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Autohersteller im Ethik-Test - Sozial auf der Kriechspur

  • Die 15 größten Autohersteller im Ethik-Vergleich
  • BMW, Volvo und Mercedes an der Spitze
  • Rote Laterne für Fiat und Skoda

Die Automobilindustrie ist eine der mächtigsten und kapitalkräftigsten Wirtschaftsbranchen der Welt. Doch übernimmt sie auch die sich daraus ergebende Verantwortung? Mit dieser Frage konfrontierten wir 15 bedeutende Autoproduzenten, die zusammen 92 Prozent des österreichischen Marktes abdecken. Durchgeführt wurde die Erhebung von der auf Ethikuntersuchungen spezialisierten Agentur Stock at Stake mit Sitz in Brüssel.

Uneinheitliche Umwelt- und Sozialpolitik

Zu beachten ist, dass nicht alle Konzerne eine einheitliche Umwelt- und Sozialpolitik verfolgen. So hat die General-Motors-Tochter Opel eine eigene Unternehmenskultur, Skoda unterscheidet sich stark vom Rest der Volkswagengruppe, bei DaimlerChrysler sind Mercedes und Chrysler voneinander zu trennen.

Drei Europäer vorne

Das Ergebnis in Schlagworten: Drei europäische Marken schneiden überdurchschnittlich ab – BMW und Volvo, gefolgt von Mercedes. Weit abgeschlagen landen zwei ebenfalls europäische Marken auf den letzten Rängen: die Fiat-Gruppe und Skoda. Im Bereich Umwelt haben die japanischen Hersteller die Nase vorn: Toyota schafft in allen vier Kriterien die Note A. Ganz anders im Sozialbereich: Hier erreichen Volvo und BMW (trotz Mängeln) die besten Werte, während keine Japan-Marke auch nur als durchschnittlich bezeichnet werden könnte.

 


Das Thema Ethik ist in der Branche bereits etabliert. Die Unternehmen widmen solchen Fragestellungen zum Teil große Aufmerksamkeit, Informationen darüber werden auch der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt (sechsmal Bestnote A). Besonders in Umweltfragen sind die Leistungen der Autohersteller beachtlich. Das ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass Umweltinvestitionen sich auch wirtschaftlich lohnen: So etwa die Reduktion des Energie- und Materialeinsatzes in der Produktion oder die Wiederverwertung bzw. Wiederverwendung von Abwasser und Abfall. Zum anderen trägt auch eine relativ strenge Umweltgesetzgebung dazu bei, dass Verbesserungen erfolgen. Häufig führt allein schon die Ankündigung strengerer Vorschriften oder die Diskussion darüber dazu, dass sich die Branche (oder zumindest deren Vorreiter) bereits vorzeitig umstellt.

Gewerkschaften reden mit

Mächtig sind nicht nur die Konzerne, ihnen stehen auch traditionell starke Gewerkschaften – hohe Organisationsdichte, große Verhandlungsstärke – gegenüber. Daher sind auch Lohnniveau und Sozialleistungen höher als in anderen Industriezweigen. Allerdings trifft dies nur für die Beschäftigten von unternehmenseigenen Betrieben in den Industrieländern zu. Bei Produktionsstätten in der Dritten Welt muss man schon froh sein, wenn gewisse Mindeststandards (keine Kinderarbeit, keine Zwangsarbeit, gewerkschaftliche Freiheiten) garantiert werden.

Zulieferer als Stiefkider

Noch schlechter stellt sich die Lage in den Zulieferbetrieben dar. Die Automobilkonzerne fühlen sich weitgehend nicht dafür verantwortlich, und wenn doch, gibt es keine glaubwürdige Überprüfung dafür, dass selbst auferlegte Verpflichtungen auch eingehalten werden. Und das, obwohl die Markenkonzerne 70 und mehr Prozent der Produktion in Zulieferbetriebe ausgelagert haben.
Zum Vergleich: Bei der Umweltzertifizierung der eigenen Produktionsstätten erreichen 13 von 15 Unternehmen die Bestnote A, bei der Zertifizierung von Zulieferern sind es nur mehr 8.

