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Nahrungsergänzungsmittel im Direktvertrieb - Überdosiert

Nahrungsergänzungsmittel sind fast immer überflüssig. Warum lassen sich mit ihnen trotzdem fette Geschäfte machen? Im Test: Wer verkauft diese Produkte und was bekommen die Kunden von Amway, FitLine, Herbalife und Juice Plus eigentlich für ihr Geld?

Nahrungsergänzungsmittel boomen (Bild: Comic von Rosch)  

Sie fühlen sich in letzter Zeit oft schlapp. Selbst wenn Sie in der Nacht gut geschlafen haben, kommen Sie am Morgen kaum aus dem Bett. Und schon am frühen Nachmittag überfällt Sie eine bleierne Müdigkeit. Sie ­suchen nach etwas, irgendeinem geeigneten Mittel, das Sie wieder auf Vordermann bringt. Eine Freundin erzählt Ihnen begeistert von einem Produkt, das ihr phänomenal gegen Alltagsunpässlichkeiten wie die Ihren hilft. Sie gehen im Internet auf die empfohlene Homepage und landen auf einer Seite, die Sie anspricht. Sie beschließen, die dort angebotene Beratung in Anspruch zu nehmen, und rufen an.

Amway, Herbalife, FitLine, Juice Plus: keine Arzneimittel

Wer am anderen Ende der Telefonleitung ­abhebt, ist ein Mitarbeiter einer Firma, die mit ausgeklügelten Marketing- und Verkaufsstrategien sogenannte Nahrungsergänzungsmittel (NEM) verkauft - etwa Amway, Herbalife, FitLine, Juice Plus. Unter einem Nahrungsergänzungsmittel versteht man Vitamine, Mineralstoffe bzw. Spurenenlemente in konzentrierter Form oder Kräuter- und Pflanzenextrakte, die als Kapseln, Pillen oder Säfte angeboten werden. NEM sind grundsätzlich Lebensmittel. Sie können eine breite Palette von Nähr­stoffen und anderen Zutaten enthalten. Sie sind keine Arzneimittel, auch wenn die ­Abgrenzung oft schwierig ist.

Wer braucht solche Präparate?

Die Antwort ist einfach: niemand, der sich halbwegs ­ausgewogen ernährt. Nur bei Personen in besonderen Lebenssituationen wie z.B. Schwangeren, chronisch Kranken oder Hochleis­tungssportlern kann die Einnahme von ­einzelnen konzentrierten Nährstoffen Sinn machen. Aber auch das nur unter fachlicher Aufsicht.

Pillen gegen schlechtes Gewissen

Doch obwohl der Großteil der Menschen hierzulande sehr gut ohne Nahrungsergänzungsmittel auskommt, sind sie alles andere als ­Ladenhüter. Die meisten wissen über eine gesunde Ernährung inzwischen Bescheid. Und dass Bewegung und Sport gegen viele Beschwerden hilft, ist auch längst kein Geheimnis mehr. Aber bei vielen ist zwar der Wille stark, doch das Fleisch schwach. Was bleibt, ist ein schlechtes Gewissen, gegen das schnell ein paar Nährstoffe in Pillenform eingeworfen werden. Aber auch Personen, die sich optimal ernähren, nehmen nach der Devise „man weiß ja nie“ bzw. „wenn’s nichts hilft, schadet’s auch nichts“ oft zusätzlich Nährstoffe ein.

Direkter Verkauf an den Kunden

Was steckt in Nahrungsergänzungsmitteln?

Wie populär diese Produkte inzwischen sind, sehen wir an unseren Leseranfragen. Immer wieder wollen Konsumenten von uns wissen, was in Nahrungsergänzungsmitteln steckt, ob wir sie empfehlen können oder was wir von einzelnen NEM-Anbietern halten. Ein Aufruf an die KONSUMENT-Leser vor einigen Monaten, uns ihre Erfahrungen mit Nahrungsergänzungsmitteln zu schildern, zeigte enorme Resonanz.

