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CD-Kopierschutz - Schikanen für Ehrliche

Der Kopierschutz auf Musik-CDs führt zur Verärgerung von Konsumenten – die Industrie stellt sich taub.

Gefängnis ist keine Antwort

Michael Jackson erklärte sich beredt „sprachlos“. Und zwar angesichts des Vorschlags, „zumeist jugendliche Musikfans ins Gefängnis zu stecken, nur weil sie Musik aus dem Internet heruntergeladen haben“. Es sei zwar „falsch“, Musik illegal herunterzuladen, „doch das Gefängnis kann darauf nicht die Antwort sein“. Schließlich seien es die Fans, die das Musikgeschäft zum Erfolg machten.

Dass nun eine ehemalige Symbolfigur des Musikgeschäfts die Hand beißt, die sie füttert(e), kann in mehrerer Hinsicht als symptomatisch gesehen werden: Michael Jacksons letzte CD „Invincible“ verkaufte sich für seine Verhältnisse katastrophal. Und dass er und weitere Mega-Stars wie Madonna nur mehr Bruchteile früherer Erlöse erzielen, wird dem „Schwarzbrennen“ von CDs angelastet.

US-Antrag: Download als Verbrechen

Als vorläufig letzten Akt einer immer grotesker werdenden Krise zwischen der Musikindustrie und ihrer Kundschaft hatten im Juli auf Initiative der RIAA (Recording Industry Association of America), der Dachorganisation der amerikanischen Musikindustrie, Abgeordnete einen Gesetzesentwurf in das US-Repräsentantenhaus eingebracht, demzufolge das ungesetzliche Herunterladen urheberrechtlich geschützten Materials künftig als Verbrechen gewertet werden soll und somit auch Gefängnisstrafen nach sich ziehen könnte.

Keinen Muckser

Die Musikindustrie sieht sich in ihrer Existenz bedroht. 2002 wurden, so rechnet Franz Medwenitsch, Geschäftsführer des Verbandes der Österreichischen Musikwirtschaft (IFPI Austria) vor, hier zu Lande mehr CD-Rohlinge mit Musik gebrannt (24 Millionen) als Originale über den Handel verkauft (19 Millionen). Aber auch für die CD-Käufer setzt es Frust. Denn das, was die Musikindustrie statt Jammern eigentlich von sich hören lassen sollte, nämlich die Musik, versagt sie ihren Kunden. CDs geben immer öfter keinen Muckser mehr von sich: nicht im Autoradio, nicht im portablen CD-Player, nicht im PC-Laufwerk, nicht im DVD-Player und bisweilen nicht einmal in einem ganz normalen CD-Player.

Probleme bis zur Totalverweigerung

Bei einer wachsenden Zahl von Musik-CDs gibt es auf verschiedenen Wiedergabegeräten (meist solche mit einem CD-ROM-Laufwerk) Probleme, die bis zur Totalverweigerung gehen: Zu verdanken ist das dem so genannten Kopierschutz, mit dem die Musikindustrie die private Vervielfältigung (und Weitergabe) von Musik zu verhindern versucht und mit dem sie in wachsender Anzahl CDs versieht, besonders natürlich potenzielle Bestseller (Ausnahmen in unserer Stichprobe: Madonna und die Rolling Stones). Je weniger verkaufsträchtig ein Produkt, desto eher wird (noch) auf die konsumentenfeindliche Hürde verzichtet. An die 10 bis 20 Prozent der CDs (Medwenitsch) auf dem österreichischen Markt sind mit Kopierschutz versehen – Tendenz steigend.

Besitz von Kopier-Software ist erlaubt

Den Kopierschutz auszuhebeln, ist nach einer neuen EU-Verordnung verboten (paradoxerweise aber nicht der Besitz der entsprechenden Software). Gleichzeitig ist jedoch Kopieren für den Privatgebrauch zulässig. Und nicht jede Kopie ist von krimineller Energie gespeist. Im Gegenteil: Meist wird kopiert, um das wertvolle – und ja auch nicht wirklich billige – Original nicht einer Party oder dem Autoradio auszusetzen. Wer hingegen aus wirklich unlauteren Gründen kopieren will, braucht zum Knacken der Sperre kaum mehr als die Gewandtheit eines Amateur-Hackers. Die durch den Kopierschutz verursachten Schwierigkeiten treffen also fast ausschließlich die ehrlichen Käufer. Die Industrie hat bisher allerdings keine Probleme bemerkt. IFPI-Geschäftsführer Medwenitsch schätzt: „Auf etwa 10.000 verkaufte Stück eines Top-Albums entfällt eine Beschwerde.“

Viele CDs sind unbrauchbar

Aus der Perspektive der „Konsument“-Redaktion sieht das Verhältnis deutlich anders aus: Uns erreichen nämlich regelmäßig Beschwerden, dass CDs im Autoradio nicht laufen bzw. sich keine Kopien auf Mini-Disc (etwa zum mobilen Einsatz in einem portablen Gerät) erstellen lassen. Herbert Grönemeyers „Mensch“ oder Nenas 20-Jahre-CD sind nicht nur in den Charts, sondern auch bei Beanstandungen Spitze. „Es gibt unterschiedliche Kopierschutzsysteme, die unterschiedlich agieren“, erklärt Gerhard Frey, Einkaufsmanager bei Cosmos. „Und diese beiden CDs haben einen besonders argen.“

