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Verpackungsärger mit Mogelpackungen - Luft-Geschäfte

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Mogelpackung? Große Kartons und drinnen halb leere Packungen: Nichts empört Konsumenten mehr, als wenn sie für ihr gutes Geld Luft statt Lebensmittel bekommen. Wie ungeniert hier getrickst wird, hat aber selbst uns überrascht.

Lesen Sie auch unser Aufgespießt: Mogelpackung - Schluss mit den Tricks 1/2013

Bei einigen Verpackungen ist weniger drin als gedacht (Bild: Leszek)Kunden sind Kummer gewohnt. Zum Beispiel, dass vor lauter superwichtigen Werbebotschaften auf den Verpackungen kaum Platz für Nebensächlichkeiten wie Zutaten­liste und Ablaufdatum bleibt. Wer keine Adleraugen hat, ist angesichts winziger Schriftgrößen ohne Lupe vor dem Verkaufsregal aufgeschmissen. Ebenfalls gefragt: detektivischer Spürsinn. Denn auch das Mindesthaltbarkeitsdatum will oft lange gesucht werden.

Mogelpackungen bringen Kunden auf die Palme

An Zumutungen dieser Art haben sich viele Konsumenten zwar zähneknirschend, aber doch gewöhnt. Was die meisten aber nach wie vor auf die Palme bringt, sind Mogelpackungen. Mogelpackungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie viel Inhalt versprechen, aber nicht bieten. Wie geht das? Gibt es hier keine staatlichen Regelungen, die dafür sorgen, dass Kunden nicht an der Nase herumgeführt werden?

Deutschland: maximal 30% Luft

Bei unseren deutschen Nachbarn hält eine Leitlinie fest, dass in Verpackungen ein Luft­volumen von maximal 30 Prozent des Gesamtvolumens tolerierbar ist. Und auch die European Breakfast Cereal Association empfiehlt ihren Mitgliedern, bei Müslis, Cornflakes, Frühstücksflocken & Co eine Minimum-Füllmenge von 70 Prozent einzuhalten. Macht nach Adam Riese ebenfalls einen Luftanteil von höchstens 30 Prozent.

Österreich: keine gesetzliche Regelung

In Österreich gibt es – nichts! Obwohl ­gesetzlich möglich, wurde bisher keine Verordnung „für den Befüllungsgrad von Verpackungen“ erlassen. Auch nicht 2009, als von der EU die bisherigen Einheitsgrößen ­abgeschafft wurden. Seit diesem Zeitpunkt steht es Herstellern frei, ihre Produkte in den unterschiedlichsten Mengen anzubieten. Vorbei die Zeiten, als eine Tafel Schokolade 100 Gramm haben musste. Heute kann sie auch mit 67 Gramm daherkommen. Und rein zufällig hat sie nicht selten zwar ein neues, nämlich geringeres Gewicht, dafür aber den alten Preis.

Verpackung, die Käufer gezielt in die Irre führen

Verpackungen, die Käufer gezielt in die Irre führen

Was passiert, wenn es keine Beschränkungen gibt, zeigt die Entwicklung der letzten Jahre. Immer öfter kommen uns Verpackungen unter, die Käufer gezielt in die Irre führen. Am beliebtesten ist: Die Verpackung bleibt unverändert, dafür steckt aber weniger drin. Oder: Bei gleichbleibender Füll­menge wird die Verpackung größer und gleich auch teurer. Ein Klassiker ist auch, so zu tun, als bekämen die Kunden etwas geschenkt. Am besten gehen Behauptungen wie „2 zum Preis von 1“ oder "25 Prozent mehr Inhalt“ – schon schlägt in den Gehirnen der meisten Konsumenten das Rabatt-Gen zu. Mitunter kommt man später drauf, dass das vermeintliche Schnäppchen gar ­keines ist, weil es preismäßig keinen oder kaum einen Unterschied zwischen dem „Fast-gratis“-Produkt und dem regulären im Regal ein paar Meter weiter gibt.

