Sprache lebt und Sprache verändert sich. Selbst im Technikbereich kann die Befassung damit äußerst spannend sein. Ein Kommentar von Gernot Schönfeldinger.
Einfach erklärt
„Bitte erklären Sie, was Streaming bedeutet. Man wird ständig mit diesem Begriff konfrontiert, aber nicht jeder kann damit etwas anfangen.“ Wie einige von Ihnen bereits wissen werden, kommen wir dieser Bitte eines KONSUMENT-Lesers in der Form nach, dass wir ein Techniklexikon für Laien vorbereiten, das mehr als 1.000 Stichwörter aus der sogenannten digitalen Welt auf verständliche Weise (und inklusive Aussprachehilfe) erklärt und das sich mittlerweile auf der Zielgeraden befindet.
Altbekannte Verfahren
Auch ich selbst kann dabei noch so manches lernen, etwa dass Computer Verfahren anwenden, die seit Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden bekannt sind. Den Algorithmus zum Beispiel. Das ist eine genau festgelegte Vorgangsweise, die aus einzelnen, aufeinanderfolgenden Schritten besteht. Am Ende steht die Lösung eines Problems. Algorithmen sind nicht nur in Computerprogrammen enthalten, auch eine gedruckte Bedienungsanleitung entspricht diesem Prinzip. Ein anderes Beispiel ist die Heuristik, eine altbewährte Vorgangsweise, bei der man versucht, auf Basis von unvollständigem Wissen Schlussfolgerungen zu ziehen. Die Versuch-und-Irrtum-Methode etwa ist eine Heuristik. Auch Virenscanner arbeiten nach dem heuristischen Prinzip, wenn sie versuchen, mögliche, bisher unbekannte Bedrohungen für den Computer zu erkennen.
Wiedergekommen
Interessant ist außerdem oft die Herkunft oder die Geschichte mancher Begriffe. So gibt es etwa Wörter, die wir im Deutschen weitgehend vergessen hatten, die aber über das Englische wieder zu uns gekommen sind, wie zum Beispiel dediziert. Früher hat ein Autor mitunter einem treuen Leser oder Unterstützer ein Buch dediziert, also gewidmet. Heute können technische Bauteile (z.B. Grafikkarten) oder Geräte dediziert, das heißt, zweckgewidmet sein, erfüllen dann also gezielt eine ganz bestimmte Aufgabe.
Berechtigte Anglizismen
Sogar den oft geschmähten Anglizismen kann ich mittlerweile einiges abgewinnen. Und zwar vor allem dann, wenn es keine sinnvolle deutsche Entsprechung gibt. Oder wenn die englischen Begriffe so wunderbar bildhaft sind, dass es bereits genügt, die Übersetzung zu kennen, um sich darunter etwas vorstellen zu können. Der Rollout [rohl-aut] ist so ein Beispiel. Das Wort beschreibt den Moment, in dem ein fertiges Produkt aus der Fabrik herausrollt. Natürlich kann man hier immer noch argumentieren, dass wir im Deutschen dafür bereits den Begriff Markteinführung haben. Überflüssig war es meiner Meinung nach jedenfalls, auch noch in holpriger wörtlicher Übersetzung das Unwort Ausrollung zu kreieren.
Beständiger Strom
Anders dagegen beim Streaming [ßtrihming], einer relativ neuen Technologie, die bisher noch keinen verkrampften Übersetzungsversuch über sich ergehen lassen musste. (Engl.) stream ist der Fluss und streaming ist die Strömung. So wie der Inn oder die Donau ihrer Mündung zuströmen, so fließt der Datenstrom aus dem Internet in Richtung unserer Computer, auf denen wir Musik oder Filme unserer Wahl konsumieren.
Lebendig
Man sieht: Sprache lebt und Sprache verändert sich. Selbst im Technikbereich kann die Befassung damit äußerst spannend sein.
Dieses und viele weitere Themen finden Sie auch in meinem Technik-Blog unter: VKI-Blog: Technik-Spielplatz