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Glutenfreie Lebensmittel - Fragwürdiger Boom im Regal

Wer nicht von einer echten Unverträglichkeit betroffen ist, braucht sie nicht.

Nur bei Zöliakie hilft glutenfreie Ernährung. Gesunde Menschen profitieren nicht von glutenfreien Produkten (Bild: Lo-Random/Shutterstock)

Immer mehr Menschen befürchten, dass ihr Körper einzelne Nahrungsbestandteile nicht gut verträgt. Die Lebensmittel­in­dustrie hat darauf reagiert: In den Regalen von Supermärkten, Drogerieketten, Reform­häusern und Apotheken findet sich ein ­breites ­Angebot an Produkten, die frei von allerlei ­Bestandteilen sind. Und weil die Preise zum Teil beachtlich sind, wird auch gut daran verdient. Hier zwei Bei­spiele:

  • Zwieback: Herkömm­licher Zwieback ist ab ca. 2,20 €/kg erhältlich, ­glutenfreier Zwieback ­k­ostet zwischen 16 und 21 €/kg. ­
  • Kekse: Reguläre Kekse der Eigenmarken sind um knapp 3,20 €/kg zu haben, ­glutenfreie ­Kekse gibt es ab 12 €/kg.

Wichtiger Teil unserer Nahrung

Gluten ist jedenfalls seit Jahrtausenden ein wichtiger Bestandteil unserer Nahrung. ­Ohne seine Eigenschaft als Kleber gäbe es kein lockeres Brot, keine flaumigen ­Kuchen. Glutenhaltige Getreidesorten sind Weizen, Dinkel, Roggen, Hafer, Gerste, Grünkorn, ­Kamut, Emmer, Einkorn, Urkorn und Triticale.

Zöliakie

Bei Menschen mit Zöliakie löst das mit der Nahrung aufgenommene Gluten eine ­Autoimmunreaktion aus. Sie führt zur Schädigung der Dünndarmschleimhaut. Die Aufspaltung von Nährstoffen und deren Aufnahme ist beeinträchtigt. Es können ­typische Verdauungsbeschwerden auftreten, aber auch weniger leicht zuordenbare Beschwerden wie Konzentrationsschwäche oder ­Abgeschlagenheit. Die Folgen ­einer verminderten Nährstoffaufnahme – etwa Osteoporose – bleiben oft lange ­unerkannt. Die Krankheit kann in jedem Lebensalter auftreten, eine familiäre Häufung ist ­möglich.

Weizenallergie

Die einzige Therapie, die der Darmschleimhaut Erholung ermöglicht, ist eine strikte, lebenslange glutenfreie Ernährung. Die ­Betonung liegt dabei auf strikt, denn schon kleinste Verunreinigungen, etwa über das Brotkörbchen oder die Brotschneide­maschine, schädigen die Darmschleimhaut.

Weizenallergie

Bei Menschen mit einer Weizenallergie ­führen Weizenproteine zu einer allergischen ­Reaktion. Dabei kann es sich unter anderen um die glutenhaltigen Kleberproteine ­handeln. Die Weizenallergie kann sich in Verdauungsbeschwerden äußern, genauso aber mit klassischen Allergiesymptomen wie Jucken, Hautrötungen, Atemnot. Hier gilt es in erster Linie, Weizen und Weizenprodukte wie Grünkern, Bulgur oder Weizen-­Couscous zu vermeiden. Auch Dinkel, ­Emmer und Triticale müssen meist aus dem Speiseplan verbannt werden. Roggen, Hafer und Gerste werden hingegen gut vertragen.

Diagnose "Glutensensitivität"

Wurde bei entsprechenden Beschwerden sowohl eine bestehende Zöliakie als auch eine Weizenallergie ärztlich ­ausgeschlossen, ist die Diagnose „Glutensensitivität“ möglich. Hier ist es ratsam, eine diätologische Fachberatung aufzusuchen und gemeinsam individuelle Lösungen zu erarbeiten.

Wieso mehr zahlen, wenn es eher schadet als nutzt?

Weniger ist zu wenig

Gesunden Menschen wird von einer glutenfreien Ernährung ausdrücklich abgeraten. Vollkornprodukte aus Weizen, Roggen oder Gerste enthalten wichtige Vitamine und Mineralstoffe wie beispielsweise ­Eisen, Zink oder Magnesium. Der Entfall von ­Vollkornprodukten verringert die Ballaststoffaufnahme. Zöliakiekranke sind daher unter regelmäßiger ärztlicher Kontrolle und ­erhalten gegebenenfalls fachlich ab­gestimmte Ernährungsempfehlungen, um Mangelerscheinungen zu vermeiden.

Geld verdienen mit Ersatzprodukten

Im Internet berichten zahlreiche mehr oder weniger prominente Personen über positive Erfahrungen mit glutenfreier ­Ernährung. Denken Sie daran: Diese ­Menschen tun das für Geld, das sie mit der Werbung für Ersatzprodukte ­verdienen. Und: Würden Sie Betablocker oder Antibio­tika ohne ärztliche Verschreibung einnehmen? Eben.

Und dann wäre auch noch die Sache mit dem Preis: Wieso erheblich mehr ausgeben, wenn es eher schadet als nutzt?

Keine Diät ohne Arzt

Beschwerden im Zusammenhang mit dem Verzehr von Lebensmitteln gehören unbedingt ärztlich abgeklärt! ­Bessern sich mit einer glutenfreien Diät die Symptome, so verfälscht es das Untersuchungsergebnis. Daher, auch wenn es aufgrund der Be­schwerden schwerfällt: keine glutenfreie Ernährung vor dem Arztbesuch!

Gluten: Der? Die? Das? Aussprache?

Die Frage nach dem Artikel ist eindeutig zu beantworten: das Gluten, die Glutene. Bei der Aussprache wird es etwas schwieriger. Laut Duden und den meisten deutschsprachigen Fachleuten mit Betonung am "e". Lateiner verweisen jedoch auf die Herkunft vom lateinischen gluten/Leim, das (genauso wie auch im Englischen) am "u" betont wird. Es gibt hier also kein eindeutiges Richtig oder Falsch.

Wem hilft eine glutenfreie Ernährung wirklich?

  • Bei Zöliakie: Die einzige Möglichkeit, beschwerdefrei zu leben.
  • Bei einer Weizenallergie: In seltenen Fällen. Einige glutenhaltige Getreidearten werden vertragen. Achtung: Auch glutenfreie Produkte können allergie­auslösende Weizenproteine enthalten! Es muss also in jedem Fall die Zutatenliste studiert ­werden!
  • Bei Glutensensitivität: Es kann helfen, besonders glutenhaltige Produkte wie Brot oder Nudeln zu meiden.

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