Höchste Zeit also, einmal nachzusehen, wer die Platzhirsche am österreichischen NEM-Markt sind. Was wird den Kunden mit welchen Argumenten verkauft? Woraus bestehen die angedienten Produkte? Wie laufen die angebotenen Beratungen ab?

Vemma antwortet nicht

Die meisten unserer Leser, die sich bei uns meldeten, hatten Kontakt mit den Firmen ­Amway, FitLine, Herbalife, Juice Plus und ­Vemma. Also setzten wir unsere Tester auf genau diese ­Unternehmen an. Ausgerechnet mit Vemma, das uns am häufigsten genannt wurde und dessen Geschäftsmodell fast undurchschaubar ist, kam leider kein Kontakt zustande. Trotz mehrmaligen Nachfragens war es nicht möglich, einen Termin zu ver­einbaren. Wir können daher zur Beratungsqualität von Vemma nichts sagen. Bei allen anderen Firmen klappte die Terminverein­barung dagegen problemlos.

Verkauf direkt an den Konsumeten

Amway & Co gehören zu den Direktvertreibern (siehe Seite 6 „Auf direktem Weg“). Sie verkaufen ihre Produkte direkt an die Konsumenten, ohne Umweg über den Handel. Diese Firmen dürfen vieles, aber nicht alles. Manche Praktiken hat der Gesetzgeber ausdrücklich verboten. Kein Verkäufer darf einen Kunden besuchen, um ihm ein Nahrungs­ergänzungsmittel zu verkaufen. Auch Werbeveranstaltungen in Privathaushalten, also NEM-Partys, sind tabu.

Klare Vorschriften für den Direktvertrieb

Vorschriften im Direktvertrieb

Unabhängig vom Vertriebsweg darf kein Nahrungsergänzungsmittel damit beworben werden, dass man damit Krankheiten vorbeugen, sie behandeln oder heilen kann. Die Produkte dürfen nur verpackt abgegeben werden und lediglich bestimmte Mineral­stoffe und Vita­mine enthalten. Auf der Verpackung muss klar und deutlich die empfohlene Verzehrsmenge angegeben sein. Außerdem ein Warnhinweis, diese Menge nicht zu überschreiten. Nicht ­zulässig ist auch die Behauptung, dass NEM eine abwechslungsreiche Ernährung ­ersetzen können. Viele Bestimmungen – ­halten sich die Firmen an diese Vorgaben oder nehmen sie es nicht ganz so genau?

Berater nahmen sich viel Zeit

Bei der Anbahnung der Gespäche klappte alles problemlos. Die Berater nahmen sich viel Zeit, uns die Vorzüge ihrer Produkte zu erklären: Zwischen einer halben Stunde (Amway) und 110 Minuten (FitLine) wurden dafür aufgewendet. Alle unsere Testper­sonen, die angegeben hatten, sich öfter ­müde und schlapp zu fühlen, bekamen jeweils dieselben Nahrungsergänzungmittel empfohlen. Nur bei Amway waren es zwei verschiedene Produkte.

Keine krankheitsbezogenen Angaben

Womit wir nicht gerechnet hatten und was uns daher sehr positiv überraschte: Kein ­einziger Berater bewarb seine Produkte mit krankheitsbezogenen Angaben. Die Gerüchte, dass NEM u.a. als Therapie gegen Krebs angeboten werden, können wir daher nicht bestätigen. Uns wurden weder Krankengeschichten erzählt noch Versprechungen gemacht, dass man mit den empfohlenen Pillen und Säften Krankheiten vermeiden oder lindern könne. Manches, was wir zu hören bekamen, war allerdings „grenzwertig“. Präparate von FitLine, wurde uns berichtet, verhindern angeblich Schnupfen. Und mit jenen von Amway, so der Berater, hätte er seinen Diabetes im Griff.

