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Zigarettenfilter - Giftige Müll-Kippen

Unglaubliche 4,5 Billionen Zigarettenstummel werden weltweit pro Jahr achtlos weggeworfen. Mit schwerwiegenden Folgen für Menschen, Tiere und Umwelt.

Bild: Robert-Lessmann / Shutterstock.com

Ein Frühlingstag auf einem Grazer Spielplatz: Das warme Wetter hat viele Familien ins Freie gelockt, überall wuseln kleine ­Kinder herum. Zwei rauchende Väter stehen etwas abseits, einer schnippt den Rest seiner Zigarette sorglos ins Gras. Ein kleines Mädchen, das die beiden beobachtet hat, krabbelt hin und hebt den Stummel neu­gierig auf, riecht daran. Der herbeieilende Vater kann das Kind gerade noch davon abhalten, sich den Stummel in den Mund zu stecken.

Aktion: eine Million Zigarettenstummel

"Das war der Moment, in dem ich mir ­dachte: So kann das nicht weitergehen", erzählt Georg Jillich. Die Schrecksekunde war der Auslöser für den Vater, die "Tschickstummelchallenge" ins Leben zu rufen: Mit möglichst vielen Mitstreitern ­sollen eine Million Zigarettenstummel im öffentlichen Raum gesammelt werden (www.beautifulwasteplaces.com).

Die Filter landen überall

24 Prozent der erwachsenen Bevölkerung Österreichs rauchen regelmäßig, im EU-­weiten Durchschnitt sind es 21 Prozent. Weltweit werden jährlich rund 6 Billionen Zigaretten geraucht – mit schwerwiegenden Folgen nicht nur für Menschen, sondern auch für die Umwelt. Nach dem ­Rauchen werden die Zigarettenstummel oft achtlos weggeworfen.

Allein in Wien landen einer Hochrechnung der Wirtschaftsuniversität zufolge jährlich rund 500 Millionen Kippen auf dem Boden und in der Natur. Weltweit sind es laut der ­Weltgesundheitsorganisation WHO unglaubliche 4,5 Billionen Zigarettenstummel jährlich, die weggeworfen werden. Und sie sind überall: in Parks, auf Spielplätzen, auf öffentlichen Wiesen und Stränden.

Fische, Wale, Schildkröten

In einem Zigarettenfilter finden sich bis zu 4.000 schädliche Stoffe, darunter Teer, Nikotin, Blei, Arsen, Blausäure und Dioxin. Dieser giftige Mix kann im Fall des Verschluckens bei Kleinkindern zu Durchfall und Erbrechen führen. Für Hunde oder ­Vögel kann es sogar tödlich enden. Zigarettenreste wurden bereits im Magen-Darm-Trakt von Fischen, Walen und Meeresschildkröten gefunden.

Gefilterte Giftstoffe werden an Umwelt abgegeben

Die Auswirkungen auf die Umwelt sind ebenfalls verheerend: Zigarettenfilter bestehen aus Celluloseacetat, einem schwer abbaubaren Kunststoff. Es dauert viele ­Jahre, bis die Filter zerfallen. Die aus dem Rauch gefilterten Giftstoffe werden dabei freigesetzt und gelangen mit dem Regenwasser in den Boden und in Gewässer. Eine Kippe kann zwischen 40 und 60 Liter sauberes Grundwasser verunreinigen.

WHO: Filter haben mehr Menschen abhängig gemacht

Zigarettenfilter wurden in den 1950er-Jahren eingeführt, weil sie das Rauchen ­angeblich gesünder machten – das behaupteten zumindest die Tabakfirmen. Für die WHO ist das jedoch Betrug: Die Filter hätten das Rauchen erleichtert und damit mehr Menschen abhängig gemacht. Heute machen sie laut WHO 30 bis 40 Prozent des Gesamtmülls aus, der in Städten und an Stränden vom Boden aufgesammelt wird. Damit sind sie gleich nach Plastiksackerl die am häufigsten weggeworfenen Einweg­artikel aus Kunststoff. 

Ausbeutung in der Produktion

Strafen fürs Wegwerfen

Nur langsam steigt das Bewusstsein für die Auswirkungen von achtlos weggeworfenen Zigarettenresten. In Wien bemüht sich die MA 48 seit Jahren um das Thema: "Jedes Jahr im Frühjahr starten wir eine Kampagne, um mehr Bewusstsein für herumliegenden Müll zu schaffen", sagt Ulrike Volk von der MA 48 in Wien. In der Bundeshauptstadt gibt es bereits über 20.000 Papierkorb-Ascher-Kombinationen und knapp 2.000 frei stehende Aschenrohre.

Während im Jahr 2009 nur etwa 6,6 Millionen Zigarettenstummel in den Aschenbechern landeten, waren es 2018 bereits über 123 Mil­lionen Stück. In Wien gilt das "Wiener ­Reinhaltegesetz", das ein ausdrückliches Verbot von Verunreinigen im öffentlichen Raum vorsieht. Zahlreiche "Waste Watcher" sind auf den Straßen Wiens unterwegs, um abzumahnen, Organstrafen zu verhängen und notfalls Anzeige bei der zuständigen Oberbehörde der Abteilung Wasserrecht zu erstatten.

Statt sie auf die Straße zu ­werfen, sollten Zigarettenfilter in einem Mistkübel entsorgt werden, und zwar im Restmüll. Nicht in der Biotonne! Auch nicht im Gully, da sie das Abwasser verschmutzen. Das Entsorgen von Müll auf dem Boden oder in Gewässern kann in W­ie­n eine Strafe von 50 Euro (je nach ­Tatbestand bis zu 2.000 Euro) nach sich ziehen. Einen Zigarettenstummel aus dem Autofenster zu werfen, kostet gar 75 Euro. "2018 haben wir rund 6.600 Organmandate für weggeworfene Zigarettenstummel verhängt", sagt Ulrike Volk von der MA 48.

