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Diabetes: welche Medikamente? - Fragen Sie nach!

Test: Diabetiker sind häufig auf blutzuckersenkende Medikamente angewiesen. Doch nicht alle Mittel sind auch geeignet.

Folgende Produkte haben wir getestet:

  • Actos - 15 mg Tabletten
  • Amaryl - 1 mg Tabletten
  • Diabetalan - 15 mg Tabletten
  • Diabetex - 500 mg Filmtabletten
  • Diabetormin - 850 mg Filmtabletten
  • Diamicron MR - 30 mg Tabletten
  • Glucophage - 500 mg Filmtabletten
  • Gliclada - 30 mg Tabletten 
  • Gliclazid Arcana - 30 mg Tabletten 
  • Gliclazid Genericon - 30 mg Tabletten 
  • Gliclazid ratiopharm - 30 mg Tabletten 
  • Gliclazid Sandoz - 30 mg Tabletten
  • Glimepirid 1A Pharma - 1 mg Tabletten 
  • Glimepirid Hexal - 1 mg Tabletten 
  • Glimepirid ratiopharm - 1 mg Tabletten 
  • Glimepirid Sandoz - 1 mg Tabletten 
  • Glimepirid Stada - 2 mg Tabletten 
  • Glurenorm - 30 mg Tabletten
  • Meglucon Sandoz - 850 mg Filmtabletten 
  • Metformin 1A Pharma - 850 mg Filmtabletten 
  • Metformin Arcana - 850 mg Filmtabletten 
  • Metformin Bluefish - 850 mg Filmtabletten 
  • Metformin Genericon - 850 mg Filmtabletten 
  • Metformin Hexal - 500 mg Filmtabletten 
  • Metformin ratiopharm - 850 mg Filmtabletten 
  • Metformin Stada - 850 mg Filmtabletten
  • Minidiab - 5 mg Tabletten
  • Pioglitazon Accord - 15 mg Tabletten 
  • Pioglitazon Hexal - 15 mg Tabletten
  • Repaglinid Accord - 0,5 mg Tabletten 
  • Repaglinid Actavis - 0,5 mg Tabletten 
  • Repaglinid ratiopharm - 0,5 mg Tabletten 
  • Repaglinid Sandoz - 0,5 mg Tabletten 
  • Repaglinid Stada - 0,5 mg Tabletten

Die Testtabelle informiert Sie darüber, ob die Medikamente für die Behandlung von Diabetes geeignet oder nicht geeignet sind. Unsere Bewertungsgrundlagen und Methoden finden Sie ausführlichst unter "Medikamententest: Methoden". - Lesen Sie nachfolgend den Testbericht.


Diabetes Typ 1 oder Typ 2

Immer mehr Menschen leiden unter Diabetes mellitus, im Volksmund auch Zuckerkrankheit genannt. In Österreich sind rund 600.000 Menschen betroffen. Bis zum Jahr 2030 wird diese Zahl Schätzungen zufolge auf 800.000 steigen. Die Krankheit tritt hauptsächlich in zwei verschiedenen Erscheinungsformen auf. Der Typ-1-Diabetes zeigt sich in der Regel bereits im Kindes oder Jugendalter.

Ursache ist eine geschädigte Bauchspeicheldrüse, die kein oder nur sehr wenig Insulin produziert. Wesentlich häufiger ist der Typ-2-Diabetes, bei dem das Insulin von den Körperzellen immer schlechter aufgenommen und verwertet wird. Diese Form der Erkrankung macht sich meist erst in höherem Lebensalter bemerkbar und wird deshalb auch „Altersdiabetes“ genannt. Etwa 90 Prozent der Menschen, die unter Diabetes leiden, haben einen Typ-2-Diabetes. 

Zu viel Zucker im Blut 

Entscheidend ist, den Blutzuckerwert zu senken. Ist dieser dauerhaft erhöht, steigt das Risiko für Herz- und Gefäßkrankheiten wie etwa Herzinfarkte und Schlaganfälle. Betroffene haben auch häufig Probleme mit der Durchblutung der Beine und Füße. Enthält das Blut sehr lange Zeit zu viel Zucker, können auch Augen, Nerven und Nieren geschädigt sein. Manche Menschen müssen nach der Diagnose nur ihren Lebensstil ändern, um den Diabetes in den Griff zu bekommen. Oft reichen dazu schon eine geringe Gewichtsabnahme, die Umstellung der Ernährung sowie etwas mehr Bewegung aus. Patienten, bei denen dies nicht zum Erfolg führt, sind dauerhaft auf eine Behandlung mit Tabletten oder Insulin angewiesen. 

