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Lebensversicherung: Trickreiche Angebote - Auf Kosten der Kunden

Mit kleinen Tricks bei der Angebotserstellung und Modellberechnung schönen Versicherer die vorgelegten Produkt­angebote. Die Diskrepanz zu All-in-Berechnungen kann mehrere Tausend Euro betragen.

Auf über 600 Milliarden Euro beläuft sich das Finanzvermögen privater Haushalte in Österreich. Mehr als 240 Milliarden davon sind in kaum oder nicht verzinsten Einlagen und in Bargeld geparkt, weitere rund 150 Milliarden Euro stecken in überwiegend gering verzinsten Wertpapieren, Investmentzertifikaten und Lebensversicherungen. Damit sind in etwa zwei Drittel des heimischen Finanzvermögens so veranlagt, dass damit der Inflationsverlust kaum ausge­glichen wird.

Wenig flexibel, hohe Kosten

Und obwohl die Zinsveränderungen der letzten Jahre und Jahrzehnte den Markt extrem verändert haben, sind viele Produkte von ihrer Struktur her mehr oder weniger gleich geblieben und wurden nicht entsprechend angepasst. Das gilt nicht zuletzt oder vor allem für klassische wie fondsgebundene Lebensversicher­un­gen, die mit bekannt hohen Kosten und mangelnder Flexibilität in Niedrigzins­zeiten wenig punkten.

Schwache Rendite mit Garantieprodukten

Nach inoffiziellen Aussagen der Produkt­anbieter wird jede zweite Lebensversicherungspolizze innerhalb der ersten zehn Jahre gekündigt. Das liegt wohl einerseits an zu teuren, intransparenten Produkten und andererseits an zu konservativen Veranlagungen. Mit Garantieprodukten sind derzeit kaum Renditen zu erwirtschaften. Das führt in Kombination mit den hohen Kosten zu enttäuschenden Ergebnissen und letztlich zu zahlreichen vorzeitigen Ausstiegen.

Wie die Anfragen bei unseren Experten zeigen, wissen viele Versicherte trotz Beratung vor dem Abschluss nicht wirklich, worauf sie sich finanziell mit der Lebens­versicherungspolizze einlassen und ob das Produkt, das ihnen angeboten wird, zu­mindest im Schnitt dem aktuell zu erwar­tenden Renditeniveau entspricht.

Kaum vergleichbare Angebote

Dahinter steckt bis zu einem gewissen Grad Methode: Die Produktanbieter konstruieren mit viel Kreativität bei der Kostengestaltung und ­Gewinnbeteiligung Produkte, die selbst bei identischen Ausgangsbedingungen kaum mit einem anderen Angebot vergleichbar sind. Dadurch werden zum einen immer wieder Produkt-Veranlagungs-Kombinationen angeboten und erfolgreich verkauft, die von vornherein zum Scheitern verurteilt sind.

So besteht eine hohe Fluktuation an Produkten. Häufig werden nicht funktionierende Ver­anlagungen wieder eingestampft und neue ­aufgelegt. Nur wenige bestehen seit über 20 Jahren. Zum anderen ist die für alle ­Lebensbereiche geltende Empfehlung, mehrere Angebote zu vergleichen, hier für den Laien einfach nicht umsetzbar.

Infor­mationspflicht und Beratungs-Realität

Durchblick per Verordnung

Um die Lebensversicherungspolizzen durchschaubarer und vergleichbarer zu machen, wurde mit 1. Jänner 2016 eine gesetzliche Verordnung erlassen, die detaillierte Infor­mationspflichten für die Anbieter vorsieht.

So muss die sogenannte Sparprämie (das sind die eingezahlten Prämien abzüglich Kosten, Risikoanteil und Steuern) angegeben werden, damit der Anleger genau weiß, wie viel – oder besser gesagt: wie wenig – von seinem ein­gezahlten Betrag tatsächlich veranlagt wird. Außerdem muss dem zukünftigen Kunden noch vor Vertragsabschluss mitgeteilt werden, in welchem Ausmaß der Vertrag mit ­Kosten belastet wird.

