Nahrungsergänzungsmittel
Tupperpartys für Hausfrauen sind out; heute holt man sich Ärzte auf seine Party – pardon: zum Ärzteforum. Dort lernen sie, wie man Nahrungsergänzung in Kapselform an den Mann oder die Frau bringt. Mediziner haben ja einen ungeheuren Startvorteil gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen (beispielsweise Gebrauchtwagenverkäufern): Man vertraut ihnen nur allzu gerne: „Na, wenn es der Herr Doktor sagt…“
Für gesunde Menschen überflüssig
Das Produkt – Juice Plus – ist ein Nahrungsergänzungsmittel, das aus dem Saft und Mark von verschiedenen Früchten und Gemüsen hergestellt und mit Vitaminen und Mineralstoffen angereichert wird. Die Versorgung mit Vitaminen ist in Österreich seit Jahrzehnten als sehr gut zu bezeichnen, das Angebot an nährstoffreichen und preiswerten Gemüse- und Obstsorten ist, saisonal unabhängig, gesichert. Nahrungsergänzung ist daher für gesunde Menschen überflüssig und nur in Ausnahmefällen sinnvoll.
Überdosierung problematisch
Problematisch ist vor allem, dass die unkontrollierte Einnahme von Nahrungsergänzung zu Überdosierung führen kann. Bei wasserlöslichen Vitaminen könnte man noch darüber hinwegsehen, denn ein Überschuss an solchen wird einfach mit dem Harn ausgeschieden. Anders verhält es sich bei den fettlöslichen Vitaminen A, D, E und K. Diese werden im Körper gespeichert, eine Überdosis ist mit Risken behaftet. Hält man sich an die empfohlene Dosis Juice Plus – vier Kapseln täglich – so nimmt man bereits 2,5 mg Vitamin A auf. Ab 3 mg sind bei Ungeborenen, aber auch bei Kleinkindern, Wachstumsschäden möglich.
25 bis 35 Prozent Spanne
Das erfährt man allerdings im Ärzteforum nicht. Viel mehr wird über die monetären Vorteile referiert. Dem Arzt winkt eine Spanne von 25 Prozent des Verkaufspreises, bei Direktverkauf in der Ordination sogar 35 Prozent. Und das bei minimalen Aufwand: Nur wenn einer der Patientenkunden eine solche Dauerbestellung kündigen will, ist wieder eine bisschen Überzeugungsarbeit fällig …
Berufliche Vereinbarkeit?
Ist das mit dem Berufsethos vereinbar? Die Ärztekammer hat uns auf Anfrage wissen lassen, dass es dem Arzt erlaubt ist, auch nicht-ärztlichen Tätigkeiten nachzugehen. Er hat nur seine gewerbliche Tätigkeit von seiner ärztlichen klar abzugrenzen. Bleibt zu hoffen, dass es dem Patienten gelingen möge, rechtzeitig die Ordination zu verlassen, bevor der Herr Doktor gewerblich tätig wird.