"Technologische Notwendigkeit“?

Argumente, oder besser: Ausreden, warum der Verpackungsinhalt häufig nicht den Verbrauchererwartungen entspricht, gibt es ­viele. Immerhin verlangt eine österreichische Richt­linie, dass zur Abfallvermeidung der Ver­packungsanteil so gering wie möglich gehalten werden soll. Dem stehen leider beispielsweise bei den Frühstückszerealien viele ­"technologische Notwendigkeiten" entgegen, sagen die Hersteller.

"Luftpolster schützt Produkt vor Beschädigung"

Highspeed-An­lagen ­füllen in rasender Geschwindigkeit Kunst­stoffbeutel und passen sie ruck, zuck in Überkartons ein. Damit verbleibt zwangsläufig Luft im Plastiksackerl, natürlich zum Wohle des Kunden, weil der Luftpolster das Produkt vor Beschädigungen schützt. Auch die im Verhältnis überdimen­sionierten Kartons sind ein reiner Segen, weil viele verschiedene Produkte eingefüllt werden können, was die Auswahl für die Kunden wunderbar vergrößert.

Paletten ­optimal ­befüllen, Auslieferungen reduzieren

Mit solchen Schachteln kann man die Paletten ­optimal ­befüllen und damit lässt sich die Zahl der Auslieferungen reduzieren. Und die Verpackungen müssen ­eine bestimmte Größe aufweisen, damit jeder Käufer sie bequem mit ­einer Hand nehmen kann. Außerdem sorgt mehr Fläche für besser lesbare Texte, vorausgesetzt, der dafür vor­gesehene Platz wird nicht für Wichtigeres ­gebraucht. Na dann ...

Schutzgas, um die Haltbarkeit zu verlängern

Darüber hinaus, wird vonseiten der Industrie immer wieder argumentiert, muss eine Verpackung manchmal Luft oder Schutzgas enthalten, um etwa die Haltbarkeit des Produktes zu verlängern. Und dann gibt es erstens die auf der Verpackung aufgedruckte Nettofüllmenge und zweitens die Grundpreisauszeichnung am Regal. Wozu also die Aufregung?

Computertomograph durchleuchtet Packungen

Ja, manchmal ist Luft in einer Verpackung ­nötig. Dann bitte aber so, dass dieser „Luftraum“ für Kunden auch einsehbar ist. Und ja, die Nettofüllmenge gibt es auch. Nur: Unter einem Liter oder einem Kilo können sich die meisten noch etwas vorstellen. Bei 355 oder 245 Gramm wird es mit Sicherheit ziemlich schwierig.

Grundpreisauszeichnung hilft kaum

Hier springt die Grundpreisauszeichnung ein. Sie soll den Konsumenten den Preisvergleich zwischen Waren in unterschied­lichen Packungsgrößen ermöglichen. Das tut sie in der Regel auch – vorausgesetzt, man kann sich, vor dem Regal hin und her pendelnd, die einzelnen Preise tatsächlich merken, was angesichts der akustischen Dauer­beschallung in Supermarktfilialen keine ein­fache Übung ist. Dazu kommt: Bei Lebens­mitteln bezieht sich der Grundpreis nicht nur auf Maßeinheiten wie 1 Liter oder 1 Kilogramm. Er kann auch in 100 Gramm oder 100 Milli­litern daherkommen. Gebäck, Eier, Grapefruits, Zitronen, Kiwis und Paprika können pro Stück verkauft werden.

Bier: Grundpreis auf 0,5 l bezogen

Bei Bier bezieht sich der Grundpreis auf 0,5 Liter. Bei Produkten in einer Aufgussflüssigkeit wie etwa Kon­serven ist das ­Abtropfgewicht entscheidend. Und dann gibt es noch jede Menge Produkte, die von der Grundpreisauszeichnung überhaupt aus­genommen sind: Qualitätswein, Konditor­waren, Gewürze und Kräuter bzw. Mischungen da­raus, Tee in Teebeuteln, Spirituosen in Kleinpackungen, Speiseeis-Einzelverpackungen, auch in Überverpackungen usw.

