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Marketing für Kinderlebensmittel - Versprechen nicht gehalten

Eine Selbstverpflichtung der Industrie aus dem Jahr 2007 entpuppt sich als heiße Luft. Ungestraft werden Kinder weiter mit Werbung für Produkte bombardiert, die zu Adipositas und Diabetes führen können.

Durch Werbung beeinflussen Lebensmittelfirmen massiv die Ernährung von Kindern weltweit. Eine Selbstverpflichtung aus dem Jahr 2007 hat sich inzwischen als heiße Luft herausgestellt. Ungestraft werden Produkte, die Adipositas und Diabetes auslösen können, direkt bei Kindern beworben.

Viel Geld für Kinderwerbung

Kinder lassen sich besonders gerne von attraktiven Verpackungen und lustigen Werbeslogans verführen. Beliebt sind vor allem niedliche Comicfiguren. Deshalb brummt das Geschäft mit ungesunden Kinderlebensmitteln, auf denen Biene Maja oder Wicki, der Wikinger werben. Und Firmen wie Nestlé, Danone und Ferrero geben riesige Summen aus, damit sich ihre Produkte gut verkaufen: 712,8 Millionen Euro betrugen 2014 die Ausgaben für Süßwarenwerbung allein in Deutschland.

Damit Kinder diese ungesunden Snacks konsumieren, spielt für die Industrie das Wording eine wichtige Rolle: Begriffe wie „Zwischenmahlzeit“ suggerieren Eltern, ihre Kinder bräuchten mehrmals am Tag Snacks. Viele Anbieter werben mit besonders wertvollen Inhaltsstoffen, die zum Teil aber gar nicht enthalten sind. So wurde z.B. der Kinderriegel von Ferrero über Jahre mit der „extra Portion Milch“ beworben, die der Riegel aber gar nicht hergab. Als zahlreiche Verbraucher protestierten, änderte der Konzern schließlich seinen Werbeslogan.

Werbung online

Auch mit Onlinespielen locken Werbeprofis Heranwachsende in ihre Markenwelten. So ruft etwa der Hersteller „Capri Sun“ (bis Frühjahr 2017 „Capri Sonne“) Kinder dazu auf, Fotos von sich und dem Produkt hochzuladen und macht sie damit zu kostenlosen Werbeträgern. „Capri Sun“ lädt Kinder auf seiner Homepage auch zum „Froodokoo“-Spiel ein. Dort müssen die Kids nicht wie bei Sudoku Zahlen, sondern Früchte in Kästchen ergänzen. Ist ein Aufgaben-Level geschafft, sind auf der Firmen-Homepage Texte über die verschiedenen Früchte zu lesen, die in Capri Sun vorkommen. Dass die Fruchtlimonade tatsächlich vor allem Zucker enthält, kommt nicht zur Sprache, sondern ist nur unter „Inhaltsstoffe“ der diversen Getränkesorten nachzulesen. Selbst für Schulen werden Unterrichtsmaterialien mit Ernährungstipps angeboten, die mit dem Markenlogo verziert sind und so zum Werbeträger werden. (Quelle Foodwatch - 2015; Trickreiche Marketingmethoden, perfide Lobby-Strategien)

Was Hänschen nicht lernt

Für Kinder sind Snacks riskant. Wenn sich nämlich im Kindes- und Jugendalter ungesunde Ernährungsmuster einschleichen, ist es sehr schwierig, sie später zu verändern. Deshalb werden aus übergewichtigen Kindern oft adipöse Erwachsene. Werbung für ungesunde Snacks zu verbieten, ist eine Möglichkeit, kindliche Fettleibigkeit zu bekämpfen. Dazu müssen Werberestriktionen aber staatlich verordnet werden. Denn selbst auferlegte Verpflichtungen funktionieren nicht, wie sich inzwischen gezeigt hat.

Selbstverpflichtung: Einigung großer Lebensmittelfirmen 

Bei der Selbstverpflichtung im Jahr 2007 einigten sich elf große Lebensmittelfirmen – darunter Coca-Cola, Ferrero und Danone – auf eine gemeinsame Vereinbarung, Lebensmittel für Kinder künftig verantwortungsvoll zu vermarkten. In diesem so genannten EU Pledge (pledge = Gelöbnis) versprachen die Unternehmen unter anderem, keine TV-, Print- oder Onlinewerbung zu schalten, die sich an Kinder unter 12 Jahren richtet. Ausgenommen wurden Produkte, die spezifische Nährwertanforderungen auf Basis von internationalen Empfehlungen und wissenschaftlichen Grundlagen erfüllen.

Zudem sollte kein Produktmarketing in Volkschulen stattfinden, außer bei ausdrücklicher Nachfrage und nach Absprache mit der Schuldirektion oder wenn sie erzieherischen Zwecken diente. Von der Selbstverpflichtung ausgenommen waren die Gestaltung der Verpackungen sowie die Marketing-Aktivitäten am Verkaufsort.

Eigenen Regeln missachtet

Eigene Regeln missachtet

2015 untersuchte die Organisation Foodwatch insgesamt 281 Produkte jener Firmen, welche die Vereinbarung unterzeichnet hatten. Grundlage der Beurteilung war das Nährwertprofilmodell der Weltgesundheitsorganisation WHO. Von den Produkten entsprachen lediglich 29 (10 %) den Ansprüchen der WHO an ausgewogene Lebensmittel für Kinder. (Quelle: Foodwatch (2015) Foodwatch-Studie Marketing für Kinderlebensmittel. Freiwillige Selbstverpflichtung („EUPledge“) auf dem Prüfstand.)

Und nach wie vor werden im Fernsehen fast ausschließlich ungesunde Produkte für Kinder beworben. (Quelle: Effertz T u.a. (2012) Publ Health Nutr; 15, S. 1466). Die Firmen selbst hatten für ihre Produkte eigene Nährwertgrenzen festgelegt, die wesentlich großzügiger waren als die Nährwertgrenzen des WHO-Regionalbüros Europa. Das ermöglichte Firmen, ihre Werbung auf ungesunde Produkte auszudehnen, die ja laut der selbst verordneten Nährwertangaben gesund waren.

Her mit gesetzlichen Regelungen

In unserem Nachbarland möchte die deutsche Initiative „SCHAU HIN! Was dein Kind mit Medien macht“ Eltern darin unterstützen, Kindern beizubringen, wie sie mit Werbung umgehen.  Das ist wichtig, ändert aber nichts daran, dass die Produkte der Süßwarenidustrie nach wie vor internationalen Anforderungen und Vorgaben der WHO für gesunde Nahrungsmittel nicht entsprechen.

Eine effektive gesetzliche Regulierung des Kindermarketings für Lebensmittel ist daher nötig. Mehrere Fachgesellschaften setzen sich außerdem für eine Besteuerung unausgewogener Lebensmittel ein. Eltern können selbst eine Menge tun, indem sie nicht regelmäßig Snacks essen, diese nicht bei Hunger, sondern nur als Genussmittel verzehren und auf deren jeweiligen Zucker- und Fettgehalt achten. Damit Kinder sich gesünder ernähren und vor Übergewicht bewahrt werden, müssen Politik, Wissenschaft und Eltern an einem Strang ziehen.

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