Märchenstunde

Fast jeder Berater tischte uns dagegen die Mär von den ausgelaugten Böden auf, verbunden mit der Behauptung, dass unsere Lebensmittel deshalb kaum noch Nährstoffe enthalten. Oder den Klassiker, dass wir alle inzwischen angeblich wesentlich mehr Vitamine und Sprurenelemente brauchen als noch vor einigen Jahren, falls wir nicht vorzeitig altern ­wollen. Klingt alles eingängig, entbehrt aber jeder wissenschaftlichen Grundlage.

Sonne beeinflusst Vitamingehalt in Obst und Gemüse

Sowohl in der konventionellen als auch in der biologischen Landwirtschaft werden die Böden gedüngt. Wie viele Nährstoffe in Obst und Gemüse stecken, ist vor allem abhängig von der Sorte und dem Reifeprozess. Um ein Beispiel bei Äpfeln zu nennen: In einem Berlepsch steckt durchschnittlich wesentlich mehr Vitamin C als in einem Gloster. Einfluss hat auch, wie viel Sonne eine Pflanze bekommt, wann geerntet und die Frucht letztendlich gegessen wird. Kauft man frisches Gemüse ein und bunkert es dann über Tage im Kühlschrank, kommt es zu Vitaminver­lusten. Mit solchen lästigen Details hält sich in der NEM-Branche natürlich niemand auf. Im mystischen Dunkel bleibt auch, warum sich unser Nährstoffbedarf über die Jahre erhöht haben und deswegen eine akute Vergreisung drohen soll.

Ausgewogene Ernährung kann nicht ersetzt werden

Von keinem Berater kam der Hinweis, dass man vor der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln mit einem Arzt oder einer ­Ernährungsfachkraft sprechen sollte. Juice Plus hielten auch eine Anam­nese für vollkommen überflüssig. Bei dieser Firma wurden unseren Testpersonen keinerlei Fragen zu Medikamenteneinnahme, Allergien oder ­Unverträglichkeiten gestellt. Nur bei Herba­life wurde in jedem Gespräch festgehalten, dass ein Nahrungsergänzungsmittel keinesfalls eine ausgewogene Ernährung ersetzen kann. Im krassen Gegensatz dazu steht FitLine, wo davon keine Rede war.

Ein Mittel gegen alles

Ein Mittel gegen alles

In Fahrt kamen alle NEM-Verkäufer dort, wo es um die unschlagbaren Vorzüge des eigenen Produktes ging. Olympiasieger und Weltmeister vertrauen auf FitLine, Spitzensportler und ein bekannter Schwimmstar setzen auf Juice Plus, wurde unseren Testern aufgeregt berichtet. Und ausnahmslos alle Berater versicherten uns, dass sie selbst jene Nahrungsergänzungsmittel einnehmen, die wir schließlich bei ihnen kauften. Letzteres glauben wir ihnen aufs Wort! Jeder, der in diesem Geschäftsfeld arbeitet, muss selbst regelmäßig bei seinem Direktvertriebsunternehmen einkaufen, damit Geld fließt.

Kunden als neue Berater keilen

Erstaunlich fanden wir auch, dass allen unseren Testern die immer gleichen Segnungen versprochen wurden: mehr Fitness, mehr Wohlbefinden, erhöhte Leistungsfähigkeit, keine Nebenwirkungen – und zwar ganz egal, von welchem NEM-Unternehmen sie gerade beraten und welche Produkte ihnen empfohlen wurden. Bemerkenswert auch: So gut wie alle Verkäufer versuchten, die vermeintlichen Kunden gleich auch als neue Berater zu keilen. Mit welchen Methoden hier gearbeitet wird, lesen Sie auf der Seite 7 „Vom Kunden zum Keiler“.

Vitamin- bzw. Mineralstoffgehalt verglichen

Wir haben uns nicht anwerben, dafür aber viel verkaufen lassen. Bei allen erstandenen Produkten ermittelten wir den Vitamin- bzw. Mineralstoffgehalt. Anschließend wurden die Werte mit den Empfehlungen des Bundesministeriums für Gesundheit verglichen. Ergebnis: Bei FitLine gab es Überschrei­tungen bei 8 verschiedenen Vitaminen und Mineralstoffen, bei Amway, Juice Plus und Herbalife jeweils eine.

