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Herz-Kreislauferkrankungen: Rezeptfreie Mittel - Herzlich wenig geeignet

  • Alle Medikamente im Test wenig geeignet
  • Wirksamkeit wissenschaftlich nicht belegt
  • Selbstmedikation ist unverantwortlich

Hochleistungsmaschine Herz

Das menschliche Herz ist eine Hochleistungsmaschine. Von der Geburt bis zum Tod schlägt es unablässig, etwa einhunderttausend Mal pro Tag. Während eines 70-jährigen Lebens kommt man so auf rund zweieinhalb Milliarden Herzschläge. Es muss zudem äußerst flexibel auf die Bedürfnisse des Körpers reagieren und sich den unterschiedlichsten Belastungssituationen anpassen.

Läuft der Organismus auf Hochtouren, steigt auch die Schlagfrequenz, um in Ruhephasen wieder abzusinken. Mit zunehmendem Alter fordert diese Belastung ihren Tribut. Da die Lebenserwartung der Menschen in den Industrienationen in den vergangenen Jahrzehnten stetig gestiegen ist, hat sich auch die Zahl der an Herz- und Kreislauferkrankungen leidenden Personen erhöht. In Österreich stirbt mittlerweile etwa jeder Zweite an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung.

Ungesunder Lebenswandel

Bewegungsmangel, Übergewicht und in Folge Diabetes, hoher Blutdruck und erhöhte Blutfett- und Cholesterinwerte steigern das Risiko für eine Herz-Kreislauf- Erkrankung, ebenso das Rauchen. Zudem kann eine genetische Veranlagung für das Leiden bestehen. Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben ein vielfältiges Krankheitsbild, etwa Blutdruckschwankungen, arteriellen Bluthochdruck, Herzinfarkt oder Durchblutungsstörungen. Die Bezeichnung ist deshalb ungenau. Entsprechend unklar ist, was ein Arzneimittel leisten soll, das unter der Bezeichnung Herz-Kreislauf- Medikament in den Handel gebracht wird.

26 Präparate im Test

Wir haben 26 derzeit in Österreich rezeptfrei erhältliche Präparate für die Indikationen Herz-Kreislauf-Beschwerden und cerebrale und periphere Durchblutungsstörungen getestet. Bei sämtlichen Zubereitungen handelt es sich um Medikamente, die aus Pflanzen gewonnen werden, sogenannte Phytopharmaka. 24 Präparate sind den Indikationen Herz-Kreislauf-Beschwerden und leichte Herzinsuffizienz („Altersherz“) zuzuordnen, zehn davon sind Monopräparate, die in unterschiedlicher Form Wirkstoffe aus Crateagusarten (Weißdorn) enthalten. Dabei werden Blätter, Blüten und Früchte des Weißdorns als Teedroge oder in Form von Extrakten und alkoholischen Auszügen verwendet.

Knoblauch-, Mistel- und Weißdornzubereitungen

Bei den anderen Produkten handelt es sich um Kombinationspräparate, die in erster Linie aus Knoblauch-, Mistel- und Weißdornzubereitungen bestehen, einige enthalten auch andere Arzneipflanzen, Kampfer oder Magnesium und Alpha-Tocopherolacetat. Zwei Präparate mit Ginkgo biloba sind laut Gebrauchsinformation bei Nachlassen der Leistungsfähigkeit des Gehirns, kalten Händen und Füßen sowie Durchblutungsstörungen der Beine anzuwenden.

Präparate auf Weißdornbasis

Den Extrakten aus Blättern, Blüten und Früchten des Weißdorns (Crateagus) wird eine herzstärkende und durchblutungsfördernde Wirkung nachgesagt. Wissenschaftliche Studien, die dies eindeutig belegen, liegen jedoch nicht vor. Es gibt Hinweise aus einer placebokontrollierten Studie, dass Weißdorn die typischen Beschwerden bei Herzschwäche – Atemnot und Müdigkeit – günstig beeinflussen kann. Die Wirkung ist allerdings wesentlich geringer als bei rezeptpflichtigen Mitteln wie ACEHemmern oder Diuretika. Wir beurteilen deshalb alle neun Weißdorn-Monopräparate im Test sowie Mag. Kottas Weißdorntee als wenig geeignet.

Kombinationspräparate

Bei den meisten der 14 getesteten Kombinationspräparate handelt es sich um Mischungen aus Knoblauch, Mistel und Weißdorn, ein Präparat besteht aus Crateagusextrakt und Kampfer, eines enthält neben Weißdorn auch Vitamin E und den Mineralstoff Magnesium, die beiden Tees bestehen aus je fünf verschiedenen Teedrogen.

