Forschung: 100%, Vermarktung: 200%
            
            
           
         
          
        Ohne Werbung läuft 
in der Branche überhaupt nichts. Für die Vermarktung ihrer Produkte geben die 
Firmen doppelt so viel aus wie für Forschung & Entwicklung. Die 
Methoden sind vielfältig und gehen über Prospekte oder Inserate 
in Fachzeitschriften weit hinaus. Ärzte erhalten regelmäßig Besuche von 
Pharmavertretern, bei denen Geschenke und Gratisproben nicht fehlen dürfen. 
In Belgien (mit Österreich vergleichbar) wird die Zahl der Vertreter auf 
3500 geschätzt.
"Guten Tag Frau Doktor"
Eine britische Erhebung kommt zum Schluss, dass Ärzte so gut wie täglich mit 
einem Vertreterbesuch rechnen müssen. Sie werden für ihre Mitarbeit an 
klinischen Studien bezahlt, sie werden zu Weiterbildungskursen und Konferenzen 
eingeladen, die von Pharmakonzernen organisiert werden, und das womöglich in 
attraktiven Tourismusregionen. So ein bezahlter Urlaub kann (zumindest für Ärzte 
aus der Dritten Welt) wertmäßig ein Viertel des Jahreseinkommens ausmachen. 
Gratis-Medikamente der Kasse 
verrechnet
        
           
             
          
          
         
         
           
           
     
Auch Gesetze und freiwillige Verhaltenskodizes können die Marketingpraktiken 
der Pharmaindustrie nur zum Teil eindämmen. Aktuelles Beispiel: Im Sommer 2005 
gingen in Österreich die Wellen hoch, als der Autor des Buches „Bittere Pillen“, 
Hans Weiss, darauf hinwies, dass Ärzte mit Hausapotheke der Krankenkasse 
Medikamente verrechneten, dies sie selbst als Gratisprobe bekommen hatten. Der 
Gesetzgeber reagierte darauf mit einem Verbot für Naturalrabatte. 
Geldrabatte bleiben erlaubt
Geldrabatte bleiben allerdings erlaubt, sofern sie die 
„Geringfügigkeitsgrenze“ von 7500 Euro jährlich nicht übersteigen. Hans Weiss 
hält das für Augenauswischerei, weil es niemand kontrollieren könne. „Wenn ich 
das nicht an die Öffentlichkeit gebracht hätte, wäre überhaupt nichts passiert.“ 
Wyeth-Lederle verstieß gegen 
Werbeverbot
        
            
            
        
     
Laienwerbung ist in Europa verboten. Die Bewerbung rezeptpflichtiger 
Arzneimittel darf sich nur an Fachleute (Ärzte) richten. Trotzdem kommt es immer 
wieder zu Übertretungen. Zuletzt – im Oktober 2005 – wurde der Firma 
Wyeth-Lederle auf Betreiben des Vereins für Konsumenteninformation untersagt, 
den Pneumokokken-Impfstoff im Internet zu verlosen. 
GlaxoSmithKline: Panikmache um 
Hepatitis
          
         
         
           
           
              
        
   
Eine beliebte Umgehung des Werbeverbotes stellen die so genannten „disease 
awareness campaigns“ dar, also Aufklärungskampagnen, die Menschen vor schweren 
Krankheiten warnen sollen. Solche Kampagnen werden oft von Pharmafirmen 
finanziert, wenn es gilt ein neues Medikament zu vermarkten. In Österreich 
verursachen vor allem Impfkampagnen immer wieder Aufsehen, weil sie mehr mit 
Panikmache als mit Aufklärung zu tun haben. So die vor rund einem Jahr breit 
publizierte Hepatitis-Kampagne, die von GlaxoSmithKline unterstützt wurde (siehe 
„Konsument“ 6/2005, S. 10). 
In diesem Bereich kann kein Unternehmen positiv hervorgehoben werden. Auch 
Unternehmen, die sich sehr wortreich und detailfreudig zu ethischem Verhalten 
verpflichten, sind ebenso häufig in Streitfälle verwickelt wie andere Firmen. 
Mittel 
gegen Schlafkrankheit: vom Markt genommen
Eflornithin, ein besonders wirksames und gut verträgliches Mittel gegen die 
Schlafkrankheit, wurde 1985 zufällig im Rahmen der Krebsforschung entdeckt. Zehn 
Jahre später wurde das Medikament von Hoechst Marion Roussel (heute 
Sanofi-Aventis) vom Markt genommen, weil es nicht rentabel genug war. Fünf Jahre 
danach kam der Konzern Bristol-Myers Squibb drauf, dass der Wirkstoff auch das 
Haarwachstum hemmt, und brachte ihn als Creme gegen Damenbart wieder auf den 
Markt.
Kein Geld für 
Arme-Leute-Krankheiten
           
          
          
          
             
         
           
           
         
           
          
         
          
           
    