Ressourcenintensiver Anbau

Auch die Produktion von Tabak hat Aus­wirkungen auf Mensch und Umwelt. Laut einem Bericht der WHO werden für Tabakplantagen und die Herstellung von Zigaretten Wälder abgeholzt, Böden ausgelaugt, Kohle und Holz verbrannt. Da Tabak in ­Monokulturen angebaut wird, sind große Mengen an Pestiziden und Dünger erforderlich. Dazu werden für den Anbau und die Verarbeitung jährlich 22 Milliarden ­Tonnen Wasser verbraucht.

Fast 90 Prozent des Tabaks werden in Ländern des globalen Südens angebaut, während beinahe der gesamte Profit der Industrie in reichen Ländern landet. In Ländern wie Malawi, wo über 70 Prozent der Menschen in extremer Armut leben, verdrängt die Tabakpflanze den Anbau von Nahrungsmitteln.

Ausbeutung in der Produktion

Ausbeutung und Kinderarbeit prägen den Alltag in der Tabakproduktion. Da die Tabakpflanzen mit der Hand geerntet werden und das Nikotin über die Haut aufgenommen wird, leiden viele Arbeiter unter der sogenannten Grüne-Tabak-Krankheit, die zu Glieder- und Kopfschmerzen führt. 

Gesundheitsgefahren

Gesundheitsgefahren 

Dass Rauchen der Gesundheit schadet, ist mittlerweile bekannt. Auch die Gefahren des Passivrauchens werden zunehmend bewusst.

"Aktuell sterben jedes Jahr weltweit rund acht Millionen Menschen durch den Tabakkonsum", heißt es auf der Homepage der WHO, "1,2 Millionen davon an den Folgen von Passivrauch."

Die WHO hat ein Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakrauchens verfasst, das auch von Österreich ratifiziert wurde. Es umfasst Maßnahmen wie die ­Erhöhung der Tabaksteuer, Rauchverbote, die Sensibilisierung durch Massenmedien, die Umsetzung von Verboten für alle Formen der Verkaufsförderung sowie die Unterstützung bei der Raucherentwöhnung.

Plastikverordnung: Filter noch kein Thema

Was in dem Abkommen allerdings fehlt, ist die ­Bewusstmachung der von Zigarettenstummeln ausgehenden Gefahren für Gesundheit und Umwelt. Auch in der aktuellen EU-Plastikverordnung, die Einwegplastik wie Strohhalme oder Plastiksackerl verbietet, sind Zigarettenfilter kein Thema.

Alternativen und Lösungsansätze

Alternativen und Lösungsansätze

Recycling: Die französische Non-Profit-Organisation GreenMinded bietet Recyclingprogramme für Zigaretten an: Auf diese Weise enden nur 8 Prozent eines Zigarettenstummels im Sondermüll – die restlichen 92 Prozent sind wiederverwertbar. Aus dem recycelten Plastik werden zum Beispiel Möbel oder Stiftehalter hergestellt.

Ökologische Filter: Eine Alternative zu Kunststoff-Filtern bieten ökologische Filter, z.B. von der Firma Greenbutts. Sie bestehen aus reinen Naturfasern wie Flachs, Hanf, Baumwolle und Holz. Verklebt sind sie mit natürlicher Stärke. Nach Angaben des Herstellers verrotten die Filter schon nach etwa einem Monat. Auch große Hersteller konventioneller Filter wie OCB und Gizeh bieten eine ökologische Variante an – bei uns allerdings nur als lose Filter zum Selbstdrehen erhältlich.

Petitionen: Eine Petition auf change.org fordert: 20 Cent pro Kippe an Pfand; das heißt, etwa 4 Euro Pfand pro Packung. Weiters die Ausgabe von Taschenaschenbechern als Transportmittel für Asche und Kippenreste sowie das Recycling von Zigarettenkippen (www.change.org/p/pfand-auf-zigaretten-und-schachteln-svenjaschulze68).

Aschenbecher für unterwegs: In Schwechat und umliegenden Gemeinden sind seit 2019 "TAschenbecher", verschließbare Behälter für Asche, kostenlos auf den Gemeindeämtern erhältlich.

Protestaktionen: NGOs wie Greenpeace oder Fridays for Future organisieren regelmäßig Sammelaktionen von Müll, auch von Zigarettenstummeln.

App: Die MA 48 fordert die Wiener Bevölkerung auf, beim Müllsammeln zu helfen, und hat dazu die Kampagne "Clean dein Wien" ins Leben gerufen. Die App „Litterati“ soll helfen, den Einsatz messbar zu machen (www.cleandeinwien.at/mach-mit).

Raucherentwöhnung: Es gibt zahlreiche Methoden, die beim Abgewöhnen des Rauchens helfen; z.B. die Schlusspunkt-Methode, Hypnose oder eine Nikotinersatztherapie. E-Zigaretten, die oft als Alternative zu herkömmlichen Zigaretten angepriesen werden, haben einen großen Nachteil: Die Flüssigkeit, die in E-Zigaretten verdampft wird, enthält große Mengen des Lösungsmittels Propylenglykol, aus dem bei starker Erhitzung das wahrscheinlich krebserregende Formaldehyd wird – das beim Rauchen auch in die Luft gelangt und von anderen eingeatmet wird.

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