Knoblauch ohne Wirkung

Für Knoblauch (Allium sativa) wird eine Wirkung bei erhöhten Blutfettwerten und zur Vorbeugung altersbedingter Gefäßveränderungen postuliert. In der Volksmedizin findet Knoblauch auch bei der Therapie von Bluthochdruck Anwendung. Die Wirksamkeit bei den angegebenen Indikationen ist jedoch nicht belegt. Eine Studie der Stanford Universität zeigt auch, dass Knoblauch, unabhängig davon, ob er als Präparat oder roh verzehrt wird, keine den Cholesterinspiegel senkende Wirkung aufweist (siehe „Konsument“ 6/2007).

Wundermittel Mistelkraut

Mistelkraut (Viscum album) umweht der Mythos eines wahren Wundermittels, schon die Druiden sollen daraus ihre Zaubertränke gebraut haben. Die medizinische Wirkung, die diesem Bäume besiedelnden Halbschmarotzer zugesprochen wird, ist allerdings unbewiesen. Weder bei Gelenkserkrankungen noch zur Tumorbehandlung wie auch bei arteriellem Bluthochdruck, Schwindelgefühl oder Arteriosklerose liegen wissenschaftliche Belege zur Wirksamkeit vor. Deshalb beurteilen wir diese Arzneimittel als wenig geeignet bei Kreislaufbeschwerden und eingeschränkter Herzleistung.

Andere Präparate 

Korodin Herz-Kreislauf-Tropfen basieren auf einem Extrakt aus Weißdornfrüchten sowie Kampfer. Das Präparat soll die Herzkraft stärken und die Durchblutung der Koronargefäße steigern. Die Wirkung von innerlich angewandtem Kampfer ist bislang nicht ausreichend untersucht und insgesamt nicht hinreichend belegt. Wir haben dieses Präparat daher als wenig geeignet bewertet.

Vitamin E und Magnesium

Protecor Kapseln enthalten neben Crateagusextrakt Vitamin E und den Mineralstoff Magnesium. Diese Kombination ist nicht sinnvoll, da für keinen der Inhaltstoffe zu den beanspruchten Indikationen wissenschaftliche Belege existieren. Die Behauptung, Weißdorn würde die Durchblutung der Herzkranzgefäße fördern und Vitamin E den Alterungsprozess der Adern verlangsamen, ist genauso wenig haltbar wie die Aussage, Magnesium trage zur Steigerung der Leistung des Herzmuskels bei beziehungsweise wirke der Verkalkung der Adern entgegen. Daher können wir auch dieses Präparat nur als wenig geeignet bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen beurteilen.

Kräutertees

Mag. Kottas Herz-Kreislauf-Tee beinhaltet Orangenblüten, Weißdornblatt, Mateblatt, Pfefferminzblatt und Rosmarinblatt. Die beschriebenen Wirkungen auf Herz und Blutgefäße konnten bei keinem der Bestandteile wissenschaftlich nachgewiesen werden. Wir beurteilen die beiden Präparate deshalb als wenig geeignet bei Herz- Kreislauf-Erkrankungen.

Durchblutungsfördernde Mittel

In Österreich sind als durchblutungsfördernde Mittel nur die beiden Präparate Ceremin und Gingol mit dem Wirkstoff Ginkgo-biloba-Extrakt rezeptfrei erhältlich. Etliche andere Medikamente (mit teilweise gleichem

Präparate zur Durchblutungsförderung

Präparate zur Durchblutungs-
Förderung

Wirkstoffgehalt) sind rezeptpflichtig.
Ginkgoextrakte sollen die Blutgefäße – sowohl Arterien als auch Venen sowie kapillare Blutgefäße – erweitern, das Verkleben von Blutplättchen und Zellschäden verhindern, sich günstig auf die Blutgerinnung und die Fließeigenschaften des Blutes auswirken sowie die Reizleitung der Nerven verbessern. Seriöse wissenschaftliche Studien können derartige Wirkungen nicht ausreichend bestätigen.

Unter diesem Gesichtspunkt bewerten wir die Präparate sowohl zur Behandlung von Durchblutungsstörungen im Bereich der Extremitäten als auch zur Behandlung cerebraler und peripherer Durchblutungsstörungen als wenig geeignet. Eine Therapie mit diesen Arzneimitteln erscheint allenfalls vertretbar, wenn die Standardtherapie nicht eingesetzt werden kann. In Österreich ist dafür mit Cerebokan 80 mg allerdings ein kassenverschreibbares Ginkgopräparat erhältlich.