Acht Wirkstoffe im Test 

Blutzuckersenkende Medikamente werden vom Arzt verordnet. Wir haben uns Präparate, die frei verschreibbar – also nicht chefarztpflichtig – sind, genauer angesehen und bewertet. Alle besprochenen Wirkstoffe können den Blutzucker senken. Der wesentliche Unterschied zwischen den Mitteln besteht in den möglichen unerwünschten Wirkungen.

Risiken und Nebenwirkungen

Präparate mit dem Wirkstoff Metformin stufen wir als „geeignet“ ein. Der Wirkstoff verringert die vom Körper hergestellte Glukosemenge und gilt derzeit als bevorzugtes Mittel bei der Diabetesbehandlung. Nimmt man Metformin als einziges Diabetesmedikament ein, kommt es kaum zu einer Unterzuckerung und man nimmt auch nicht an Gewicht zu. Bei übergewichtigen Menschen verringert diese Substanz bereits in den ersten Anwendungsjahren das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden. 

Metformin: Nebenwirkungen

Mögliche Nebenwirkungen sind Unwohlsein und Durchfall; vor allem, wenn Metformin auf nüchternen Magen eingenommen wird. Sehr selten – pro Jahr bei etwa 1 bis 5 von 100.000 Menschen mit Typ-2- Diabetes, die zudem an weiteren Erkrankungen leiden – kommt es während der Behandlung mit Metformin zu einer Übersäuerung des Blutes. Das kann zu Atembeschwerden, Übelkeit oder zu einem Schock führen. 

Gewichtszunahme bei Sulfonylharnstoffen

Gliclazid, Glimepirid, Gliquidon und Glipizid gehören zu den Sulfonylharnstoffen. Sie helfen dem Körper, mehr Insulin zu produzieren. Auch diese Mittel werden schon lange eingesetzt. Sie können das Risiko für Folgeschäden von Diabetes an Augen und Nieren verringern. Da sie jedoch Insulin freisetzen, kann es zu einer Unterzuckerung (Hypoglykämie) kommen. Diese kann insbesondere nach körperlicher Belastung, beim Auslassen einer Mahlzeit und besonders bei Menschen mit guten bis normalen Zuckerwerten auftreten. Außerdem ist damit zu rechnen, dass Personen, die über lange Zeit Sulfonylharnstoffe einnehmen, ein bis zwei Kilogramm an Gewicht zulegen. 

Sulfonylharnstoffe bewerten wir daher als zur Behandlung von übergewichtigen Menschen „mit Einschränkung geeignet“. Sie kommen bei Diabetikern infrage, die Metformin nicht vertragen oder bei denen es aufgrund von Gegenanzeigen nicht eingesetzt werden kann. Bei schlanken Menschen können Sulfonylharnstoffe anstelle von Metformin eingesetzt werden. Bei Menschen mit fortgeschrittener Nierenerkrankung, Herzinfarkt oder koronarer Herzerkrankung ist eine Behandlung mit Sulfonylharnstoffen zu hinterfragen. Nutzen und Langzeitverträglichkeit der Präparate sind bei dieser Personengruppe nicht sicher abzuschätzen. 

Fehlende Studien 

Ebenfalls bei Diabetes zum Einsatz kommt Repaglinid. Dieser Wirkstoff darf als alleiniges Medikament zur Blutzuckersenkung verwendet werden, kann aber auch in Kombination mit Metformin eingesetzt werden. Es ist allerdings noch nicht abschließend geklärt, ob Repaglinid Langzeitfolgen des Diabetes wie Erkrankungen an Augen und Nieren oder Herzinfarkte verhindern kann. Bislang liegen dazu noch keine Studien vor. Dieser Wirkstoff wird deshalb von uns ebenfalls als mit Einschränkung geeignet bewertet.

Manche Medikamente sind wenig geeignet

Unerwünschte Wirkungen

Sogenannte Alpha-Glucosidasehemmer wie der Wirkstoff Acarbose verzögern die Aufspaltung der Kohlenhydrate im Darm. Der Blutzuckerspiegel steigt daher nach den Mahlzeiten weniger stark an. Es ist allerdings noch nicht ausreichend untersucht, ob die Behandlung dazu beiträgt, Folgeerkrankungen des Diabetes zu verringern. Mehr als ein Drittel der Personen, die an klinischen Studien teilnahmen, mussten die Behandlung wegen unerwünschter Wirkungen im Magen-Darm-Trakt, vor allem Blähungen und Durchfall, abbrechen.