Wie getrickst wird 

Tatsache ist: Es wird Kunden nicht gerade leicht gemacht, herauszufinden, wie viel sie für ihr Geld bekommen. Möglichkeiten, mehr Inhalt vorzutäuschen, gibt es viele. Und sie werden flächendeckend genutzt. Jede Marketing­abteilung weiß, dass die Größe der Verpackung massiven Einfluss auf das Kaufverhalten der Konsumenten hat. Also werden Säcke mit Luft aufgepumpt, damit sich ihre Füllmenge nicht mehr ertasten lässt. Beutel versteckten sich in Überkartons. Ein Sichtfenster wird so angebracht, dass die Verpackung immer randvoll aussieht. Bei den meisten Gläsern und Flaschen kann ­niemand mehr durchschauen.

128-Schicht 3D Computertomographen

Niemand? Nun, wir haben durchgeschaut, und zwar mithilfe eines 128-Schicht 3D Computertomographen. Ein großes Wiener Röntgeninstitut führte für uns das hochauflösende Schichtröntgen durch. Dafür wurden insgesamt 31 Produkte eingekauft. Viele davon waren bereits KONSUMENT-Lesern negativ aufgefallen. Herausgekommen sind glasklare Bilder, die eindrucksvoll zeigen, wie wenig Inhalt in manchen Verpackungen steckt. Am besten, Sie machen sich selbst ein Bild!

Tabelle: Verpackungsärger

Bildergalerie 1: von Hipp bis Kellogg´s, von Eskimo bis Eduscho

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Bildergalerie 2: von Bahlsen bis dm, von Mars bis Oetker

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Bildergalerie 3: von Manner bis Milupa, von Spar bis Radatz

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Zusammenfassung

  • Nur Luft. Die Röntgenfotos zeigen deutlich den Luftanteil in der Verpackung. Wir haben ihn zusätzlich mittels Volumensberechnung ermittelt. Viele Produkte haben einen Luft­anteil von über 30 Prozent, einige bestehen zu mehr als der Hälfte aus Luft.
  • Unbedingt vergleichen. Auch wenn es mühsam ist: Am Vergleichen der jeweiligen Grundpreise führt kein Weg vorbei. Achten Sie unbedingt auch auf die angegebene Nettofüllmenge.
  • Rütteln und schütteln. Wenn ein Produkt auffällig viel Spielraum in einer Schachtel hat, wird meist viel Luft verkauft. Der Schütteltest funktioniert auch bei Dosen und Gläsern, die nicht randvoll gefüllt sind.
  • Knautschtest. Falls ein Beutel nicht mit Luft aufgepumpt ist, lässt sich auch ertasten, wie viel oder wenig Sie für Ihr Geld bekommen.
  • Abwiegen. Lassen Sie sich von Riesenkartons nicht blenden. Achten Sie auf das tatsächliche Gewicht. In einer Riesenschachtel, die sich federleicht anfühlt, kann nicht viel drin sein.
  • Gegenlicht-Test. Halten Sie auch vermeintlich undurchsichtige Verpackungen gegen das Licht. Manchmal schimmert der Inhalt doch durch.
  • Zurückstellen. Lassen Sie übergroße Verpackungen im Regal. Sie verursachen hauptsächlich unnötigen Abfall.
  • Gezielt auswählen. Greifen Sie zu Produkten, deren Verpackungsgröße dem tatsächlichen Inhalt entspricht.

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Mehr Müll

Im Zusammenhang mit dem dargestellten Thema wäre noch auf den dadurch verursachten unnötigen Rohstoffverbrauch und zusätzlichen Verpackungsmüll hinzuweisen, der die für die Müllentsorgung zuständigen Gemeinden erhöht belastet und damit uns allen höhere Müllentsorgungskosten und mehr CO2 in der Atmosphäre beschert.

Constantin Cazan
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