Getestete Mittel wirkungslos

Die Gesamtbetrachtung dieses Tests ist ernüchternd. Alle getesteten Arzneimittel sind wirkungslos oder von sehr fraglicher Wirkung. Mehr als ein Placeboeffekt ist kaum zu erwarten. Dass Phytopharmaka dennoch häufig nachgefragt werden, könnte daran liegen, dass Patienten glauben, sich mit der Einnahme etwas Gutes zu tun. Eine Selbstmedikation ist im Fall von Herz- Kreislauf-Erkrankungen jedoch unverantwortlich. Bei entsprechenden Beschwerden oder bei Durchblutungsstörungen ist eine diagnostische Abklärung durch den Arzt unerlässlich und eine Standardtherapie einzuleiten.

Rezeptfreie Mittel bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Aufgabe des Herzens ist es, die Zellen des Körpers mit Blut zu versorgen. Für die Zellen überlebenswichtige Nährstoffe und Sauerstoff müssen bis in die kleinsten Blutgefässe transportiert werden. Dazu muss ein erheblicher Druck aufgewendet werden, denn Blut ist wesentlich dickflüssiger als Wasser, und die Gesamtlänge der Blutgefässe im Körper eines durchschnittlich großen Menschen beträgt immerhin rund einhunderttausend Kilometer.

Hochleistungsmaschine Herz

Auf dem Weg durch die Kapillaren nimmt das Blut für die Zellen toxische „Abfallprodukte“, unter anderem Kohlendioxid auf. Dieses färbt das Blut dunkelrot. Über die Venen fließt das „verbrauchte“ Blut zum Herzen – genauer in die rechte Herzkammer – zurück, wird von dort in die Lungen gepumpt, wo es erneut mit Sauerstoff angereichert wird und anschließend in die linke Herzkammer gelangt. Der Kreislauf des Blutes beginnt von hier aufs Neue. Damit das Herz seiner Aufgabe gerecht werden kann und das Blut nur in eine Richtung gepumpt wird, ist es mit vier Herzklappen ausgestattet. Die Pumpbewegung selbst wird durch elektrische Impulse und ein Reizleitungssystem gesteuert.

Rezeptfreie Mittel bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen: kompetent mit "Konsument"

  • Medikamente . Für alle 26 der von uns getesteten rezeptfreien (OTC) Herz-Kreislauf-Medikamente liegen keine wissenschaftlichen Studien vor, die eine Wirksamkeit der Präparate eindeutig belegen. Alle Präparate bewerteten wir deshalb als wenig geeignet.
  • Arzt aufsuchen. Wer unter Herz-Kreislauf-Problemen leidet, sollte sich umgehend in ärztliche Behandlung begeben. Eine Selbstmedikation mit OTC-Präparaten lehnen wir als unverantwortlich ab.
  • Rezeptpflichtige Präparate. Bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen bewerten wir ausschließlich durch den Arzt zu verschreibende Medikamente als geeignet und empfehlenswert.

Herz-Kreislauf-Mittel: Testkriterien

Hinweise zur Bewertung

Grundlage dieses Tests ist das Handbuch „Medikamente“, für das ein Expertengremium der Stiftung Warentest Arzneimittel auf Basis von Literaturrecherchen beurteilte. Sie finden die Methoden auf www.konsument.at (Suchkriterium „Medikamententests“).

Geeignet sind Mittel (Standardtherapeutika), deren therapeutische Wirksamkeit ausreichend nachgewiesen ist. Ihre Nutzen-Risiko-Abwägung fällt positiv aus. „Geeignet“ sind auch Kombinationsmittel, deren Wirkstoffe sich sinnvoll ergänzen.

Auch geeignet sind Mittel, deren therapeutische Wirksamkeit ebenfalls nachgewiesen ist, die aber Konservierungsmittel enthalten oder noch nicht lange genug erprobt sind.

Mit Einschränkung geeignet sind Mittel, die therapeutisch wirksam sind, aber im Vergleich zu Standardtherapeutika ein höheres oder nicht gut einschätzbares Risiko bergen.

Wenig geeignet sind Mittel, deren therapeutische Wirksamkeit nicht ausreichend belegt ist, die nicht ausreichend dosiert sind, deren therapeutische Wirksamkeit im Verhältnis zu den Risiken zu gering ist sowie Mittel mit mehr als einem Wirkstoff, deren Wirkstoffe sich nicht sinnvoll ergänzen oder keinen zusätzlichen therapeutischen Nutzen aufweisen.

Keine Bewertung

Anthroposophische, homöopathische und traditionell angewendete Mittel lassen sich nach den Grundsätzen unseres Tests nicht bewerten.

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