Außerdem ist die blutzuckersenkende Wirkung von Acarbose vergleichsweise gering. Mittel, die Alpha-Glucosidasehemmer als Wirkstoffe enthalten, werden daher mit „wenig geeignet“ bewertet. Sie kommen allenfalls infrage, wenn andere Diabetesmittel zum Einnehmen nicht eingesetzt werden können.

Erhöhtes Risiko

Pioglitazon (aus der Gruppe der Glitazone) ist ebenfalls „wenig geeignet“. Das Mittel wird nur eingesetzt, wenn die Blutzuckersenkung mit Metformin allein nicht ausreichend ist. Eine Behandlung mit dieser Substanz und ihren Kombinationen kann das Körpergewicht erhöhen. Das erschwert die Diabetesbehandlung. Zudem ist nicht zweifelsfrei nachgewiesen, dass sich das Risiko für Folgeerkrankungen des Diabetes verringern lässt. Während der Behandlung mit diesem Medikament muss vermehrt mit Knochenbrüchen an den Extremitäten gerechnet werden. Eine aktuelle Untersuchung lässt zudem den Verdacht zu, dass Pioglitazon das Risiko für Blasenkrebs erhöht.

Testtabelle: Medikamente bei Diabetes

Diabetes: Ein Risiko im Straßenverkehr?

Medizinisch spricht nichts dagegen, dass Menschen mit Diabetes ein Fahrzeug lenken. Allerdings sollte man sich der Risiken bewusst sein, die mit einer Unterzuckerung einhergehen. Dazu gehört, die Symptome rechtzeitig zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren; andernfalls gefährdet man sich selbst und andere Verkehrsteilnehmer. Ob mit Unterzuckerungen zu rechnen ist, hängt von der Art der Behandlung ab. Bei einer Diabetesbehandlung mit Tabletten sind Unterzuckerungen denkbar, wenn die Tabletten ein Glinid (Repaglinid) oder einen Sulfonylharnstoff (Glimepirid, Gliclazid, Gliquidon, Glipizid) enthalten. Bei anderen Wirkstoffen sind Unterzuckerungen eher unwahrscheinlich. 

Traubenzucker und gezuckerte Getränke griffbereit

Werden diese jedoch mit Insulin oder einem Wirkstoff aus einer der beiden genannten Gruppen kombiniert, sind auch hier wieder Unterzuckerungen möglich. Man sollte deshalb darauf achten, dass im Auto Traubenzucker oder gezuckerte Getränke vorhanden sind. Personen, bei denen schon mehrfach schwere Unterzuckerungen aufgetreten sind oder die Frühsymptome einer Hypoglykämie nicht mehr bemerken, können erst dann wieder verantwortlich am Straßenverkehr teilnehmen, wenn diese Probleme behoben wurden und drei Monate lang keine schweren Unterzuckerungen mehr aufgetreten sind. 

Fahrtauflichkeit überprüfen

Am besten ist es, die Fahrtauglichkeit vor Antritt der Fahrt und gegebenenfalls in angemessenen Abständen zu überprüfen. Von Lkw-Fahrern und Fahrzeuglenkern, die Personen befördern, wird eine mindestens zweimal tägliche Blutzuckermessung erwartet. Sie sollte zu jenen Zeiten durchgeführt werden, die für das Führen des Fahrzeugs relevant sind.

Der Arzt entscheidet

Bei Diabetesmedikamenten ist im Besonderen darauf hinzuweisen, dass die Verordnung durch den behandelnden Arzt erfolgt und unbedingt einzuhalten ist. Basis unserer Arzneimittelbewertungen ist die veröffentlichte internationale und nationale Literatur. Die Bewertung der Wirkstoffe wurde anhand von allgemein anerkannten und aktuellen Werken der klinisch-pharmakologischen und medizinisch-therapeutischen Standardliteratur vorgenommen. Ein von uns als „mit Einschränkung geeignet“ bewertetes Medikament kann im individuellen Fall sehr wohl das richtige sein. Der behandelnde Arzt weiß am besten, welcher Wirkstoff für den jeweiligen Patienten infrage kommt.