Keine unabhängige Kontrolle

In puncto Sozialleistungen (in Hochlohnländern) gibt es ebenfalls achtmal einen Spitzenwert, während nur drei Unternehmen ihre Zulieferbetriebe zur Einhaltung von Mindeststandards verpflichten. Eine unabhängige Kontrolle dafür gibt es zurzeit noch nirgends, bei Volvo befindet sich ein Kontrollsystem in der Versuchsphase.

Bedingungen erfüllt: BMW, Volvo, Mercedes

Firma

Kommentar

BMW
BMW liegt nach fast allen Kriterien über dem Branchenschnitt. „Exzellente“ Beziehungen zu den Gewerkschaften. Schwächen sind mangelnde Umweltauflagen für das Händlernetz und das Fehlen einer effizienten Kontrolle der Arbeitsbedingungen in den Zulieferbetrieben.
Volvo
Die 100-Prozent-Tochter von Ford verfolgt ein eigenständiges Ethik-Konzept. Spitzenreiter im Sozialbereich; hat als erste eine unabhängige Überprüfung der Zulieferbetriebe in die Wege geleitet. In puncto umweltfreundlicher Produktion nur Durchschnitt.

Mercedes
Hervorgehoben werden niedriger Energie- und Wasserverbrauch in der Produktion. Die Arbeitsbedingungen in Zulieferbetrieben werden allerdings vernachlässigt. Immerhin gibt es eine indirekte Kontrolle von Zulieferbetrieben durch den Konzernbetriebsrat.
 

Bedingungen nur teilweise erfüllt

Firma

Kommentar


Ford
Der US-Konzern verpasst ein A-Rating, weil er seinen Händlern keinerlei Umweltauflagen erteilt. Sonst in vielen Kriterien unter den Besten, so sind alle Produktionsstätten umweltzertifiziert; sehr umweltfreundliche Produktion; Ethik-Berichte mit konkreten Zahlenangaben.

VW/Audi/Seat
Auch der Platzhirsch in Europa verpatzt sich sein gutes Standing durch eine Schwachstelle: Mangel an sozialem Engagement in den Zulieferbetrieben, so lobenswert es in Deutschland sein mag. VW hat aber reagiert: Ein Überprüfungskonzept soll jetzt ausgearbeitet werden!

Peugeot/Citroën
Der zweitgrößte europäische Autohersteller führt das Mittelfeld im Ethik-Ranking an. Gelobt werden seine Sozialleistungen. Basis-Produktion eher nicht in Billig-Länder ausgelagert, aber relativ hoher Anteil befristeter Arbeitsverträge (12 Prozent in Frankreich).

Mazda
Hohes Umweltengagement, aber kaum soziale Verantwortung – das zeichnet alle japanischen Hersteller aus. Immerhin aber veröffentlicht Mazda Informationen über seine Belegschaft, so etwa, dass ganze sechs weibliche Beschäftigte eine Leitungsfunktion innehaben.

Mitsubishi
Das Verhältnis zwischen Umwelt und Sozialem ist ausgeglichener als bei den anderen Japan-Marken. Spitzenwert in der Recyclingquote (99,4 Prozent des Abfalls wiederverwertet). Einziger Japaner, der soziale Mindeststandards in Produktionsstätten der Dritten Welt respektiert.

Opel
Nach den meisten Kriterien erreicht die GM-Tochter lediglich ein durchschnittliches Rating. Spitzenwerte allerdings im Umweltmanagement: Opel ist der einzige Hersteller, dessen Zulieferer zu 100 Prozent zertifiziert sind, in den eigenen Werken liegt die Quote bei 96 Prozent.

Toyota
Im Umweltbereich führt Toyota die Branche an. Umweltauflagen werden nicht nur den Händlern daheim erteilt, sondern auch denen in Übersee. In sozialer Hinsicht hingegen extrem schwach, ausgenommen in Industriestaaten; aber auch hier wird hoher Arbeitsdruck beklagt.

Bedingungen nicht erfüllt

Firma

Kommentar 


Honda
Honda bildet mit Nissan und Renault eine Gruppe von Nachzüglern, die den Anschluss zum Durchschnitt nicht ganz verloren haben. Recycling-Erfolg: 90 Prozent der Teile von Altfahrzeugen werden wiederverwertet. Kein Personalabbau in den letzten drei Jahren.