Auf Kosten "vergessen"

Formal halten sich die Versicherer an diese Vorgaben, indem Modellrechnungen und ­tabellarische Darstellungen der Kosten in den Angeboten abgebildet werden. Bei genauer Überprüfung zeigt sich aber, dass es bei der Durchrechnung und vor allem bei der Einrechnung aller Kosten nicht allzu genau hergeht. Bei vielen der Angebote wird scheinbar auf so manchen Kostenbestandteil "vergessen" und somit die vermeintliche Ablaufleistung erhöht.

Mehrere Tausend Euro Unterschied

Im Zuge einer Studie im Auftrag der Arbeiterkammer Tirol sind wir quer durch die Branche auf Tricks bei der Angebotsgestaltung, den Modellrechnungen und Kostendarstellungen gestoßen, die bis zum Vertragsablauf zu Ergebnisschwankungen von mehreren Tausend Euro führen können. Beispielgebend sehen Sie auf den nächsten Seiten zwei dieser verzerrenden Berechnungsarten.

Trick 1: Geschönte Angebote

Trick 1: Geschönte Angebote

Mithilfe des Analyse- und Vergleichsprogramms der Online-Plattform fynup haben wir uns Angebote der Versicherer genau ­angesehen und dabei festgestellt, dass bei den Produkten, die an die Kunden weiter­gegeben wurden, bestimmte Parameter nicht mit einberechnet worden waren (siehe Kapitel "Aus der Trickkiste").

Die Angebote wurden nun unter Einbeziehung aller tatsächlichen Kosten (sogenannte ­All-in-Berechnung) nachgerechnet – und wiesen erhebliche Diskrepanzen zur An­bieterberechnung auf. So versprach zum Beispiel beim Modellvergleich von drei Fondspolizzen eine davon einen möglichen Mehrertrag von 7.000 ­Euro und darüber. Wer würde da nicht gleich zugreifen! Mit der All-in-Berechnung zeigt sich jedoch ein ­völlig anderes Bild. Nun bringt die Produkt-Anlage-Kom­bination in Blau um fast 10.000 Euro mehr ­Ertrag als die gelbe und fast 20.000 Euro mehr als die rote (siehe Grafik).

Modellrechnungen von Fondspolizzen (Infografik: Caroline Müllner)

All-in-Berechnungen sind aussagekräftiger als einfache Angebotsvergleiche, weil hier alle Kosten, auch die Kosten auf Veran­lagungsebene, berücksichtigt werden. Mit dieser Analyse kann man zusätzlich prüfen, ob sich höhere Kosten mit höheren Gewinnen bezahlt gemacht hätten.

Nicht Rendite sondern Kosten entscheiden!

Zudem ist es sehr zu empfehlen, nicht nur die Ergebnisse zum Ablauf zu betrachten, sondern auch auf den Verlauf zu achten. Mit dem gelben Produkt ist man beispielsweise 15 Jahre lang im Minus – und das bei einer Markt­rendite von 6 Prozent. Nicht die Rendite ist schuld an schlechten ­Ergebnissen, sondern die Kosten aus Produkt und Veranlagung.

Trick 2: Gewinnbeteiligungen

Trick 2: Gewinnbeteiligung bei höheren Kosten

Eine beliebte, für die Kunden nicht durchschaubare Methode sind weiters nicht ­garantierte Gewinnbeteiligungen in unterschiedlichster Form, zum Beispiel in Form von Teilen der Fondskosten-Rückerstattung. Im Gegenzug zu dem vielleicht (weil nicht garantiert) anfallenden Bonus werden aber schon einmal fix höhere Kosten angesetzt. Während diese über die gesamte Laufzeit festgesetzt werden, hängen die Gewinn­beteiligungen von – für den Versicherten – nicht nachvollzieh­baren Voraussetzungen ab.