Überdosiert

Zusätzlich verglichen wir die Dosierungsvorschläge der Berater mit den D-A-CH-Referenzwerten für die Nährstoffzufuhr. (D-A-CH steht für Deutschland, Österreich, Schweiz und ist ein Zusammenschluss der Ernährungsgesellschaften dieser Länder.) Auch hier wurden die von den Experten empfoh­lenen Aufnahmemengen in einigen Fällen überschritten. Bei FitLine waren 7 Vitamine bzw. Mineralstoffe überdosiert, bei Amway 4 bzw. 3 und bei Juice Plus 3. Auch wenn alle diese Nährstoffe wasserlöslich und damit nicht ganz so problematisch sind, weil sie über die Nieren ausgeschieden werden: Ein Zuviel an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen ist auf Dauer keineswegs ungefährlich, wie aktuelle Studien beweisen.

Präparate lösen "Energieschub" aus

Bei FitLine wurde unseren Testpersonen ­übrigens schon während des Gesprächs das empfohlene Activize Oxyplus verabreicht. Die vermeintlichen Kunden sollten selbst erfahren, dass das Mittel wirkt. Hitze, ein roter Kopf und rote Flecken im Gesicht und auf den Armen waren die äußerst unangenehmen Folgen. Erklärt wurde das von den Beratern mit einem „Energieschub“, den das Präparat auslöse. Wir nehmen an, dass diese Beschwerden vor allem auf die im Produkt ­enthaltene hohe Dosis von Niacin, einem ­Vitamin, aber auch auf das zugesetzte Guarana und Koffein zurückzuführen sind.

Gehirnwäsche

Bei sämtlichen Gesprächen, die für unsere Untersuchung geführt wurden, beeindruckte die Tester vor allem eines: Alle Berater ­waren rhetorisch hervorragend geschult. Sie wuss­ten haargenau, was sie sagen durften und was nicht. Sie waren in der Lage, ihr Gegenüber auf einer sehr persönlichen ­Ebene an­zusprechen, ohne aufdringlich zu wirken. Die Produktpräsentation erfolgte so geschickt, dass selbst unsere Experten streckenweise wider besseres Wissen ­glaubten, was man ihnen erzählte. Als ­„kleine Gehirnwäsche“ bezeichnete eine unserer Testpersonen eine absolvierte Beratung, als sie wieder klar denken konnte. Kein Wunder, dass unglaubliche 80 Prozent aller Kunden im Direktvertrieb spätestens beim zweiten Kontakt kaufen!

Hier haben wir für Sie zusammengefasst, was unseren Testper­sonen vorgeschlagen wurde. Wir haben außerdem berechnet, zu welchen Überdosierungen es bei Einnahme der Mittel ­aufgrund der Empfehlungen kommen kann.

Testergebnis Amway

Nahrungsergänzungsmittel Amway (Bild: VKI/E. Würth)

Unternehmen: Wurde Ende der 1950er-Jahre gegründet und ist nach wie vor in Familienbesitz. Auf vielen internationalen Märkten vertreten. Das Sortiment umfasst neben Nahrungsergänzungsmitteln auch Kosmetika, Abnehmprodukte, Kochgeschirr und Reinigungsmittel.

Beratungsdauer: 30 bis 60 Minuten

Empfohlene Produkte: Nutrilite Double X-Paket (Testerin 1), Nutrilite Einmal täglich, Nutrilite Vitamin C Plus (Testerin 2)

Kosten: Nutrilite Double X-Paket 74,23 €, Nutrilite Einmal täglich 44 €, Nutrilite Vitamin C Plus 50,16 €

Behauptete Produktvorzüge: keine Chemie, keine künstlichen Aromen, enthält alle benötigten Vitamine; steigert Aktivität und Konzentration, stärkt das Immunsystem und fördert die Leistungsfähigkeit

Vorgeschlagene Einnahmedauer: mindestens 4 Wochen, am besten auf Dauer

Von uns berechnete Überdosierung: Bei täglicher Einnahme Gefahr einer Überdosierung bei Biotin, Niacin, Vitamin B1 und B2 sowie Vitamin C möglich.

