Selbst vorsichtigste Fahrer sind davor nicht gefeit: Ein kleiner Moment der Unachtsamkeit, Glatteis auf der Fahrbahn oder ein abrupt abbremsender Vordermann – schon kracht es. Im günstigeren Fall lassen sich die Schäden am „gegnerischen“ Fahrzeug oder an einem Gartenzaun mit ein paar Hundert Euro aus der Welt räumen. Weil heute aber auch vermeintlich kleine „Buserer“ oft größere Arbeiten erfordern, liegen die Schadenssummen häufig im Tausenderbereich und aufwärts. Wenn noch dazu Personen verletzt wurden, können die Entschädigungszahlungen existenzbedrohende Ausmaße annehmen. Um dem vorzubeugen und vor allem um sicherzustellen, dass Geschädigte auch dann etwas erhalten, wenn sie von einem mittellosen Unglückslenker „abgeschossen“ wurden, muss jeder Fahrzeughalter eine Kfz-Haftpflichtversicherung abschließen. Ohne Versicherung keine Kennzeichen – so schreibt es das Gesetz vor. Versichert ist dann übrigens nicht nur derjenige, dem das Auto gehört, sondern auch jeder, der mit dessen Einverständnis damit fährt, den Lenker einweist oder im Auto sitzt. 6 Millionen Euro Mindest-Deckungssumme Der Mindest-Deckungsschutz liegt per Gesetz bei 6 Millionen Euro. Das heißt, wenn es kracht, haftet der Versicherer für Personenschäden mit mindestens 5 Millionen, für Sachschäden mit mindestens einer Million und für Vermögensschäden mit weiteren 60.000 Euro. Für das Gros der Versicherungsfälle reicht das. Allerdings werden die Unfallfolgen angeblich immer schwerwiegender; vor allem bei Massenkarambolagen oder schweren Unfällen mit Personenschäden ist die Obergrenze bald erreicht. Zählt man zu den statistisch wenigen Unglücksraben, die in einen derartigen Megacrash verwickelt werden, so kann das bittere Folgen haben: Geschädigte bekommen möglicherweise nicht den gesamten Schaden ersetzt, weil beim Unfalllenker nicht genug zu holen ist; und die Schädiger schlittern so vielleicht ins finanzielle Nichts, weil sie über die Deckungssumme hinaus mit ihrem gesamten Hab und Gut haften. Alle Versicherer bieten mittlerweile höhere Deckungssummen an, meist mit vergleichsweise geringen Auswirkungen auf die Prämie.
Kfz-Haftpflicht - Einen Gang zurück
Offizielle und anonyme Anfragen
Nachdem sich die Prämien für Kfz-Haftpflicht-Neuabschlüsse in den letzten Jahren auf relativ konstantem Niveau gehalten hatten, war für das vergangene Jahr eigentlich mit einem Ansteigen gerechnet worden. Um herauszufinden, was sich getan hat, haben wir auf unsere bewährten Testmodelle (Frau – 50 Jahre – VW Golf, Mann – 40 Jahre – VW Golf, Mann – 40 Jahre – Renault Espace) zurückgegriffen und uns die Tarife in den Stufen 00 und 09 angesehen. Neben den offiziellen Anfragen wurden wie immer anonyme Angebote eingeholt – per E-Mail-Anfrage, über den Online-Prämienrechner oder durch direkte Vorsprache in einer Geschäftsstelle.
Erklärungsbedürftige Abweichungen
Die verdeckt erhobenen Angebote deckten sich nicht in allen Fällen mit den offiziell eingeholten. Wir haben bei jenen Versicherern, wo es zu stärkeren Abweichungen kam, nach dem Grund gefragt: Einmal wurde uns bei der anonymen Erhebung eine zu hohe Prämie genannt. Der Versicherer bestätigte uns dann, dass der günstigere Betrag der richtige sei. Einem anderen war ein Tippfehler unterlaufen, ein Dritter hatte im Stress auf die Einrechnung der Standardrabatte vergessen.
