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Verschiedene Babyutensilien
Verschiedene Babyutensilien Bild: Shutterstock

BPA frei leben – geht das wirklich?

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Bisphenol A, oder kurz BPA, und andere Chemikalien, die ähnlich wie Hormone wirken, begegnen uns z.B. als Bestandteil oder Weichmacher in vielen verschiedenen Konsumprodukten. Gesetzliche Maßnahmen zu ihrer Einschränkung sind längst überfällig. In unserem Artikel klären wir Fragen wie: Was ist BPA? Wo ist es enthalten und wie wird es freigesetzt? Wie können wir BPA frei leben?

Was ist BPA?

BPA oder auch Bisphenol A ist eine Industriechemikalie, die für die Produktion von Kunststoff aus Polycarbonat verwendet wird. Der Stoff ist hormonell wirksam und ähnelt dem weiblichen Hormon Östrogen. Hormonell wirksame Chemikalien sind körperfremde Stoffe, die aufgrund einer zufälligen strukturellen Ähnlichkeit mit körpereigenen Hormonen deren Wirkung imitieren, verstärken oder blockieren. Ist ein schädlicher Einfluss nachgewiesen, spricht man von hormonell schädigenden bzw. schädlichen Chemikalien. Bei Aufnahme können sie das Hormonsystem von Menschen und auch Tieren beeinflussen.

Bereits seit fünfzig Jahren beobachten Wissenschaftler:innen bei verschiedensten Tierarten Anomalien der Geschlechtsorgane , die auf hormonell schädigende Chemikalien zurückzuführen sind. Um diesen Beobachtungen auf den Grund zu gehen, überprüften Forscher:innen den Untergrund eines Sees, in dessen Umkreis die besagten Anomalien besonders oft vorkamen. Bei der Analyse wurden chlorhaltige Insektizide, die nach einem Chemieunfall ins Wasser gelangt waren, in den Proben festgestellt. In weiteren Analysen wurde das Blut der dort lebenden Tiere untersucht und es wurde tatsächlich ein erhöhtes Vorkommen von weiblichen Hormonen nachgewiesen. Nähere Informationen zur Untersuchung findest du hier.

Wann wird BPA freigesetzt?

Der weichmachende Stoff BPA kommt in fast allen Konservendosen und in manchen Plastikbehältern  vor. Durch den Prozess der Hydrolyse, also dem Kontakt mit Wasser, kann der Stoff Bisphenol A freigesetzt werden. Die Konzentration des freigesetzten Stoffes hängt u. a. vom Herstellungsverfahren ab, aber vor allem damit zusammen, was dann passiert: Kochendes Wasser beschleunigt das Herauslösen von BPA um das 55-Fache, fetthaltige Lebensmittel, Säure und Laugen erhöhen die Konzentration an BPA. Auch in Trinkwasser kann BPA vorkommen. 

Dort stammt es meist aus Materialien, die zur Wasserspeicherung bzw. -aufbewahrung verwendet wurden. Im heißen Wasser ist der Bisphenol A Gehalt besonders hoch, da sich der Stoff durch die erhöhte Temperatur aus den eingesetzten Materialien löst.

Wo ist BPA enthalten?

Der Stoff BPA gelangt bei der Produktion von Kunststoff bzw. Plastik so gut wie überall hin – in die Luft, den Staub, die Gewässer und damit auch ins Meer. Mittlerweile trägt schon jeder Mensch BPA in sich. In einer repräsentativen Studie aus den USA konnte bei über 90 Prozent der US-Bevölkerung BPA im Urin nachgewiesen werden. Diese Studie ist nur eine von vielen Untersuchungen, die die beängstigende Annahme bestätigen: BPA ist überall zu finden!

Nun stellt sich die Frage: Welche Produkte enthalten BPA? Hier sind ein paar Beispiele, wo BPA vorkommt:

  • Konservendosen: BPA oder seine Ersatzstoffe, die häufig nicht weniger schädlich sind, können in der Innenbeschichtung von Konservendosen und Lebensmittelverpackungen vorkommen. Dadurch kann der Stoff auch in unsere Lebensmittel und in weiterer Folge in unseren Körper gelangen. Weitere Informationen dazu findet ihr hier.
  • Kunststoffbehälter: Gerade Frischhaltedosen aus Kunststoff sind beliebte Helferleins in jedem Haushalt. Allerdings haben genau diese meist auch das höchste Potenzial zur Freisetzung von BPA. Auch wenn die Behälter mikrowellengeeignet sind, können sie bei der Erwärmung verstärkt Bisphenol A freisetzen. Auch Behälter, die als Bisphenol-A- oder BPA-frei gekennzeichnet sind, können Ersatzstoffe enthalten, die eine ähnlich schädigende Wirkung haben.