VKI-Tipps

  • Diabetes: Ein Typ-2-Diabetes entwickelt sich oft unbemerkt über Jahre. Je eher die Erkrankung erkannt wird und Maßnahmen dagegen ergriffen werden, desto weniger gravierend sind die Folgen. Treten folgende Symptome auf, sollten Sie sicherheitshalber einen Arzt kontaktieren: häufiges und sehr starkes Durstgefühl, übermäßiger Harndrang, ständige Müdigkeit und Leistungsabfall, geringer Appetit, starker Gewichtsverlust, Heißhungerattacken, Mundtrockenheit und nächtliche Wadenkrämpfe.
  • Ursachen: Risikofaktoren für einen Typ-2-Diabetes sind Übergewicht, zu wenig Bewegung, Rauchen sowie eine fett- und zuckerreiche Ernährung. Häufig tritt Diabetes auch bei Personen mit erhöhtem Blutdruck sowie erhöhten Blutfettwerten auf. Bei Frauen kommt es nicht selten auch infolge einer Schwangerschaft zum Ausbruch der Erkrankung. Diabetes kann aber auch genetische Ursachen haben. Menschen, in deren Familie bereits eine Diabeteserkrankung festgestellt wurde, haben ebenfalls ein erhöhtes Risiko.
  • Behandlung: Eine Diabeteserkrankung muss unbedingt behandelt werden. Abhängig von den Ausgangswerten sollte man zunächst versuchen, die erhöhten Blutzuckerwerte durch eine Änderung des Lebensstils mit Gewichtsabnahme, mehr Bewegung sowie eine Umstellung der Ernährung in den Griff zu bekommen. Hilft das nicht weiter, kommt man nicht um eine medikamentöse Behandlung herum. Bei der Behandlung ist es unerlässlich, immer wieder den Blutzucker zu messen, um eine gefährliche Unterzuckerung (Hypoglykämie) zu verhindern.

Bewertungsschema

Hinweise zur Bewertung

Grundlage dieses Tests ist unser Handbuch "Medikamente: Vom Arzt verordnet" sowie das "Handbuch Rezeptfreie Medikamente" der Stiftung Warentest, für die ein Expertengremium die Eignung der Präparate auf Basis von Literaturrecherchen beurteilte.

Geeignet sind Mittel (Standardtherapeutika), deren therapeutische Wirksamkeit ausreichend nachgewiesen ist. Ihre Nutzen-Risiko-Abwägung fällt positiv aus. "Geeignet" sind auch Kombinationsmittel, deren Wirkstoffe sich sinnvoll ergänzen.

Auch geeignet sind Mittel, deren therapeutische Wirksamkeit ebenfalls nachgewiesen ist, die aber Konservierungsmittel enthalten oder noch nicht lange erprobt sind.

Mit Einschränkungen geeignet sind Mittel, die therapeutisch wirksam sind, aber im Vergleich zu Standardtherapeutika ein höheres oder nicht gut einschätzbares Risiko bergen.

Wenig geeignet sind Mittel, deren therapeutische Wirksmakeit nicht ausreichend belegt ist, die nicht ausreichend dosiert sind, deren therapeutische Wirksamkeit im Verhältnis zu den Risiken zu gering ist sowie Mittel mit mehr als einem Wirkstoff, deren Wirkstoffe sich nicht sinnvoll ergänzen oder keinen zusätzlichen therapeutischen Nutzen aufweisen.

 

Testkriterien bei Medikamenten

So bewerten wir Medikamente.

Grundlagen der Bewertung

Basis unserer Arzneimittelbewertungen ist die veröffentlichte internationale und nationale Literatur. Anhand von allgemein anerkannten und aktuellen Werken der klinisch-pharmakologischen und medizinisch-therapeutischen Standardliteratur wurde die Eignung der jeweiligen Arzneimittel für die Indikationen beurteilt, die der Hersteller für sein Mittel beansprucht. Die Bewertung wurde auch mit Blick auf die übrigen in dem jeweiligen Anwendungsbereich angebotenen Arzneimittel vorgenommen und daraufhin, ob die Behandlung mit einem Arzneimittel überhaupt sinnvoll ist.

Zusätzlich zur Standardliteratur wurden veröffentlichte und geeignete klinische Studien ausgewertet, um die Aktualität der Bewertung sicherzustellen. Diese „Primärliteratur“ konnte aber nur dann genutzt werden, wenn die Studien in anerkannten medizinischen Zeitschriften veröffentlicht wurden, in denen vor der Veröffentlichung ein Expertengremium (Review Board) die Qualität der Publikation geprüft hat.