Nissan
Ignoriert die soziale Komponente noch mehr als die anderen Japaner, ohne im Umweltbereich besonders auffällige Leistungen zu vollbringen. Bediente sich der Polizeigewalt, um Streik in Niedriglohn-Land zu beenden (Philippinen, November 2001).

Renault
Der teilprivatisierte französische Konzern gilt zwar als Vorreiter in der Crashsicherheit (nicht bewertet), sonst aber lässt sein Verantwortungsbewusstsein zu wünschen übrig. Immerhin: 90 Prozent der Renault-Produktion sind nach Öko-Standards (extern) zertifiziert.

Fiat/Alfa Romeo/Lancia
Die Gruppe zeigt wenig Ambitionen und liegt deutlich unter dem Branchenschnitt. Der einzige Autohersteller, dessen Sozialleistungen im Stammland als negativ eingeschätzt werden, was auch mit den aktuellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zusammenhängt.

Skoda
Die VW-Tochter hat eine eigenständige Umweltpolitik und andere Arbeitsbedingungen. Resultat: Das Unternehmen kann in keiner Weise mit der Branche mithalten. Es wird zwar von Fortschritten im Bereich Umwelt berichtet, insgesamt mangelt es aber an Problembewusstsein.

Autohersteller im Ethiktest

So wurde erhoben

Der Ethik-Test erfolgte im Auftrag des VKI und einer Reihe weiterer europäischer Verbraucherverbände. Durchgeführt wurde er von Stock at Stake , der Research-Agentur der belgischen Non-Profit-Organisation Ethibel . Stock at Stake ist spezialisiert auf die Prüfung und Beratung in allen Belangen der gesellschaftlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen. Untersucht wurden 15 Unternehmen, die die in Europa wichtigsten Automarken repräsentieren (Marktabdeckung in Österreich 92 %). Nicht immer gelten die Unternehmensangaben für alle zum Konzern gehörigen Marken; so hat beispielsweise Skoda ein anderes CSR-Konzept (CSR – Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen) als die VW-Gruppe, Volvo unterscheidet sich von seinem Mutterkonzern Ford, Chrysler von Mercedes etc.

Die Erhebung erfolgte in drei Schritten:

  1. Sammeln von Informationen aus dem Unternehmen mittels Fragebogen, Dokumenten und öffentlicher Berichte.
  2. Unternehmensunabhängige Quellen waren Gewerkschaften, Nachrichtenmedien, NGOs und einschlägige Websites.
  3. Die Ergebnisse der Erhebung wurden den Unternehmen zur Stellungnahme übermittelt, relevante Reaktionen wurden in den Endbericht eingearbeitet.

Grundsätzlich bezieht sich die Untersuchung nur auf den Unternehmensbereich Pkw-Produktion, andere Bereiche (Lkw, Luftfahrt, Logistik etc.) wurden außer Betracht gelassen.

Die Untersuchungsergebnisse wurden in 10 Indikatoren dargestellt: 4 aus den Bereichen Umwelt, 4 für Soziales und 2 für Informationsoffenheit (Transparenz). Die Bewertung erfolgte in drei Stufen:

  • A: wenn die jeweils definierten Bedingungen erfüllt werden
  • B: für eine teilweise Erfüllung
  • C: bei Nichterfüllung

Zu beachten ist: Gegenstand der Untersuchung bilden vor allem die Unternehmenspolitik und Managementsysteme zu deren Umsetzung. In welchem Maß die Zielsetzungen des Unternehmens in der Praxis wirklich erreicht werden, kann nur zum Teil überprüft werden. Die Bewertung A bedeutet lediglich, dass das Unternehmen in diesem Punkt besser als die meisten seiner Mitbewerber abschließt, aber nicht, dass dies absolut gesehen als gut oder auch nur akzeptabel bezeichnet werden könnte.

Waren die Informationen nicht ausreichend oder nicht eindeutig, wurde keine Bewertung vorgenommen. Aus den Einzelbewertungen wurden Gruppenurteile und ein Gesamturteil für Unternehmensethik errechnet. Abwertung: Bei Bewertung C in einem Einzelkriterium kann das Gesamturteil nicht besser als B sein.