Plattenfirmen putzen sich ab

Einer unserer Leser, der vergeblich versucht hatte, Grönemeyer auf Mini-Disc zu überspielen, konfrontierte die Plattenfirma EMI (die die Grönemeyer-CD herausbringt), Sony (den Hersteller des Mini-Disc-Walkman) und JVC (den Hersteller des Rekorders) mit dem Problem Un(über)spielbarkeit. Er erhielt keine Antwort. Er kann sich seither des Verdachts nicht erwehren, dass Kunden von der Industrie bei Unzufriedenheit einfach ignoriert werden. Oder einer das Problem auf den anderen abschiebt, wie Klaus Hofmann von Warner Bros. vorexerziert: „Grundsätzlich führt der Kopierschutz auf CD-ROM-Laufwerken zur Inkompatibilität. Aber das ist nicht unser Problem, sondern eines der Hardware-Hersteller.“

Trotzhaltung von Musik-Managern

Grundsätzlich scheint für die fünf großen Plattenfirmen BMG-Ariola, EMI, Sony, Universal und Warner Öffentlichkeitsarbeit ein Fremdwort zu sein. Anfragen enden meist damit, dass man an den Dachverband IFPI verwiesen wird. Das Feindbild Kunde wird hochgehalten: „Die Wahrheit ist doch ganz simpel – was die Leute illegal billiger bekommen können, wollen sie nicht mehr regulär bezahlen“ (so die Meinung eines Sony-Managers „als Privatperson“). Mit dieser Trotzhaltung werden auch wohlmeinende Kunden vor den Kopf gestoßen, an konstruktiven Lösungen scheint die Branche nicht interessiert zu sein.

Umtausch: Ja, aber…

Unsere Preiserhebung zeigt: Dem Konsumenten wird die dank Kopierschutz eingeschränkte Funktionsfähigkeit von CDs nicht vergolten. Kopiergeschützte CDs sind um nichts billiger als normale: sie kosten rund 14 bis 21 Euro. Im Internet gibt nur „Amazon“ korrekte Hinweise auf Kopierschutz, bei „Lion“ fehlen sie generell.

Kopierschutz schlecht deklariert

Oft besticht der Hinweis auf den Kopierschutz auf den CD-Hüllen durch äußerste Diskretion. Bescheiden wird auf der Rückseite darauf hingewiesen, dass die CD in CD-ROM-Laufwerken bzw. in Computern nicht abgespielt werden kann. Eine Verpflichtung zur Kenntlichmachung existiert nicht. Der IFPI empfiehlt ein Logo auf der Vorderseite und Detailinformation über die Art des Kopierschutzes auf der Rückseite.

Umtausch ist schwierig

Ist eine Scheibe selbst in einem CD-Player unspielbar, kann der Konsument die Gewährleistung beim Händler einfordern. Das ersetzt das Geld, nicht aber die gewünschte Musik. In anderen Fällen betont der Handel in bemerkenswert einstimmigem Wortlaut, „individuelle Lösungen“ zu suchen. Bei BOF ging man schon einmal so weit, ein Autoradio auszutauschen, das das Abspielen einer CD verweigerte. Das war deshalb möglich, weil auch das Autoradio bei BOF gekauft worden war. Umtausch oder Geldrückerstattung sind offiziell kein Problem, werden in der Realität aber doch mit einigem Argwohn abgewickelt. „Es ist Usus geworden, CDs zu kaufen, diese zu brennen und dann wieder zurückzugeben. Dadurch werden natürlich auch die Mitarbeiter vor Ort misstrauisch und hinterfragen genauer, warum der Umtausch oder die Rückgabe erfolgen soll“, erklärt Gerhard Frey von Cosmos.

Kopierschutz lässt sich umgehen

Es ist, ein wenig technisches Verständnis vorausgesetzt, nicht übertrieben schwer, den Kopierschutz auszuhebeln. Mitunter genügt einfach schon ein anderes Betriebssystem. Manche gesperrte CDs laufen unter Linux, weil der Kopierschutz nur für Windows funktioniert. Auch bricht der Riegel bei bestimmten Laufwerken wie Plextor oder Brennern wie Yamaha. Weiters helfen Programme wie CloneCD (www.elby.org), Blindwrite (www.blindwrite.com), Feurio (www.feurio.de ) und Nero Burning Rom (www.ahead.de) sowie Websites wie www.brennmeister.com.

Außerdem gibt es die Möglichkeit, den (womöglich digitalen) Ausgang des CD-Players mit einer hochwertigen PC-Soundkarte zu verbinden. Die Daten kommen in den PC und brauchen nur noch mit entsprechender Software bearbeitet zu werden (etwa mit Get It On CD von Steinberg). Das gleiche funktioniert, wenn auch mit leichten Qualitätseinbußen, über den analogen Ausgang des CD-Players.

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