Wirksamkeitsnachweis

Der Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit eines Präparats gilt in klinischen Studien dann als erbracht, wenn mehrere Institutionen unabhängig voneinander unter wissenschaftlich anerkannten und reproduzierbaren Bedingungen in kontrollierten Studien zu gleichartigen Ergebnissen gelangt sind. Klinische Studien, die zur Bewertung herangezogen werden, müssen

  • prospektiv,
  • randomisiert,
  • kontrolliert,
  • mit vorab definierten und
  • der Fragestellung angemessenen Endpunkten sowie
  • mit einer adäquaten statistischen Auswertung versehen sein.

Dabei bedeutet prospektiv, dass die Studien als Verlaufsstudien „in die Zukunft“ hinein durchgeführt werden, und randomisiert, dass die Patienten den Behandlungsgruppen nach dem Zufallsprinzip zugeteilt werden müssen.

Kontrollierte Studien sind Untersuchungen, in denen eine Patientengruppe das neu zu prüfende Arzneimittel (Verum) erhält und weitere Patientengruppen ein bereits lange in seinem Nutzen bestätigtes, gleichartig wirkendes Mittel (Standard) oder ein wirkstofffreies Scheinmedikament (Plazebo). Aus den Unterschieden der therapeutischen Effekte – sowohl bezüglich der erwünschten als auch der unerwünschten Wirkungen – können dann die therapeutische Wirksamkeit, aber auch der Stellenwert des geprüften Mittels in der Therapie der Krankheit insgesamt bestimmt werden.

Doppelblindstudien

Prüfungen ohne Kontrollgruppe können bis auf wenige Ausnahmen – zum Beispiel wenn sich eine Plazebobehandlung aus ethischen Gründen verbietet – nicht als Nachweis einer therapeutischen Wirksamkeit anerkannt werden. Eine besonders sichere Basis zur Bewertung bieten Doppelblindstudien, in denen zunächst weder die behandelnden Ärzte noch die Patienten wissen, ob ein wirkstoffhaltiges oder wirkstofffreies Mittel angewendet wird.

Die Fragestellung, die untersucht wird, muss therapeutisch relevant sein und vorab definiert werden. Möglicherweise werden im Studienverlauf positive Effekte erkennbar, die zu prüfen gar nicht beabsichtigt war. Diese können nachträglich nicht als durch die Studie nachgewiesen geltend gemacht werden.

Schließlich müssen auch noch die untersuchten Endpunkte der Studie der Fragestellung angemessen sein (zum Beispiel die Reduzierung der Sterblichkeit an definierten Folgeerkrankungen durch die Senkung des zu hohen Blutdrucks).

Statistik allein genügt nicht

Ein Wirksamkeitsnachweis kann auf der Basis der statistischen Auswertung als Aussage mit einer geringen, nach internationaler Übereinkunft festgelegten Irrtumswahrscheinlichkeit (weniger als 5 Prozent) formuliert werden. Statistisch gesicherte Ergebnisse von Effekten, deren medizinisch-therapeutischer Nutzen umstritten ist, können zum Nachweis einer therapeutischen Wirksamkeit nicht als ausreichend anerkannt werden. Die klinische Relevanz ist höher zu bewerten als die alleinige statistische Signifikanz.

Plazeboeffekt

Um die therapeutische Wirksamkeit eines Arzneimittels zu prüfen, werden so genannte randomisierte kontrollierte klinische Studien durchgeführt. In diesen werden die Testpersonen nach dem Zufallsprinzip auf zwei Gruppen verteilt: Die einen werden mit dem zu prüfenden Arzneistoff behandelt, die anderen bekommen ein Mittel, das sich von dem Medikament äußerlich nicht unterscheidet, aber keinen Wirkstoff enthält – ein Scheinmedikament (Plazebo).

Weder die Patienten noch die Ärzte wissen, wer das richtige und wer das Scheinmedikament erhält. Alles andere jedoch, was zur Behandlung dazugehört, ist bei beiden Gruppen gleich: die Art der Betreuung durch die Ärzte, die Zeit, die die Behandelnden aufwenden und so weiter. Erst wenn die Effekte der Therapie ermittelt und dokumentiert sind, wird aufgedeckt, wer den Arzneistoff und wer das Scheinmedikament bekommen hat.