Durch den weit verbreiteten Einsatz des Stoffes kommt praktisch jeder Mensch damit in Berührung. Doch es gibt auch gute Nachrichten: Immer mehr Unternehmen achten darauf, dass sie auf eine BPA freie Produktion umstellen. So dürfen Babytrinkflaschen EU-weit seit 2011 kein BPA mehr enthalten, damit sie sicherer für Kinder sind. Österreich hat hier eine Vorreiterrolle, hierzulande müssen auch Beißringe und Schnuller frei von BPA sein.

Warum sollte man BPA meiden?

Der Stoff Bisphenol A hat eine hormonähnliche Wirkung und kann somit schon in geringen Mengen den Hormonhaushalt und sein Gleichgewicht durcheinander bringen. Damit ist die Antwort ganz einfach: Um die Risiken möglichst gering zu halten, sollte man versuchen, weitgehend BPA frei zu leben.

Doch wie stellt man das an? Wir haben hierzu ein paar Tipps, welche Produkte BPA frei sind.

Welche Produkte enthalten kein Bisphenol A?

Lebensmittel

  • Bisphenol-A kann durch den Kontakt mit Flüssigkeiten oder Lebensmitteln aus dem Kunststoff Polycarbonat (PC) herausgelöst werden. Meide daher Behälter aus Kunststoff mit der Bezeichnung PC bzw. dem Recycling-Code 07. Unser Rat: Benutze Lebensmittel- und Trinkbehälter aus Glas, Porzellan, Edelstahl, Polyethylen (PE) oder Polypropylen (PP). Mehrweg-Trinkflaschen haben wir im Frühjahr 2020 getestet.
  • Verzichte auf Lebensmittel aus Konserven und Getränke in Aludosen. Die Innenbeschichtung kann Bisphenol A enthalten. Insbesondere fetthaltige sowie saure oder basische Produkte können BPA aus der Beschichtung herauslösen.
  • Erhitze keine Lebensmittel in Kunststoffbehältern, auch nicht in der Mikrowelle. Laut Ökotest warnten US-amerikanische Ärzt:innen bereits im Jahr 2018 davor, Lebensmittel für Kinder in Plastikgefäßen zu erwärmen.
  • Am besten sind frische, nach Möglichkeit unverpackte und regionale Lebensmittel.
  • Um andere Wirkstoffe, wie zum Beispiel Pestizidrückstände, möglichst zu vermeiden, kann man zu Bio-Lebensmitteln greifen.

Kosmetika

  • Worauf du bei den Angaben zu den Inhaltsstoffen achten solltest, findest du unter Kosmetika: Chemikalien, die wie Hormone wirken.
  • Verwende Naturkosmetika, diese enthalten keine potenziell hormonell schädlichen Chemikalien.
  • Weniger ist mehr! Benutze Baby- und Kinderpflegeprodukte nur, wenn es wirklich nötig ist.

Textilien

  • Outdoor-Bekleidung kann (noch immer) perfluorierte Chemikalien enthalten. Diese wirken teilweise hormonell schädigend und waren Ursache für den "Teflon-Skandal" im Jahr 1998.
  • Verzichte auf Kinderbekleidung, die PVC-Teile bzw. PVC-Beschichtung enthält. Gummistiefel, Kunststoff-Clogs oder Badesandalen gibt es auch aus PVC-freien Materialien wie dem Ethylvinylacetat (EVA). Frag nach!
  • Neue Textilien sollten generell vor dem ersten Tragen gewaschen werden, um eventuell vorhandene, schädliche chemische Rückstände aus der Produktion zu entfernen.
  • Sehr gute Alternativen sind Öko-Textilien – hier wird neben den erlaubten zugesetzten Chemikalien auch Anbau und Produktion strengen Kriterien unterworfen. Dabei kann man sich an einer Zertifizierung mit GOTS orientieren.
  • Das Label Öko-Tex Standard 100 betrachtet hauptsächlich die Chemikalien in den Textilien und schließt hormonell schädliche Stoffe aus.

Spielzeug

  • Rieche vor dem Kauf an Spielsachen! Lass Spielzeug mit chemischem Geruch lieber im Regal stehen.
  • Gib deinem Baby kein Spielzeug, das nicht für Kinder unter 3 Jahre freigegeben ist.
  • Wasche alle Kuschel-Utensilien!
  • Im Testmagazin KONSUMENT werden regelmäßig Artikel zu Spielzeug und Spielzeugtests veröffentlicht, bei denen auch auf Schadstoffe geprüft wird.
  • Bevorzuge Stoffpuppen oder Kuscheltiere aus Naturtextilien.

Weitere Informationen zu unseren Tests auf BPA findest du hier.

Susanne Stark - Expertin: Umweltzeichen, Chemie
Dr. Susanne Stark - Expertin: Umweltzeichen, Chemie Bild: VKI

Seit 2009 bin ich im VKI für das Österreichische Umweltzeichen und das EU-Ecolabel zuständig. Alles rund um Schadstoffe ist mein Kernbereich.

Susanne Stark, Chemikerin

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