeiten und unterschiedliche Filialen nutzt. Auch ein Blick auf die Höhe der einzelnen Einkäufe ist interessant, wenn am Monatsanfang größere Einkäufe getätigt und gegen Ende des Monats nur noch die lebensnotwendigen Produkte gekauft werden. Sind schon diese Informationen interessant, so gewinnen sie noch zusätzlich an Bedeutung, wenn sich mein individuelles Kaufverhalten ändert, da es ja einen Grund für die Änderung geben muss.
Worauf ist aus Sicht der Konsumenten zu achten, wo lauern die Gefahren, wenn persönliche Daten weitergegeben werden?
Je mehr Informationen wir über uns preisgeben, desto gläserner werden wir den Auswertern unserer Daten gegenüber. Unser individuelles Verhalten wird mit den Daten der anderen verglichen. Da die Analysen und Auswertungen ohne Rückfrage erfolgen, können wir auch nicht die Schlüsse, die aus unseren Daten gezogen werden, begründen oder rechtfertigen. Angeblich sollen die Daten ja genutzt werden, um die Angebote besser auf unsere Bedürfnisse zuzuschneiden – allein das bedeutet jedoch, dass nicht mehr wir es sind, die frei entscheiden, sondern dass jemand für uns vorentscheidet.
Was machen die Firmen mit den Daten?
Diese Frage können nur die Firmen selber beantworten. Besonders, warum sie immer mehr und immer detailliertere Daten sammeln wollen. Es werden immer wieder neue Ideen entwickelt, was man aus den bereits gewonnen Daten an Zusatznutzen erzielen kann. Problematisch ist, wenn immer mehr Datenquellen zusammen ausgewertet werden, ohne dass dem Konsumenten gegenüber erklärt wird, wozu seine Daten verwendet werden, wer sie noch erhält und mit welchen Informationen seine Daten verknüpft werden.
Was ist schlecht daran, wenn ich Werbung erhalte, die auf meine Wünsche zugeschnitten ist?
Gar nichts, jeder wünscht sich, nicht von dieser Masse an Werbung immer und überall überschüttet zu werden. Aber wenn das wirklich das Ziel wäre, könnte man die Kunden ja offen fragen, welche Werbung sie haben möchten. Das geschieht jedoch nicht, weil es ja dem Prinzip von Werbung widerspricht. Werbung soll ja neue Bedürfnisse wecken und neue Kunden ansprechen, die das Produkt noch nicht kennen. Hier nutzen meine Daten durch den Vergleich mit den Daten der anderen, um potentiell neue Kunden ausfindig zu machen oder neue Interessen bei mir zu wecken.
Und was ist mit der Weitergabe von Daten?
Daten an und für sich sind eine Handelsware wie jede andere auch und werden verkauft. Nicht umsonst gelten unsere Daten als das Öl des Informationszeitalters. Data Mining und Data Warehouse beschreiben den Umgang mit unseren Daten. Im Best Case werden die Daten nur statistisch komprimiert zur Marktanalyse oder zu Forschungszwecken verwendet. Je größer die Firmen werden, desto mehr Branchen werden von den einzelnen Konzernen bereits abgedeckt, ohne dass die Daten das Unternehmen verlassen müssen. Natürlich stehen die Daten nicht den Konkurrenten zur Verfügung – zu wichtig sind sie im Wettbewerb. Wie das Beispiel WhatsApp zeigt, kann ein Eigentümerwechsel die persönliche Entscheidung, einer bestimmten Firma die eigenen Daten bewusst nicht geben zu wollen, über den Haufen werfen.
Sind die Gesetze ausreichend?
Bei Daten muss man sehr genau unterscheiden, um welche Art von Daten es sich handelt. Bei personenbezogenen Daten gehen wir davon aus, dass eine Speicherung nur mit Zustimmung der betroffenen Person erfolgt und dass die Daten nur für den Zweck genutzt werden, zu dem sie generiert wurden.
Die reinen Kundendaten werden sicherlich auch entsprechend gehandhabt. Im Zuge der Digitalisierung entstehen jedoch immer mehr Daten sozusagen als Abfallprodukt, von denen der Betroffene noch nicht einmal weiß, dass sie vorhanden sind. Durch die gebetsmühlenartige Wiederholung von Aussagen wie „Daten sind das Öl des Informationszeitalters” geht immer mehr die Hemmung verloren, Daten weiter zu verwenden. Vermeintlich unbedeutende Daten ohne direkten Kundenbezug werden gesammelt. Durch die Entwicklung von BigData ist es jedoch relativ einfach, wieder einen Personenbezug herzustellen. Bewertungen, Analysen und Profiling passiert dann durch Analogieschlüsse. Anonyme Massendaten werden zur Einschätzung von Individuen herangezogen. Hierdurch kann man sehr hohe Wahrscheinlichkeiten errechnen – der einzelnen Person wird man jedoch nie gerecht.
Welche Daten dürfen weitergegeben werden?
Anonymisiert oder pseudonymisiert können alle Daten weitergegeben werden. Wobei die Weitergabe heutzutage gar nicht mehr das größte Problem darstellt. In Zeiten von BigData wird ja versucht, die unterschiedlichsten Datenbestände zu verbinden und auswertbar zu machen.
So versuchen Facebook und Google Now derzeit, die Online-Welt und unsere reale Welt zu verbinden. Es wird also versucht, unsere Spuren, die wir im Internet hinterlassen haben, mit dem Ort, wo ich mich gerade befinde, zu verbinden. Unter anderem, um Werbung, die ich online gesehen habe, höher verrechnen zu können, wenn nachgewiesen werden kann, dass ich das Produkt im Geschäft gekauft habe – was natürlich nur möglich ist, wenn ich in beiden Sphären identifiziert bin.
Sind Kundenkarten per se „gefährlich“ oder gibt es Situationen, in denen sie auch Vorteile bringen?
Nein, das sind sie natürlich nicht. Jeder von uns muss persönlich entscheiden, wie viel Information er bereit ist, preiszugeben, und was der jeweilige Nutzen ist, der mit der Datenweitergabe durch die Kundenkarte verbunden ist. Hier sollte man schon beim Ausfüllen der Anmeldung überlegen: Welche Daten werden erfragt, und ist diese Information für meine Einkauf notwendig. Ist die Kundenkarte mit einer Handy-App verknüpft, gebe ich nicht nur meine Shopping-Informationen weiter, sondern im Zweifel weit tiefere Einblicke in meinen Tagesablauf und mein Bewegungsprofil.
Bedenklich ist, wenn Unternehmen die Kunden, die nicht bereit sind, alles über sich preiszugeben, durch höhere Preise bestrafen, es aber jenseits dieses Bonus-Malus-Systems keinerlei Nutzen für den Kunden durch die Kundenkarte gibt.