Mit dieser Vorgehensweise soll geklärt werden, welcher Anteil der beschriebenen Effekte tatsächlich dem Arzneimittel zuzuschreiben ist und was auf dem Prozess des Behandelns an sich beruht. Schließlich kann bereits das Gefühl, behandelt zu werden, Beschwerden lindern, und die Hoffnung, dass nun alles besser wird, kann die Heilung vorantreiben. All dies gehört zu dem so genannten Plazeboeffekt; dieser ist also mehr als die Wirkung des Scheinmedikaments.

Das Ausmaß des Plazeboeffekts schwankt je nach Art der Krankheit und Anordnung der Studie erheblich. Er kann zwischen 20 und 70 Prozent liegen. Das bedeutet, dass manchmal 20 Prozent der Kranken nach einer Scheinbehandlung eine Besserung vermelden, manchmal sogar 70 Prozent. In ähnlicher Häufigkeit treten auch unerwünschte Wirkungen nach Plazebos auf

Kombinationspräparate

Arzneimittel mit mehreren Wirkstoffen (Kombinationspräparate) bieten im Vergleich zu solchen mit nur einem Wirkstoff (Monopräparate) nur selten Vorteile. Die Arzneimitteltherapie erfordert aber in der Regel die individuelle Dosierung einzelner Wirkstoffe. Für die Bewertung solcher fixen Kombinationen muss daher zunächst beurteilt werden, ob die Mischung der einzelnen Komponenten zweckmäßig ist. Wenn dieses Urteil nicht positiv ausfällt, erübrigt sich ein Wirksamkeitsnachweis, da die jeweilige Kombination grundsätzlich nicht als sinnvolles Arzneimittel anerkannt werden kann, gleich, in welchem Anwendungsbereich.

Für die Bewertung fixer Kombinationen haben sich international als Standard die so genannten Crout’schen Kriterien bewährt. (J. R. Crout war in den 70er Jahren Direktor der amerikanischen Zulassungsbehörde Food and Drug Administration.) Diese Kriterien tragen den Erfordernissen der praktischen Anwendung von Arzneimitteln Rechnung: Sie werden der Forderung nach Unbedenklichkeit und Sicherheit von Arzneimitteln ebenso gerecht wie dem Problem des Missbrauchs und der möglichen Vorteile im Hinblick auf die richtige Anwendung (Compliance).

Wenn zum Beispiel ältere Menschen im Verlauf eines Tages mehrere Wirkstoffe einnehmen müssen, kann es hilfreich sein, sie als Kombination zu verabreichen, um damit die Einnahme der notwendigen Arzneimittel zu vereinfachen. Die Crout’schen Kriterien beabsichtigen also keineswegs, jegliche Anwendung von fixen Kombinationspräparaten zu verhindern. Nach diesen Kriterien gilt die Kombination von Inhaltsstoffen in Arzneimitteln als sinnvoll, wenn nachgewiesen ist, dass

  • jeder einzelne Inhaltsstoff in Bezug auf das beanspruchte Anwendungsgebiet therapeutisch wirksam ist und
  • die Dosierung jedes einzelnen Inhaltsstoffs im Hinblick auf die Höchstdosierung, die Anwendungshäufigkeit und -dauer so bemessen ist, dass eine nennenswerte Patientenanzahl einer solchen fixen Kombination bedarf und sie wirksam und unbedenklich (im Sinne des Verhältnisses von Nutzen zu Risiko) ist, und
  • die zugefügten Inhaltsstoffe die Wirksamkeit und/oder Unbedenklichkeit des Hauptinhaltsstoffs erhöhen oder die Möglichkeit des Missbrauchs des Hauptinhaltsstoffs verringern oder
  • die fixe Kombination von Inhaltsstoffen einen größeren therapeutischen Effekt hervorruft oder größere Unbedenklichkeit bietet als jeder einzelne Inhaltsstoff für sich.

Crout´sche Kriterien

Diese Aspekte sind im deutschen Arzneimittelgesetz berücksichtigt. Die Crout’schen Kriterien wurden auch bei unseren Bewertungen angewendet, um Kombinationspräparate auf ihre zweckmäßige Zusammensetzung zu prüfen. Erst wenn das Ergebnis dieser Prüfung positiv war, kam die möglicherweise nachgewiesene Wirksamkeit des Mittels für die therapeutische Behandlung zum Tragen. Dass zum Beispiel eine Kombination aus zwei Schmerzwirkstoffen schmerzdämpfend wirkt, kann nicht erstaunen. Die Frage aber, ob es sinnvoll ist, diese Schmerzwirkstoffe zu kombinieren, muss über die Anwendung der Crout’schen Kriterien geprüft werden. Die Antwort spiegelt sich in den Bewertungen der einzelnen fixen Arzneimittelkombinationen wider.