Testergebnis FitLine

Nahrungsergänzungsmittel FitLine (Bild: VKI/E. Würth)

Unternehmen: Die PM International AG wurde 1993 in Deutschland von Rolf Sorg gegründet. Inzwischen in rund mehr als 35 weiteren Ländern tätig. Bietet neben Nahrungsergänzungsmitteln, die gegen vorzeitiges Altern helfen sollen, auch Kosmetika an.

Beratungsdauer: 70 bis 110 Minuten

Empfohlene Produkte: Power Cocktail, Restorate und Activize Oxyplus

Kosten: 108,62 €, bei Teampartnerschaft Ermäßigung von 20 bis 30 % (je nach Berater)

Behauptete Produktvorzüge: erhöht den Sauerstoffanteil im Blut, optimale Versorgung der Zellen, verbessert Konzentration und Gesamtbefinden, steigert die Leistungsfähigkeit

Einnahmedauer: mindestens 1 Monat, am besten auf Dauer; Wirkung nach ein paar Tagen bzw. 1 Monat versprochen

Von uns berechnete Überdosierung: Bei täglicher Einnahme Gefahr einer Überdosierung bei Biotin, Folat, Pantothensäure, Vitamin B6 und B2, Niacin sowie ­Vitamin C möglich.

Testergebnis Herbalife

Herbalife

Nahrungsergänzungsmittel Herbalife (Bild: VKI/E. Würth)

Unternehmen: Gegründet 1980 von Mark Hughes in den USA. Riesige Handelsgesellschaft, die international tätig ist. Bietet neben Nahrungsergänzungsmitteln auch Schlankheits- und Diätprodukte sowie Kosmetika an.

Beratungsdauer: 80 bis 90 Minuten

Empfohlene Produkte: Formula 1 (= Shake), Aloe Vera Getränkekonzentrat, Koffeinhaltiges Instant-Kräutergetränk mit Tee-Extrakten

Kosten: Shake 51,56 €, Aloe Vera 40,29 €, Kräutergetränke 32,05 €; insgesamt 123,90 bzw. 110 € genannt, trotz identer Produkte!

Behauptete Produktvorzüge: enthält alle Nährstoffe und Proteine; ver­bessert das Gesamtbefinden, macht agil, gesund und vital, steigert die persön­liche Fitness, kann Müdigkeit lindern

Einnahmedauer: ab 1 Monat; Wirkung nach 3 bis 7 Tagen versprochen

Von uns berechnete Überdosierung: Keine. Allerdings wurden den Testern Produkte angeboten, die lt. Homepage des Unternehmens für die Gewichts­kontrolle gedacht sind.

Testergebnis Juice Plus

Nahrungsergänzungsmittel Juice Plus (Bild: VKI/E. Würth)

Unternehmen: In den 1980er-Jahren wurde die NSA GmbH in den USA ge­gründet. Seit Mitte der 1990er-Jahre auch in Europa vertreten. Operiert von der Schweiz aus und bietet Nahrungsergänzungsmittel sowohl aus Obst- als auch aus Gemüseextrakten an. Dazu noch Shakes, Suppen und Schokoriegel (Formulaprodukte) für das Gewichtsmanagement.

Beratungsdauer: 35 bis 38 Minuten

Empfohlene Produkte: Juice Plus Obst-, Gemüse- und Beeren-Kapseln

Kosten: 290 € für 4 Monate, 75 € für eine Monatspackung

Behauptete Produktvorzüge: enthält alle Nährstoffe, entspricht 5 Por­tionen Obst und Gemüse am Tag; macht aktiver und leistungsfähiger, verbessert die Darmflora, schafft Wohlbefinden

Vorgeschlagene Einnahmedauer: 4 Monate; wirkt aber erst nach 3 bis 4 Monaten, weil natürliches Produkt

Von uns berechnete Überdosierung: Bei täglicher Einnahme Gefahr einer Überdosierung bei Folat, Vitamin C sowie Vitamin E möglich.

