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Haarmineralanalyse im Test - Haarsträubend

  • Die Haarmineralanalyse ist keine empfehlenswerte Untersuchungsmethode
  • Angebotene Nahrungsergänzungsmittel sind teuer und unnötig
  • Gegebene Therapieempfehlungen sind eher schädlich als nützlich

Als zuverlässige Untersuchungsmethode wird die Haarmineralanalyse (HMA) von den Anbietern gerne verkauft. Eine Unterversorgung mit Mineralstoffen und Spurenelementen soll damit genauso nachweisbar sein wie Schadstoffbelastungen des Körpers. In Österreich haben Apotheker, Institute und Friseure das Geschäft mit den Haaren entdeckt und verlangen für eine Analyse bis zu 150 Euro.

Manche Anbieter werben auch mit der Weltgesundheitsbehörde (WHO), die das Verfahren angeblich zu Untersuchungszwecken empfiehlt. Das Institut für Mineralmedizin in Breitenfurt bei Wien behauptet gar, die Messung im Haar sei nützlicher als eine Blutuntersuchung. Die Traunstein-Apotheke im ober­österreichischen Gmunden lässt verlauten, dass die aus der Analyse ermittelten Werte mit den Ergebnissen Zehntausender anderer Analysen verglichen würden, somit statistisch erstellt und bestens abgesichert seien.

Umstrittene Methode

Tatsache ist, HMA wird zwar zum Nachweis von Drogenkonsum oder auch bestimmter Vergiftungen, etwa durch Quecksilber, eingesetzt, ob es allerdings weitergehende Rückschlüsse auf den Ernährungs- und Gesundheitszustand zulässt, ist zumindest umstritten. Wir wollten deshalb wissen, inwieweit das Verfahren als Untersuchungsmethode geeignet ist. Außerdem interessierte uns, welche Empfehlungen die Anbieter auf Basis der HMA zur Verbesserung bzw. Erhaltung des Gesundheitszustandes geben. Dazu schickten wir im Oktober vergangenen Jahres Haarproben zweier gesunder Testpersonen im Alter von 30 und 48 Jahren an fünf verschiedene Anbieter in Österreich, darunter drei Apotheken (Traunstein-Apotheke/Gmunden, Schutzengel Apotheke/Ebensee, Apotheke zum Großen Gott/Innsbruck), ein Institut (Institut für Mineralmedizin/Breitenfurt) und einen Haarsalon (Salon Madame/Wörgl). Als Begründung gaben unsere Tester an, dass sie gerne einen Gesundheitscheck machen lassen wollten.

Haarprobe und Fragebogen

Die Proben der Tester stammten jeweils von einem Haarschnitt. Dabei wurde da­rauf geachtet, dass die Haare – wie in den Anleitungen der jeweiligen Anbieter beschrieben – nur im Hinterkopfbereich und möglichst nahe an der Kopfhaut entnommen wurden. Die Haare jedes Probanden wurden zudem sorgfältig durchmischt, um sicherzustellen, dass jeder Anbieter einen annähernd identischen Haarmix von jeder Testperson erhielt. Die von den Anbietern ausgegebenen Fragebögen zu persönlichen Angaben, Krankheiten, Befindlichkeitsstörungen, Ernährungsgewohnheiten sowie Lebensstil wurden wahrheitsgemäß beantwortet. Jede Testperson ließ zudem zur Kontrolle zeitnah zur Haarentnahme eine Blutuntersuchung in einem zertifizierten Labor vornehmen.
 

    

Blut- und Haarproben werden genommen

 
 Unser Tester bei der Haarprobenentnahme

Analysedauer 3 bis 12 Wochen  

Einige Wochen später lagen die Ergeb-nisse sämtlicher Anbieter vor. Drei davon (Institut für Mineralmedizin, Schutzengel Apotheke und Traunstein-Apotheke) hielten sich an die angegebenen Bearbeitungszeiten. Bei der Apotheke zum Großen Gott dauerte es rund 7, beim Salon Madame rund 12 Wochen, bis die Ergebnisse vorlagen. Die zugestellten Unterlagen enthielten neben den Analysewerten (je nach Anbieter wurden zwischen 30 und 40 verschiedene Substanzen untersucht) eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse, Empfehlungen zur Verbesserung des Vitamin- und Mineralstoffhaushalts sowie mehr oder weniger umfangreiche allgemeine Informationen zu einzelnen Mineralstoffen bzw. Spurenelementen. Die Kosten für die Analysen beliefen sich im günstigsten Fall (Apotheke zum Großen Gott) auf 109, im teuersten (Salon Madame) auf 150 Euro.

Uneinheitliche Referenzwerte

Bereits ein Vergleich der von den Anbietern genannten Normalwerte zu verschiedenen Mineralstoffen und Spurenelementen lässt Zweifel an der Seriosität der HMA aufkommen. Die Minima und Maxima sind teilweise höchst unterschiedlich. Bei Barium etwa liegt der von Schutzengel- und Traunstein-Apotheke angegebene Wert um das 300-fache über dem von der Apotheke zum Grossen Gott genannten. Auch bei Arsen, Bor, Chrom, Kobalt, Lithium, Molybdän oder Silber treten größere Differenzen auf.