Aus unserer Sicht gelten diese Kriterien für Präparate mit chemisch-synthetischen Wirkstoffen und Präparate mit pflanzlichen Extrakten gleichermaßen. Vor allem, wenn für einzelne Komponenten Negativurteile vorliegen, muss durch vergleichende klinische Studien nachgewiesen werden, dass die Kombination mit der negativ bewerteten Komponente ein therapeutisch besseres Ergebnis erzielt als eine Kombination ohne diese Komponente. Nur dann kann der therapeutische Wert der Kombination möglicherweise anerkannt werden.

Darüber hinaus gibt es bei Kombinationspräparaten noch eine Sichtweise, die auf pharmakologischen Sachverstand gründet. Der Aufbau einer Studie, die die therapeutische Wirksamkeit eines Mittels mit mehr als drei Wirkstoffen belegen soll, ist derart kompliziert, dass sie kaum je durchgeführt werden wird. Darum haben sich die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland darauf geeinigt, Kombinationspräparate mit mehr als drei Wirkstoffen als nicht verordnungsfähig anzusehen.

Unterschiede zu anderen Beurteilungen

Es ist denkbar, dass mit anderen Methoden und durch die Beschränkung auf die Zulassungsanforderungen des Arzneimittelgesetzes oder mit anderen Prüfkriterien sich auch andere Beurteilung ergeben als die hier nachlesbaren. Dies kann sich auch auf die Arbeit des deutschen Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte beziehen, das unter Betrachtung der Daten zu Einzelarzneimitteln Zulassungsentscheidungen trifft. Das Institut berücksichtigt vor allem den Nachweis der Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und pharmazeutischen Qualität sowie die Zweckmäßigkeit der Kombination bei einem einzelnen Arzneimittel (absoluter Nutzen). Es darf weder geprüft werden, ob dieses neue Mittel in Relation zum verfügbaren Markt aus therapeutischen Gründen überhaupt erforderlich ist, noch welchen Rang es unter den Alternativen einnimmt.

STIFTUNG WARENTEST und Verein für Konsumenteninformation berücksichtigen mit ihren Bewertungen aber auch die therapeutische Stellung der Arzneimittel bestimmter Indikationsbereiche zueinander (relativer Nutzen) und gehen damit über die Zulassungskriterien des Bundesinstituts hinaus, sind also strenger.

Für bestimmte Arzneimittelgruppen, so zum Beispiel für viele pflanzliche Mittel, liegen nur vereinzeltes Erfahrungswissen und andere kaum prüfbare Therapieberichte vor, die zudem in Zeitschriften unterschiedlicher Qualität veröffentlicht sind. Die von uns verwendete Methodik lässt dann kaum eine positive Bewertung dieser Mittel zu.

Bewertung gemäß Anwendungsgebiet

Es besteht der Grundsatz, dass jedes Produkt für das Anwendungsgebiet bewertet wird, für das es laut Herstellerangaben eingesetzt werden soll. Im Idealfall sollte es also so sein, dass die Bezeichnung der Krankheit oder Störung, die der Hersteller in der Packungsbeilage angibt, und die, unter der der Wirkstoff in dieser Datenbank abgehandelt wird, identisch sind. Leider sind – vor allem im Bereich der Mittel für die Selbstbehandlung – die Bezeichnungen der Hersteller keineswegs so präzise und eindeutig, wie es für eine klare Zuordnung notwendig wäre. So fassen die Hersteller ihre Indikationsansprüche zum Beispiel sehr weit. Wir haben versucht, diese Vielfalt in einer Ihnen – unserer Meinung nach – bekannten und einheitlichen Überschrift zusammenzufassen.

Darüber hinaus kommt es nicht selten vor, dass sich ein Hersteller – vielleicht aufgrund neuer Forschungsergebnisse – entscheidet, die Anwendungsgebiete seines Produkts neu zu formulieren. Dann können Präparate mit demselben Namen im Handel sein, die sich oft nur durch einen kleinen Zusatz unterscheiden, aber andere Anwendungsgebiete für sich beanspruchen und dementsprechend anders bewertet werden müssen.

