Viele Produktionsverfahren
Was hier stark verkürzt und vereinfacht dargestellt ist, ist in der Praxis
alles andere denn simpel. Weinerzeugung erfordert neben viel Gespür und
Erfahrung auch entsprechende kellertechnische Einrichtungen. Außerdem gibt es
nicht „das“ Verfahren zur Weinerzeugung schlechthin, sondern – unter anderem in
Abhängigkeit von Region und Klimazone – viele verschiedene Verfahren mit
entsprechenden Zusatzstoffen zur Gärförderung, Klärung, Stabilisierung,
Konservierung. Zudem sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht überall
gleich.
Übersee tickt anders
So sind z.B. in
Überseeländern Verfahren zugelassen, die in der EU nicht angewandt werden dürfen
und umgekehrt: Bei uns reift das Lesegut langsam und hat in manchen Jahren einen
zu geringen natürlichen Zuckergehalt. Es kann daher so wie in etlichen anderen,
genau abgegrenzten Anbaugebieten bis zu vorgegebenen Werten mit Zucker
angereichert werden. Der Alkoholgehalt des Weins wird auf diese Weise erhöht. In
Überseeländern ist es dagegen oft genau umgekehrt. Bei kurzen und intensiven
Reifezeiten ist der Zuckergehalt des Lesegutes hoch – mitunter auch zu hoch:
Weine mit allzu viel Alkohol sind nicht angenehm zu trinken. Es wurden daher
Verfahren entwickelt, um den Alkoholgehalt zu reduzieren. Mit sogenannten
Schleuderkegelkolonnen kann der Wein in seine Bestandteile zerlegt und
anschließend neu, mit niedrigerem Alkoholgehalt, zusammengesetzt werden. Bei uns
ist dieses Verfahren nicht erlaubt und würde außerdem – so der Präsident des
Weinbauverbandes Josef Pleil – überhaupt keinen Sinn machen.
Hightech zur Weinbereitung
In Europa ist die Weinerzeugung noch eher traditionell ausgerichtet. Die
Rebsorte, ihr Standort, die Bodenbeschaffenheit und natürlich das Wissen des
Winzers bestimmen im Wesentlichen die Weinqualität. Anders in Überseeländern:
Dort erfolgt die Weinerzeugung mit viel Hightech-Einsatz weitgehend industriell
– keine Spur von Heurigen- oder Kellergassenromantik wie wir sie teilweise noch
kennen. Auch die Bedeutung von Herkunft der Trauben und Sorte tritt bei den
industriellen Erzeugungsverfahren in den Hintergrund. Lang vorbei die Zeiten, in
denen in den Ländern der Neuen Welt vor allem nach europäischen Vorbildern
gekeltert wurde.
Jetzt wird auf das eigene Profil gesetzt. Und der Erfolg gibt den Produzenten
recht. Denn die nach den neuen Verfahren erzeugten Weine sind qualitativ den
europäischen durchaus ebenbürtig. Das hat unser letzter Rotweintest gezeigt.
Mittlerweile lassen sich auch europäische Weinfachleute bei den Kollegen in
Übersee in den dort angewandten Verfahren zur Weinerzeugung unterweisen.
Chips statt Eichenfass
Ausgewählte Spitzenweine (vor allem rote) werden gerne in kleinen
Eichenfässern, in Barriques, ausgebaut – das ist jetzt wieder vielen Verfahren
gemein. Die Weine erhalten so eine spezielle Holznote (Vanille-, Butter-,
Röstaromen), werden haltbarer und alterungsfähiger. Der Ausbau in kleinen
Fässern ist allerdings sehr arbeitsaufwendig. In einigen Ländern – z.B. den USA
und Australien – ist es schon lange zulässig, einen Barrique-Ausbau durch
Lagerung in Stahltanks zu simulieren, die mit Holz ausgekleidet oder mit
Eichenchips (kleinen Holzstückchen) bzw. -spänen beschickt sind. Diese Verfahren
werden aber eher bei einfacheren Weinen angewandt. Sie erhalten dadurch mehr
Struktur.
Auf diese Weise erzeugte Weine werden auch nach Europa exportiert und sind
schon seit etlichen Jahren bei uns erhältlich. Das angewandte Verfahren muss
nicht am Etikett stehen. Am besten, Sie orientieren sich am Preis:
Massenprodukte um ein paar Euro stammen in der Regel aus dem Stahltank. Bei uns
werden Eichenchips übrigens ebenfalls schon seit etlichen Jahren zur
Weinerzeugung verwendet. Allerdings nur im Rahmen genehmigungspflichtiger
Großversuche. Diese Weine dürfen ausschließlich im Inland verkauft werden.
Verordnung vorbereitet
Eichenchips in der Weinproduktion sind also
auch hierzulande keineswegs neu. Jetzt werden sie in der EU generell zur
Weinerzeugung zugelassen. Die entsprechende Durchführungsverordnung ist in
Arbeit. In ihr soll unter anderem festgelegt werden, wie die Chips herzustellen
sind, womit das sogenannte Toasting erfolgt, wie Chips bei der Weinerzeugung
anzuwenden und wie die so erzeugten Weine zu deklarieren sind. Die Verordnung
sollte noch heuer fertiggestellt sein und vorliegen.
Davon abgesehen sind
in den nächsten Jahren tief greifende Änderungen am Weinsektor zu erwarten. Die
EU-Weinmarktordnung wird reformiert. Ziele sind unter anderem die Verbesserung
des Marktgleichgewichts, die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Weinerzeuger,
eine Vereinfachung der Etikettierungsvorschriften. Wie und mit welchen Mitteln
die angestrebten Ziele erreicht werden sollen, ist noch offen. Was es derzeit
gibt, sind diverse zur Diskussion stehende Vorschläge. Bis die neue
Weinmarktordnung ausgearbeitet ist und in Kraft tritt, dauert es auf jeden Fall
noch ein bis zwei Jahre. Bis dahin: Prost!