Beteiligung eingerechnet, aber nicht garantiert

Im Vertrag finden sich dazu zum Beispiel schwammige Formulierungen wie "... wenn dies sachlich gerechtfertigt ist". So wird dann jährlich entschieden, ob und in welcher Höhe zum Beispiel eine Fonds­kosten-Rückerstattung "gewährt" wird. In den Modellrechnungen der Anbieter wird die Rückerstattung aber über die ge­samte Laufzeit zu 100 Prozent eingerechnet. Für die Versicherer ist diese Methode ideal: Die höheren Kosten sind fix, die Gewinn­beteiligung bleibt offen.

Für die Konsumenten ist der Vorteil nicht erkennbar. Anstatt über die gesamte Laufzeit mehr zu zahlen, um dann vielleicht einen Bonus zu erhalten, sind von vorn­herein kostengünstige Produkte ohne ­Zusatzgewinne zu bevorzugen.

Ohne Technik kaum vergleichbar

Unzureichende Aufklärung und Vermittlung

Für die Kunden sind diese und ähnliche Spielarten schwer zu durchschauen und ein Angebotsvergleich auf eigene Faust ist praktisch nicht zu bewerkstelligen. Eine qualitativ hochstehende, auf individuelle Bedürfnisse eingehende Beratung könnte hier sicher viel leisten, doch der zeitliche Aufwand dafür ist groß und wird von Beraterseite oft gescheut.

Gespräche mit betroffenen Konsumenten zeigen auch, dass die Versicherungsvermittler die angebotenen Produkte oft zu unkritisch analysieren oder ihre eigenen Interessen (an neuerlichen Vertrags­abschlüssen und somit Provisionen) eher bedienen, als im Interesse ihrer Kunden ­tätig zu werden.

Volle Gebühren bei jedem Umstieg

Bei jedem Neuabschluss, aber auch beim Umstieg von einer bestehenden Polizze auf eine neue wird wieder der gesamte Rattenschwanz an Gebühren und Provisionen fällig, der zunächst einmal nur dem Versicherer und dem Vermittler der Polizze wirklich etwas bringt. Ignoriert wird dabei, dass der Finanzberater verpflichtet ist, die Interessen der Klienten zu wahren, und bei mangelhafter Beratung auch dafür haftet.

Vergleichsservice für alle

Die immer komplexeren Tarifstrukturen machen es aber natürlich auch für Berater schwer, alle Finessen mit einzukalkulieren. Ohne technische Unterstützung, wie etwa Vergleichsrechner, können hier kaum noch stichhaltige Vergleiche angestellt und durchdachte Angebote vorgelegt werden. Die Plattform fynup.com arbeitet derzeit daran, den bislang für Finanzberater vorgesehenen Vergleichsservice auch für private Interessenten zur Verfügung zu stellen.

Vergleichsplattform und Berater nutzen

Wer sich aktuell für den Neuabschluss einer Lebensversicherungspolizze interessiert oder sein bestehendes Produkt überprüfen lassen will, sollte aber jedenfalls darauf achten, dass bei der Beratung und Ver­mittlung einer Polizze auf technische Hilfsmittel und unabhängige Vergleichsplatt­formen zurückgegriffen wird.

Das erspart zum einen den Beratern viel Zeit und schützt sie vor Haftungsfragen. Zum anderen bietet eine professionelle Analyse eine gewisse Gewähr, dass bei der Vorauswahl der optimalen Produkt-Veranlagungs-­Kombination wirklich alle Parameter mit einbezogen und sämtliche Kostenpunkte einberechnet werden.

Aus der Trickkiste

Folgende Parameter werden häufig nicht mit eingerechnet oder unterschiedlich berück­sichtigt, was die Ergebnisse stark verzerrt und Vergleiche praktisch unmöglich macht:

- Laufende Kosten der Veranlagungen – z.B. für das Fondsmanagement; diese Kosten können durchaus die Hälfte der Marktrendite, die zur Berechnung des Ertrags angesetzt wurde, aufzehren und somit zu einem verzerrten Ergebnis führen.