Ein Anbieter verwies darauf, dass von den Online- Vergleichsrechnern mitunter nicht alle möglichen (Sonder-)Konditionen berücksichtigt werden; und zwei Versicherer wurden aus dem österreichweiten Vergleich herausgenommen, weil sie ihre Tarife nur im jeweiligen Bundesland anbieten.
Irren ist menschlich
Irren ist natürlich menschlich, aber trotzdem: Das ergibt beim Vergleichen eine schwierige Ausgangssituation für den Kunden, wenn es schon manchen Versicherern schwerfällt, auf ein und dieselbe Anfrage zwei übereinstimmende Angebote vorzulegen. Und es legt den Schluss nahe, dass man doch am besten direkt bei den Versicherern beharrlich nachfragen und Sonderkonditionen aushandeln sollte.
Klare Angaben
Dafür stimmten die Rahmenbedingungen: Alle offiziell teilnehmenden Versicherer meldeten sich auch auf unsere anonymen Anfragen hin, und die Angebote waren insgesamt sehr klar dargestellt. Unterschiede gibt es bei der Qualität der Homepages: Manche enthalten sehr umfangreiche, gut aufbereitete Infos, andere Anbieter setzen eher auf Minimalismus. Und noch immer geben Versicherer die Versicherungsbedingungen, die eigentliche Vertragsgrundlage, nur selten von sich aus an Interessenten weiter. Daher hier unbedingt „nachbohren“!
Zusatzversicherungen angeboten
Vereinzelt wurden andere Versicherungen mit angeboten, wobei Kasko-, Insassenunfall- und Kfz-Rechtsschutz sicherlich noch naheliegender sind als die gleichzeitig offerierte Lebensversicherung. Sie werden oft mit der Gewährung eines zusätzlichen Rabattes oder einer besseren Einstufung in der Kfz-Haftpflicht angeboten. Wenn Sie ohnedies eine Kaskoversicherung abschließen wollten, ist das eine Überlegung wert. Andernfalls lassen Sie sich besser nicht zum Abschluss von Versicherungen verleiten, die Sie gar nicht wirklich brauchen!
Nur wer vergleicht, fährt günstig
Was die Höhe der Prämien angeht, so gibt es eine für Neukunden erfreuliche Nachricht: Wider alle Erwartungen sind die durchschnittlichen Tarife für Neuabschlüsse seit unserem letzten Test im Vorjahr nicht gestiegen. Im Gegenteil: Bei der Stufe 09 sind sie seit dem vorigen Jahr im Durchschnitt um rund 2 Prozent zurückgegangen, für Neuabschlüsse der Stufe 00 sogar um bis zu 3,5 Prozent. Das betrifft wohlgemerkt nur unsere Testmodelle und kann nicht als Trend auf den gesamten Kfz-Versicherungsmarkt umgelegt werden. Geht man nach Aussagen aus der Branche, ist das aktuelle Prämienniveau im langjährigen Vergleich aber in jedem Fall günstig für Neuabschlüsse.
Aufgrund der Finanzkrise würde sich der ohnehin schon harte Kampf um Marktanteile bei den Kfz-Versicherern fortsetzen. Je schwieriger Kredite zur Autofinanzierung zu haben seien, desto eher sei auch ein Rückgang bei den Kfz-Zulassungen zu befürchten, heißt es. Das damit verbundene Schrumpfen des Kfz-Versicherungsmarktes könnte zu mehr Wettbewerb und letztlich zu noch günstigeren Tarifen führen.
Hohe Prämie heißt nicht mehr Leistung
Aber nicht alle machen bei dem Abwärtstrend mit. Denn auch das hat unsere Erhebung ergeben: Die Schere zwischen günstigen und teuren Tarifen ist noch weiter auseinandergegangen. Während die einen Versicherer mit niedrigen Prämien um Kunden kämpfen, setzen andere auf eine „Qualitätsoffensive im Wettbewerb, um sich von den Konkurrenten abzuheben“, etwa mittels spezieller Zusatzleistungen und Assistancepakete. Aber Achtung: Eine hohe Prämie bedeutet nicht automatisch mehr Leistung! Sehen Sie sich immer genau an, was enthalten ist, und vergleichen Sie mit günstigeren Angeboten. Hilfreich kann dabei ein unabhängiger Versicherungsberater sein, der im Idealfall das für Sie beste Angebot auf dem Markt heraussucht. Wertvolle Informationen zur Auswahl bieten auch Online-Vergleichsrechner wie jener des VKI.