Wenn in der Fachinformation einer Salbe mit Heparin steht: „Zur unterstützenden Behandlung bei akuten Schwellungszuständen nach stumpfen Traumen (zum Beispiel Zerrung, Prellung, Quetschung, Bluterguss, Verstauchung), oberflächlicher Venenentzündung, sofern diese nicht durch Kompression behandelt werden kann“, wird dieses Mittel sowohl im Abschnitt Bewegungsapparat bei „Verstauchung, Schwellung, Entzündungen“ als auch im Abschnitt Herz und Kreislauf bei „Venenerkrankungen“ besprochen und dafür bewertet. Nennt ein heparinhaltiges Produkt aber außerdem noch Frostschäden (zum Beispiel „Frostbeulen“) als Anwendungsgebiet, bleibt das unberücksichtigt, weil wir hierfür kein eigenes Anwendungsgebiet definiert haben.

Hilfsstoffe üblicherweise nicht bewertet

Hinweis: Bei der Bewertung wurden nur jene Inhaltsstoffe des Arzneimittels berücksichtigt, von denen eine therapeutische Wirksamkeit erwartet wird. Hilfsstoffe, wie sie zum Beispiel notwendig sind, um Tabletten herzustellen, gingen in die Bewertung nicht mit ein. Von dieser Regel gibt es eine Ausnahme: Augen- und Nasentropfen sind häufig mit Konservierungsmitteln versetzt. Produkte mit einem solchen Hilfsmittel wurden um eine Stufe abgewertet, wenn Konservierungsmittel an der Schleimhaut der Augen und Nase solche unerwünschten Wirkungen auslösen können, es aber Produkte gibt, die ohne einen solchen Zusatz auskommen.

Bewertungsstufen

Der Bewertung der hier aufgeführten Medikamente liegen vier Stufen zu Grunde.

  1. Geeignet für die Behandlung des jeweiligen Krankheitsbilds sind Mittel, deren therapeutische Wirksamkeit bei der betreffenden Indikation ausreichend nachgewiesen ist, die ein positives Nutzen-Risiko- Verhältnis und einen hohen Erprobungsgrad aufweisen. Der therapeutische Nutzen dieser Mittel ist hoch, sie gehören bei dieser Indikation zu den Standard-Therapeutika, soweit solche definiert werden können. Geeignet sind auch Mittel mit mehr als einem Wirkstoff, wenn sich die Wirkstoffe sinnvoll ergänzen.
  2. Auch geeignet sind Mittel, deren therapeutische Wirksamkeit ebenfalls nachgewiesen ist, die aber noch nicht so lange erprobt sind wie die als „geeignet“ bewerteten. In diese Kategorie fallen vor allem neue und weniger gut untersuchte Wirkstoffe. Mit der gleichen Bewertung wurden Arzneimittel versehen, die zum Beispiel Konservierungsstoffe enthalten, wenn allgemein die Überzeugung vorherrscht, dass Arzneimittel ohne Konservierungsstoffe die geeignete Alternative darstellen. Dies kann in ähnlicher Weise auch für andere Zusatzstoffe gelten. In diese Bewertungskategorie fallen auch Arzneimittel, die zwar noch immer als Standardpräparate gelten, in der Zwischenzeit aber von neuen, besser verträglichen Mitteln in ihrem Rang als Mittel der Wahl „abgelöst“ wurden.
  3. Mit Einschränkung geeignet sind Mittel, die zwar therapeutisch wirksam sind, aber im Vergleich zu Standard-Therapeutika ein höheres oder nicht gut einschätzbares Risiko bergen. Sie zählen daher nicht zu den Standardarzneimitteln bei den besprochenen Krankheitsbildern und werden nur unter bestimmten Bedingungen verwendet (zum Beispiel bei ganz bestimmten oder schwerwiegenden Krankheitskonstellationen). Mit dieser Bewertung werden auch jene Mittel belegt, für die nach den vorliegenden Studien die therapeutische Wirksamkeit noch nicht ausreichend nachgewiesen ist und bei denen weitere Studien erforderlich sind.
  4. Wenig geeignet sind Mittel, deren therapeutische Wirksamkeit nicht ausreichend belegt ist, die nicht ausreichend dosiert sind und/oder deren therapeutische Wirksamkeit im Verhältnis zu den Risiken zu gering ist, sodass die wahrscheinlichen Risiken mehr Gewicht haben als der mögliche Nutzen. Wenig geeignet sind darüber hinaus Mittel mit mehr als einem Wirkstoff, wenn sich die Wirkstoffe nicht sinnvoll ergänzen oder keinen oder keinen zusätzlichen therapeutischen Nutzen aufweisen.

Quelle: Handbuch Medikamente

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