Direktvertrieb: Verkauf an Freunde und Verwandte

Nahrungsergänzungsmittel kann man in Apotheken, Drogeriemärkten und selbst im Supermarkt kaufen. Seit 2004 dürfen NEM bei uns auch im Internet abgesetzt werden. Ein Vertriebskanal ist der Direktvertrieb.

Unter Direktvertrieb versteht man den Verkauf von unter­schiedlichen Produkten an Kunden außerhalb eines Geschäfts, also ohne Zwischenschaltung des klassischen Handels. Selbstständige vermitteln als sogenannte Berater auf Rechnung und Namen eines Direktvertriebsunternehmens Waren an Kunden im direkten Kontakt.

Verkäufer braucht kein Fachwissen

Um in dieses Geschäft einzusteigen, braucht der Verkäufer kein Fachwissen, sondern lediglich einen Gewerbeschein, und schon kann es losgehen. Verdient wird hauptsächlich über Provisionen, also die Spanne zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis für jedes verkaufte Produkt. Durch den Aufbau von Netzwerken versucht jeder Verkäufer, weitere Kunden zu gewinnen (Multilevelmarketing).

Neue Berater anwerben bringt Geld

Eine zusätzliche Einnahmequelle ist die Anwerbung von neuen Direktberatern und der Aufbau von zusätzlichen Vertriebslinien (Empfehlungsmarketing). Anders als beim inzwischen verbotenen Pyramidenspiel, bei dem nur die gewinnen, die früh dabei sind, während die Späteinsteiger ­praktisch immer verlieren, steht beim Direktmarketing der Produktverkauf im Vordergrund und nicht das Anwerben von Personen.

Vom Kunden zum Keiler

Schmeicheleien zum Einstieg. Dass im Direktvertrieb vor allem in den oberen Etagen viel Geld verdient wird, hat in erster Linie mit den hier praktizierten Geschäftsmethoden zu tun. Während der Verkaufs­gespräche boten fast alle Berater unseren Testern einen Einstieg ins Unternehmen an. Die meisten versuchten ihre vermeintlichen Kunden mit Schmeicheleien zu ködern: „Sie sind sicher ein guter Verkäufer.“

Aussicht auf zweites Standbein. Außerdem wurden die angeb­lichen finanziellen Vorteile des Wechsels vom Kunden zum Keiler ­eindrucksvoll dargestellt. Von einem sicheren zweiten finanziellen Standbein war ebenso die Rede wie von tollen Preisnachlässen beim Kauf der hauseigenen Produkte. Wir lehnten dankend ab, was nicht immer gut ankam.

Märchenhafte Karriere, traumhafter Verdienst. Das Anwerben von neuen Direktverkäufern gibt es natürlich auch in großem Stil. Wir besuchten bei allen getesteten Firmen und zusätzlich bei Vemma Veranstaltungen, wo neue Mitarbeiter gekeilt wurden. Die möglichen Einkommen, die uns bei einer Karriere im Direkt­vertrieb vorgerechnet wurden, waren märchenhaft. Es wurde uns schwindlig bei all den als Karrierestufen aufgelisteten Vice Presidents, Star Platinums, Sponsoren, Sales Coordinators und Marketingplänen.

Provisionssystem. In Wahrheit geht es bei diesen hochtrabenden Begriffen nur darum, ein brutales Provisionssystem zu behübschen. Je weiter unten in der Hierarchie, desto geringer ist die Spanne, die am Ende für den kleinen Verkäufer übrig bleibt. Und damit die Leute nicht gleich frustiert aufgeben, gibt es ein ausgeklügeltes System an Preisen und Boni, um sie bei der Stange zu halten.