Versicherung nicht Hals über Kopf wechseln
Die Wiener Städtische bietet allen Neukunden, die ihr altes Auto zum Shreddern bringen, gegen Vorlage der Verschrottungsbestätigung eine Gutschrift von sechs Monatsprämien bei Abschluss eines Neuwagen- Versicherungsvertrages. Der Rest der Branche wartet erst einmal ab, bis die Verschrottungsprämie ins Laufen kommt. Doch es muss nicht gleich ein neues Auto sein – ein Wechsel des Versicherers könnte sich jetzt auch bei einem Gebrauchtwagen lohnen. Kündigen Sie aber nicht Hals über Kopf, sobald Sie eine günstige Prämie entdeckt haben, sondern vergewissern Sie sich erst, ob der Anbieter Sie überhaupt „mag“. Begehrt sind Bonus-Fahrer; bei ausgesprochenen Bruchpiloten, jüngeren oder schon sehr reifen Fahrern wird nicht selten auch einmal dankend abgewunken.
Deckungsumfang
Der Versicherungsschutz erstreckt sich zwar auf Europa im geografischen Sinn; im Ausland, auch in EU-Ländern, können Deckungsumfang und Versicherungssummen der jeweiligen Kfz-Haftpflichtversicherungen aber niedriger sein. In Österreich können Geschädigte jedenfalls folgende Kosten beim Versicherer geltend machen:
- bei Sachschäden die Kosten für die Reparatur des Autos, Abschleppkosten bis zur Werkstatt, Taxikosten;
- bei irreparablem Schaden den Ersatz der Autobahnvignette sowie die Kosten für Radioumbau und Anmeldung des Ersatzfahrzeugs;
- bei Personenschäden Schmerzensgeld, Verdienstentgang, Begräbniskosten und Unterhaltsansprüche von Hinterbliebenen.
Jährlich zahlen!
Auch wenn es in die Haushaltskasse ein ordentliches Loch reißt: Versuchen Sie, die Prämie gleich auf einmal zu zahlen. Die Aufteilung auf mehrere Teilbeträge pro Jahr kommt viel teurer! Unter anderem, weil die motor- bezogene Versicherungssteuer vom Finanzamt jährlich im Voraus verrechnet wird. Deshalb fallen bei halbjährlicher Zahlung 6 Prozent, bei vierteljährlicher 8 Prozent und bei monatlicher 10 Prozent Zuschlag an! Bei unseren Modellpolizzen machten im Extremfall die Mehrkosten fast 67 Euro pro Jahr aus! Auch die Versicherungsprämien selbst sind als im Voraus zu begleichende Jahresprämien gestaltet und können bei unterjähriger Zahlung Zusatzkosten verursachen. Falls es Ihnen schwerfällt, das Geld für eine Einmalzahlung zusammenzuhalten, legen Sie ein täglich fälliges Sparbuch an, auf dem Sie für das nächste Versicherungsjahr ansparen.
... und tschüss!