An diesem Beispiel, das BUKO Pharma 2004 veröffentlichte, wird das Verhältnis 
der Pharmaindustrie zur Dritten Welt sichtbar. Für typische Krankheiten der 
Dritten Welt wie Schlafkrankheit, Lepra, Tuberkulose oder Malaria werden kaum 
Forschungsgelder investiert. Selbst wenn etwas durch Zufall entdeckt wird lohnt 
es nicht, so ein Mittel anzubieten. 
Viel Geld für Lifestyle-Krankheiten
Dagegen wird sehr viel Geld in die Erforschung von Mitteln gegen so genannte 
Lifestyle-Krankheiten gesteckt, bei denen die potenziellen Käufer erst überzeugt 
werden müssen, dass es sich überhaupt um eine Krankheit handelt, die 
medikamentös zu behandeln ist (Mittel für oder gegen Haarwuchs, gegen Falten, 
Schüchternheit oder Erektionsstörungen). Den größten Umsatz machen die 
Pharmariesen mit Mitteln gegen hohen Blutdruck, hohe Blutfette, Arthritis, 
Depression oder Allergien, und in diese Blockbuster („Kassenschlager“) wird 
folgerichtig auch am meisten investiert. Dagegen werden in die „vernachlässigten 
Krankheiten“ der Dritten Welt schätzungsweise nur 10 Prozent aller 
Forschungsmittel gesteckt – jene Krankheiten, die für 90 Prozent der 
krankheitsbedingten Todesfälle verantwortlich zeichnen. 
AIDS: 39 Konzerne klagten
 Südafrika 
           
          
          
         
              
 
Dass öffentlicher Druck die Branche zum Einlenken zwingen kann, mag das 
Beispiel Südafrikas belegen. Die südafrikanische Regierung wollte im Jahr 1997 
die Produktion billiger AIDS-Medikamente ermöglichen und wurde daraufhin von 39 
Pharmakonzernen geklagt. Die Berichterstattung darüber wirkte sich sehr negativ 
auf das Image der Branche aus, sodass die Konzerne im Jahr 2001 beschlossen, die 
Klage zurückzuziehen. 
Zugeständnisse erst auf Druck 
           
         
        
           
           
          
Welche Möglichkeiten hat ein Unternehmen, die Situation in der Dritten Welt 
zu verbessern? Vor allem müssten die Forschungsaktivitäten für „vernachlässigte“ 
Krankheiten erhöht werden, für lebenswichtige Medikamente wären Preisnachlässe 
zu gewähren bzw. Lizenzen zu deren kostengünstiger Herstellung zu vergeben. In 
Summe werden AstraZeneca, Glaxo und Novartis am besten bewertet, obwohl auch 
diese Firmen teilweise erst auf öffentlichen Druck zu Zugeständnissen bereit 
waren. 
Umwelt 
& Soziales: bestenfalls Durchschnitt
         
          
          
         
         
       
      Umwelt- 
und sozialgerechte Produktion, die bei Ethiktests üblicherweise die 
bestimmenden Faktoren sind, haben in der Pharmabranche nicht dieses hohe 
Gewicht. Die Herstellung von Medikamenten ist nicht sehr arbeitsintensiv, es werden eher 
hoch qualifizierte Arbeitskräfte eingesetzt. Probleme gibt es allerdings in den 
vorgelagerten Stufen, in denen Rohstoffe verarbeitet (Erdölindustrie) bzw. die Wirkstoffe hergestellt 
(Feinchemieindustrie) werden.
Gefährliche Produktion in Billigländer verlagert
Gefährliche und umweltbelastende Produktionsstufen werden häufig in 
Niedriglohnländer ausgelagert. Die meisten Unternehmen scheuen sich, die 
Verantwortung dafür zu übernehmen, sie erteilen den Zulieferbetrieben nur vage 
Auflagen und verstecken sich lieber hinter den vor Ort geltenden Gesetzen. Damit 
ist die Pharmabranche im Vergleich zu anderen Industriezweigen klar im 
Rückstand. Vor allem bei den sozialen Kriterien verdient kein Unternehmen eine 
positive Erwähnung. 
Informationsoffenheit: Glaxo und Eli Lilly an 
der Spitze
          
        
        
           
             
  
Im letzten Bewertungspunkt geht es um Informationsoffenheit. Werden auf der 
Homepage des Unternehmens bzw. in Geschäftsberichten oder Ethik-Reports 
ausführliche Informationen über die soziale Verantwortung geboten? Wie 
bereitwillig werden Fragen der Erheber beantwortet? Nur zwei Konzerne ragen hier 
aus dem Feld heraus: Glaxo und Eli Lilly, während vor allem Pfizer jegliche 
Offenheit vermissen lässt. 
US-Konzerne weit abgeschlagen
            
           
          
           
          
        
Alles in allem kann sich kein Pharmaunternehmen als Pionier in Sachen Ethik 
fühlen. Selbst der Schweizer Konzern Roche, der das Ranking mit deutlichem 
Abstand anführt, kann nur mit einem durchschnittlichem Ergebnis aufwarten (63 
Prozent der möglichen Punkte erreicht). Etwas überraschen mag der zweite und 
dritte Platz für die relativ kleinen dänischen Branchenvertreter Nycomed und 
Novo Nordisk. Sämtliche US-Konzerne landen dagegen im geschlagenen Feld.