- Fondskosten-Rückerstattungen – Teile der Fondskosten werden marktüblich an die Produktanbieter rückerstattet, die sie aber unterschiedlich verwenden: Manche decken damit Teile der eigenen Verwaltungskosten ab oder verwenden sie für Provisionen an ihre Vermittler, andere geben sie an die Kunden weiter oder investieren sie (zum Vorteil des Kunden) in Fonds, bei denen es zu keiner Kostenrückerstattung kommt.

- Zusätzliche veranlagungsbezogene Kosten.

- Nicht garantierte Zusatzgewinne – diese sind teilweise sehr hoch, werden in Modellrechnungen voll eingerechnet, sind aber nicht garantiert und können jederzeit entfallen.

Umsteigen oder bleiben?

Ob ein Wechsel von einem teuren, wenig ertragreichen Produkt zu einem anderen ratsam ist, hängt von mehreren Faktoren ab – unter anderem davon, wie lange der bestehende Vertrag schon läuft, wie lange er laut Vereinbarung noch laufen soll und welche Kosten damit verbunden sind.

Nach unseren Erfahrungen ist es eher so, dass Verträge zu häufig gewechselt werden, obwohl nicht wirklich die Notwendigkeit dazu besteht. Vor allem auf den eigenen Vorteil bedachte An­bieter und Berater drängen nach einigen Jahren gern zum Wechsel, weil nach den ersten fünf Jahren oft der Großteil der Vermittlungsgebühren und Kosten abgezahlt ist und durch einen Neuabschluss wieder Provisionen und Abschlussgebühren fällig werden.

Andererseits finden wir immer wieder Anlagekombinationen, welche in der bestehenden Form aufgrund der hohen Kosten kaum eine Chance auf Gewinne haben. In diesen Fällen sollte man tatsächlich aussteigen.

fynup

Eine Überprüfung der bestehenden Polizze (z.B. durch einen oder mehrere unabhängige Berater oder auf einer Online-Plattform wie fynup, die in abseh­barer Zeit auch für private Interessenten nutzbar sein wird) schafft Klarheit, gibt Sicherheit und eröffnet unter Umständen neue Möglich­keiten.

VKI-Tipps

  • Verlauf beachten. Achten Sie nicht nur auf die prognostizierten Endergebnisse, lassen Sie sich von Ihrem Berater auch den Verlauf zeigen. Gewinn-/Verlust-Grafiken zeigen hohe Abschlusskosten zu Beginn am deutlichsten.
  • All-in-Berechnung. Verlangen Sie von Ihrem Berater eine Hochrechnung, die alle Kosten berücksichtigt. Nur so können Sie versteckte Kosten und trickreiche Berechnungen entlarven. Lassen Sie sich nicht durch Fondsrenditen beeindrucken – davon kommen noch jede Menge Kosten und Steuern weg.
  • Unsichere Gewinnzusagen. Produkte, bei denen höhere Kosten fixiert werden und im Gegenzug eine Gewinnbeteiligung in Aussicht gestellt wird, bringen keine erkennbaren Vorteile. Günstige Angebote, bei denen die Kosten über die gesamte Laufzeit fixiert sind und die ohne Gewinnzusagen auskommen, sind zu bevorzugen.

Leserreaktionen

2.000 Euro Verlust

Die Lebensversicherung meines Mannes ist gerade eben fällig geworden. Die Generali Versicherung gratuliert zum Ergebnis. Es gibt nur einen kleinen Schönheitsfehler: Im Laufe der Jahre wurden 2.000 € (in Worten: zweitausend) mehr eingezahlt als er herausbekommt. Das ist ein Verlust von 22 %. Von Generali wurde während der Laufzeit der Fonds gewechselt. Der neue Fonds hat einen weitaus schlechteren Kurs als der alte. Laufzeit des Vertrages: 10 Jahre.

Selbstverständlich hat mein Mann sich beraten lassen. Und jetzt? Warum haben wir das Geld nicht unter den Kopfpolster gelegt? Da wären nämlich 2.000 Euro mehr da.

Karin Pillhofer
E-Mail
(aus KONSUMENT 1/2018)

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