Die uneinheitlichen Referenzwerte haben nicht unbeträchtliche Konsequenzen für die vorgeschlagene Therapie. So gibt das Institut für Mineralmedizin (IfM) beim Blei einen Grenzwert von 1,0 Mikrogramm/Gramm an. Da laut IfM bei Testperson 2 ein Bleiwert von 1,1 Mikrogramm/Gramm vorliegt, wird eine Ausleitung bzw. Entgiftung für 166,50 Euro empfohlen. Obwohl der Messwert bei Salon Madame 1,41 Mikrogramm Blei pro Gramm beträgt und somit deutlich über dem Wert des IfM liegt, wird keine Bleientgiftung empfohlen – im Salon Madame setzt man den Bleigrenzwert mit 3,3 Mikrogramm pro Gramm an.

Haarsträubende Ergebnisse

Doch nicht nur die Referenzwerte sind zweifelhaft. Zur Erinnerung: Da wir von ­jeder Testperson einen einigermaßen homogenen Haarmix eingeschickt hatten, wären auch bei jedem Tester zumindest annähernd vergleichbare Ergebnisse zu ­erwarten gewesen. Dies ist jedoch nicht nur im oben genannten Beispiel nicht der Fall: Bei Testperson 1 kam die Apotheke zum Großen Gott auf einen sechs Mal ­höheren Bleiwert als das Institut für Mineral­medizin. Beim Quecksilberwert lieferte die Apotheke zum Großen Gott ­einen ­ungefähr doppelt so hohen Wert wie die anderen Anbieter. Auch die Analysen zu Kalium oder Natrium fallen hier durch deutliche Diskrepanzen auf.

Gefährliche Therapieempfehlungen

Die genannten Ungereimtheiten zeigen, dass es keineswegs unproblematisch ist, sich auf eine Haarmineralanalyse zu verlassen. Dieser Eindruck verdichtet sich noch, vergleicht man die HMA-Daten mit den Blutwerten aus dem Labor. Beispiel Zink: Bei Testperson 2 ergab die Blut­untersuchung einen leicht erhöhten Wert. Die Apotheke zum Großen Gott attestierte jedoch aufgrund der Haaranalyse einen Zinkmangel und empfahl, ein Zinkpräparat einzunehmen. Ist diese Empfehlung aus der (falschen) Diagnose heraus zumindest noch nachvollziehbar, entbehren andere Therapievorschläge jeglicher Logik. So ­raten drei Anbieter (Institut für Mineral­medizin, Schutzengel- und Traunstein-Apotheke) unserer Testperson 1 trotz hohen Selenspiegels zu einem selenhaltigen Nahrungsergänzungsmittel. Der Salon Madame legt beiden Testpersonen die Einnahme des kalzium- und magnesiumhaltigen „Dolomitenpulvers“ (Dolomit S Original Dolpes) nahe, obwohl die Haaranalyse für beide Mineralien bei beiden Testern normale Werte ergeben hatte.

"Zu mühsam und zu aufwendig"

Das Vorgehen im Salon Madame erscheint uns ohnehin kurios und eigenwillig. Der Salon lässt die Haarmineralanalyse beim Schweizer Unternehmen Analyse Center Schaffhausen (ACS) ausführen. ACS empfiehlt auf Grundlage der Analyse, verschiedene Nahrungsergänzungspräparate einzunehmen, und gibt dazu seitenweise Empfehlungen ab. Salon Madame wischt diese in einem der Analyse beigelegten Begleitschreiben einfach vom Tisch. Die ACS-Empfehlungen seien „zu mühsam und zu aufwendig, da man viele verschiedene Nahrungsergänzungen zu sich nehmen sollte“, schreibt Salon Madame. Anstelle der von ACS vorgeschlagenen Produkte empfiehlt Salon Madame beiden Testern Vitaminpräparate von Juice Plus, über deren zweifelhaften Nutzen wir bereits einmal berichteten (siehe „Konsument“ 3/2005). Völlig unklar bleibt, warum eine aufwendige und teure Haaranalyse überhaupt notwendig ist, wenn danach offenkundig Standardempfehlungen gegeben werden.