Eine Liste mit 100 Freunden. Fakt ist: Wer hier tatsächlich Geld ­verdienen möchte, muss sehr viel Zeit investieren. Mit ein paar Stunden nebenbei geht gar nichts. Um an Kunden zu kommen, muss der eigene Bekannten- und Verwandtenkreis gnadenlos ausgebeutet werden. So bekamen wir ein Formular in die Hand gedrückt, in das 100(!) Freunde und Bekannte einzutragen waren, vom besten Freund bis zum Briefträger.

Wer aussteigt, bekommt Druck. Unsere Tester gingen zum Schein auf die diversen Angebote ein. Als sie dann innerhalb der angegebenen Frist vom Verkaufsgeschäft zurücktreten wollten, sahen sie sich massivem sozialen Druck ausgesetzt. So einfach man in dieses Geschäft ­eintritt, so schwer kommt man wieder aus ihm heraus.

Zusammenfassung

  • Verzichtbar. Wer sich gesund und ausgewogen ernährt, braucht keine Nahrungsergänzungsmittel. Ein abwechslungsreicher Speiseplan liefert alle benötigten Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente. 
  • Minderwertig? Nahrungsergänzungsmittel werden oft mit dem Argument verkauft, dass unsere Böden ausgelaugt und die darauf produzierten Lebens­mittel nährstoffarm seien. Nichts davon ist wahr. 
  • Überdosis. Die meisten im Direktvertrieb verkauften Präparate sind bei einigen Vitaminen und Mineralstoffen überdosiert und überschreiten auch die von Ernährungsexperten empfohlenen Aufnahmemengen. 
  • Angebaggert. Fast alle Berater versuchten, unsere Testpersonen als neue Verkäufer zu gewinnen. Ein Teil der im Direktvertrieb erzielten Provisionen wird über Anwerbungen verdient. 
  • Fragwürdig. Auch Ärzte verkauften uns Nahrungsergänzungsmittel. Aufgrund des Vertrauensverhältnisses ist es für die Patienten in der Regel besonders schwer, das Angebot abzulehen bzw. sich Bedenkzeit zu erbitten oder Preise zu vergleichen.

Testkriterien

Zwei Testpersonen – eine ältere (65 Jahre) und eine jüngere (35 Jahre) – meldeten sich bei insgesamt 5 Direktvertriebsfirmen für eine Beratung an ­(Szenario genau vorgegeben). Der Ablauf der Beratung und die Gesprächsinhalte wurden mittels ­Protokoll festgehalten. Bei einem Direktvertrieb (Vemma) konnte trotz mehrmaligen Nachfragens kein Termin vereinbart werden.

Weitere zwei Testpersonen erhoben die Struktur dieser Direktvertriebsfirmen. Sie besuchten ­mehrere Veranstaltungen und zeigten Interesse, selbst Vertriebspartner zu werden. Auch ihre Erfahrungen wurden mittels Protokoll festgehalten.

Leserreaktionen

Sektenhaft

Vor einigen Jahren kam ich auf die Firma Herbalife. In der Hoffnung, lästige Pfunde zu verlieren, ließ ich mich auf dieses „Experiment“ ein. Jedoch nur aufgrund der Geld-zurück-Garantie bei Nichtgefallen. Anfangs schmeckten die Produkte auch einigermaßen.

Auf Dauer waren sie mir einfach zu teuer, und ab und zu möchte man ja auch noch etwas kauen und nicht nur Shakes trinken. Schließlich wandte ich mich an die Verkäuferin und brachte ihr alle Produkte zurück. Ich wurde sofort eingeschüchtert und nicht mehr so freundlich behandelt. Mir wurde gesagt, das sei überhaupt noch nie passiert, dass jemand alles zurückgegeben hatte, und ich solle es mir nochmal überlegen, denn eine gesunde Ernährung sei auch nicht billiger!

Eine Mahlzeit kostet dort immer mindestens 3 €. Schließlich bekam ich doch mein Geld und brach jeglichen Kontakt ab. Das Ganze kam mir schon sehr sektenhaft vor. Fazit: Hände weg!

Name der Reaktion bekannt
(aus KONSUMENT 4/2013)

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