Falls Sie nach einem Blick auf unsere Vergleichstabellen den Eindruck gewonnen haben, dass Sie deutlich zu viel zahlen, so nutzen Sie die Gunst der Stunde und fassen Sie einen Wechsel ins Auge. Wann Sie die Versicherung kündigen können:
Zusammenfassung
Testkriterien
Wir haben für drei Modelle (VW Golf TDI, 66 kW, 5 Sitzplätze, Neuwagen, Frau, 50 Jahre, Wohnort Wien, 15.000 km/Jahr, alleinige Lenkerin; VW Golf TDI, 77 kW, 5 Sitzplätze, Neuwagen, Mann, 40 Jahre, Wohnort Wien, 20.000 km/Jahr, alleiniger Lenker; Renault Grand Espace, 125 kW, 7 Sitzplätze, Neuwagen, Mann, 40 Jahre, Wohnort Wien, 15.000 km/Jahr, alleiniger Lenker) die Prämien für einen Neuabschluss in den Stufen 09, 00 seit 1 Jahr und 00 seit 10 Jahren für die gesetzliche Mindestversicherungssumme von 6 Mio. Euro bei jährlicher Zahlungsweise erfragt.
Einige Versicherer nahmen aus unterschiedlichen Gründen am Vergleich nicht teil (Regionalversicherer, Vertrieb hauptsächlich über Autohäuser oder Autofahrerclubs). Wienerstaedtische-24 und Zurich Connect sind die Online-Vertriebsschienen von Wiener Städtischer und Zürich und wurden mitgetestet, da sie eigene Produkte anbieten. Prämien und Leistungen haben wir in einer offiziellen Anfrage bei den Versicherern direkt abgefragt. Weiters haben wir für ein Modell anonyme Angebote über E-Mail, Besuch einer Geschäftsstelle oder den Prämienrechner auf der Homepage eingeholt. Für die Bewertung wurden die offiziellen Angaben über die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung gültigen Prämien herangezogen.
Unter „Leistungen und Tarifbesonderheiten“ haben wir die Leistungen Versicherungssumme, Schalterpolizze, Freischadenbonus oder andere zusätzliche Bonuseinstufungen und die Annahmerichtlinien bewertet. Die Versicherungssumme wurde nach Bandbreite (sehr gut – große Bandbreite über 10 Mio. Euro, durchschnittlich – mittlere Bandbreite bis einschließlich 10 Mio. Euro, nicht zufriedenstellend – geringe Bandbreite unter 10 Mio. Euro) und Zuschlägen für eine Summe von 10 Mio. Euro (sehr gut – Zuschlag bis 2,99 %, durchschnittlich – Zuschläge von 3 bis 5,99 %, nicht zufriedenstellend – Zuschläge über 6 %) bewertet.
Für die Schalterpolizze wurde, wenn angeboten, mit „sehr gut“ gewertet, andernfalls gab es ein „nicht zufriedenstellend“. Der Freischaden oder eine zusätzliche Bonuseinstufung wurde, wenn ohne Mehrprämie angeboten, als „sehr gut“, ein Angebot gegen Mehrprämie mit „durchschnittlich“ und wenn gar nicht angeboten als „nicht zufriedenstellend“ bewertet. Die Annahmerichtlinien wurden nach zwei Teilbereichen bewertet: Zu 70 % floss die Annahme junger Fahrer und zu 30 % der Ausschluss sonstiger Personen- oder Fahrzeuggruppen in das Urteil ein. Dabei wurde mit „sehr gut“ bewertet, wenn es keine Einschränkungen gibt, mit „durchschnittlich“ bei einigen Einschränkungen und mit „nicht zufriedenstellend“, wenn die Annahme stark eingeschränkt ist.
Unter „Informationsqualität“ wurden das anonyme Offert und der Informationsgehalt der Homepage bewertet. Beim Offert wurde bewertet, ob die Testkundin bei der anonymen Erhebung ein Angebot bekommen hatte. Weiters wurde bewertet, ob bei einem Angebot die einzelnen Prämienbestandteile (Prämie und motorbezogene Versicherungssteuer) klar angegeben waren, ob die Grunddaten (Prämienstufe, kW und Versicherungssumme) wiederholt wurden, um Fehler zu vermeiden, und ob die AVB (Allgemeine Versicherungsbedingungen) mitgeschickt wurden. Beim Informationsgehalt der Homepage flossen die Verfügbarkeit von Prämienrechner, Schadenformular und AVB sowie allgemeine Informationen zur Kfz-Haftpflicht in die Bewertung mit ein.
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