Zuviel des Guten

Doch nicht nur der Salon Madame nimmt es bei der Nahrungsergänzung nicht sonderlich genau. Die meisten Empfehlungen überschreiten die Referenzwerte der deutsch-österreichisch-schweizerischen Ernährungsgesellschaften (DACH) teilweise erheblich. Vereinzelt werden sogar die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) aufgestellten gesundheitsbedenklichen Obergrenzen (Tolerable Upper Intake Level) überschritten. Würde unser Tester 1 etwa den Empfehlungen der Schutzengel Apotheke folgen, würde er alleine durch Nahrungsergänzungspräparate pro Tag 4.139 Milligramm Kalzium, 566,8 Milligramm Magnesium und 35 Milligramm Zink zu sich nehmen. Die EFSA weist jedoch 1.000 Milligramm Kalzium, 350 Milligramm Magnesium und 10 Milligramm Zink als tägliche Obergrenze aus, mehr ist gesundheitsschädlich. Ebenfalls problematisch sind die Empfehlungen von Schutzengel- und Traunstein-Apotheke zu Vitamin A. Hier wird die Obergrenze bei beiden Testper­sonen um bis zu 460 Prozent überschritten.

Ein teurer Spaß

Ergebnis: Die Haarmineralanalyse kann nicht als allgemeine Untersuchungs­methode empfohlen werden. Die Beratung der Anbieter ist inakzeptabel. Die empfohlenen Nahrungsergänzungsmittel sind teilweise gesundheitlich bedenklich und für den Geldbeutel belastend. Würden ­unsere Tester den Empfehlungen der getesteten Anbieter folgen, müssten sie zwischen 30 und gut 100 Euro pro Monat berappen – fürwahr ein teurer Spaß.

Kompetent mit "Konsument"

Kompetent mit "Konsument"

  • Haaranalyse: Die Haarmineralstoffanalyse ist als allgemeine Untersuchungsmethode nicht zu empfehlen. Das Verfahren ist nicht geeignet, um den Mineralhaushalt des Organismus zu bestimmen. Ein gesundheitliches Risiko bzw. die Ursachen von Beschwerden und Krankheiten lässt sich damit nicht abklären.
  • Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung sichert die ausreichende Versorgung des Körpers mit Mineralstoffen und Spurenelementen. Eine zusätzliche Zufuhr essentieller Stoffe über Nahrungsergänzungsmittel ist dann nicht mehr nötig bzw. kann sogar schädlich sein.
  • Arzt: Bei chronischer Müdigkeit, Abgeschlagenheit bzw. Erschöpfungszuständen sollte immer ein Arzt konsultiert werden. Für eine gezielte Behandlung der Beschwerden ist eine sachkundige Erhebung der Krankheitsgeschichte unabdingbar.

Anbieter

Anbieter 

Apotheke zum Großen Gott
Haaranalysenzentrum 
Schneeburggasse 71 b
A-6020 Innsbruck
Tel. 0512 28 76 60
http://members.chello.at/haaranalyse

Traunstein-Apotheke Gmunden (bietet den Service nicht mehr an, Stand 11/2022)
Mag. pharm. Max Wastlbauer & Co. KG
Druckereistraße 12
A-4810 Gmunden
Tel. 07612 730 83

Institut für Mineralmedizin
Paul-Petersgasse 2
A-2384 Breitenfurt
Tel. 02239 31 71
www.mineralmedizin.at/index1.asp

Salon Madame
Kutzelnig KEG
Bahnhofstraße 19
A-6300 Wörgl
Tel. 05332 723 36
www.haarologe.at/index.htm

Schutzengel Apotheke
Kirchengasse 1
A-4802 Ebensee
Tel. 06133 52 32
www.schutzengel.co.at

Testkriterien

Testkriterien 

Getestet wurden 5 Einrichtungen in Österreich, die eine Haarmineralstoffanalyse anbieten und dabei keinen persönlichen Besuch zur Probenentnahme vorschreiben.

Haarprobe. Zwei Testpersonen (beide männlich mit gesundem Lebensstil und gesunder Ernährung) ließen sich beim Friseur Haarproben entnehmen. Die Haarentnahme erfolgte gemäß den von den Anbietern vorgeschriebenen Kriterien. Die Haarprobe jedes Testers wurde durchmischt. Daraus wurden je 5 Einzelproben entnommen und an die Institute verschickt.

Blutuntersuchung. Beide Testpersonen ließen in derselben Woche der Haarproben-Entnahme eine Blutuntersuchung vornehmen. Neben den Routinewerten (z.B. Blutbild, Nierenwerte, Leberwerte etc.) wurden dabei analog zur HMA zahlreiche Mineralstoffe und Spurenelemente sowie Schwermetalle bestimmt. Beide Testpersonen erwiesen sich aufgrund der Blutuntersuchung als gesund.

Haaranalyse.

  • Ergebnisvergleich der Haar-Laborbefunde untereinander
  • Ergebnisvergleich der Haarmineralanalysen mit den Ergebnissen der Blutuntersuchung
  • Therapievorschläge der unterschiedlichen Labors
  • Kosten der Analyse und der Therapievorschläge
  • Dauer bzw. Einhaltung der Termine (Verschickung, Analyse, Befunde)
  • Beratung

Darüber hinaus wurden die Therapieempfehlungen der Anbieter von Ernährungsexpertinnen hinsichtlich der empfohlenen Tagesdosis einzelner Stoffe begutachtet und analysiert.

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