Definition der Kriterien

Im Einzelnen wurden die Bewertungen wie folgt definiert:

UMWELT

Umweltzertifizierung (Managementsystem)

  • A: Mehr als 75 Prozent der gesamten Produktion unterliegen einer externen Zertifizierung nach internationalen Standards.
  • B: Mehr als 50 Prozent extern zertifiziert.
  • C: Weniger als 50 Prozent extern zertifiziert.

Überprüfung (Zertifizierung) der Zulieferbetriebe

  • A: Mehr als 50 Prozent der Zulieferer werden extern zertifiziert bzw. mehr als 66 Prozent werden vom Unternehmen selbst überprüft (Unternehmensaudit).
  • B: Mehr als 25 Prozent externe Zertifizierung bzw. mehr als 33 Prozent Unternehmensaudit.
  • C: Es gibt bestenfalls eine freiwillige Selbstverpflichtung oder Selbstkontrolle der Zulieferbetriebe.

Produktion (Umweltperformance)

  • A: Die Umweltmaßnahmen und -initiativen werden in quantitativer Hinsicht und auch im Hinblick auf ihre Vielfältigkeit in Summe als über dem Branchendurchschnitt liegend bewertet.
  • B: Umweltaktivitäten sind durchschnittlich.
  • C: Umweltaktivitäten sind unterdurchschnittlich.

Auflagen an Händler

  • A: Den Händlern (zumindest im Stammland) werden Umweltanforderungen auferlegt.
  • B: Effiziente Maßnahmen in Kooperation mit den Händlern auf freiwilliger Basis.
  • C: Keine Aktivitäten gegenüber den Händlern.

SOZIALES

Sozialleistungen in Industrieländern (in den unternehmenseigenen Werken im Stammland bzw. in anderen Industrieländern)

  • A: Über dem Branchenschnitt
  • B: Durchschnittlich
  • C: Unter dem Branchenschnitt

Mindeststandards in Niedriglohnländern (Arbeitsbedingungen in Ländern mit niedrigem Sozialstandard = in der „Dritten Welt“)

  • A: Das Unternehmen verpflichtet sich zur Einhaltung aller 8 ILO-Konventionen über Arbeitnehmerrechte inklusive Gesundheit und Sicherheit.
  • B: Einige der 8 ILO-Konventionen werden berücksichtigt.
  • C: Es gibt keine entsprechende Sozialpolitik.

Auflagen an Zulieferbetriebe

  • A: Die Zulieferbetriebe werden zur Einhaltung eines Verhaltenskodex verpflichtet, der alle 8 ILO-Konventionen über Arbeitnehmerrechte inklusive Gesundheit und Sicherheit enthält.
  • B: Der Verhaltenskodex enthält einige der 8 ILO-Konventionen.
  • C: Ein (allfälliger) Verhaltenskodex enthält keine der 8 ILO-Konventionen.

Überprüfung der Zulieferbetriebe

  • A: Die Einhaltung des Verhaltenskodex wird extern (durch einen unabhängigen Dritten) überprüft (third party assessment).
  • B: Die Einhaltung des Verhaltenskodex wird durch das Unternehmen selbst überprüft (second party assessment).
  • C: Falls überhaupt, nur freiwillige Selbstverpflichtung oder Selbstkontrolle des Betriebes (first party assessment).

INFORMATIONSOFFENHEIT

Fragebogen ausgefüllt (Kooperationsbereitschaft)

  • A: Das Unternehmen hat die meisten Fragen – detailliert – beantwortet.
  • B: Das Unternehmen hat nur grobe Angaben zu den meisten Fragen gemacht bzw. nur einen Teil der Fragen beantwortet bzw. zu spät reagiert.
  • C: Das Unternehmen hat an der Befragung nicht teilgenommen und auch keine sonstigen Informationen zur Verfügung gestellt.

Berichterstattung

  • A: Ausführlichkeit und Reichweite der öffentlich zugänglichen Berichte über soziale und/oder Umweltaspekte können als gut bezeichnet werden.
  • B: In Bezug auf Ausführlichkeit und/oder Reichweite Durchschnitt.
  • C: In Bezug auf Ausführlichkeit und/oder Reichweite schlecht.

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